www.Crossover-agm.de ATTACK: The Secret Place
von rls

ATTACK: The Secret Place   (Steel Legacy Records)

So richtig Glück hatten Attack während ihrer immerhin auch schon knapp 30jährigen Bandexistenz nur selten, und die Karriere war akuten Schwankungen unterworfen, obwohl sie in den 80ern etwa mit dem gutklassigen Album "Return Of The Evil" (das sich Jahre später als lange Zeit einziges Attack-Werk auch in der Tonträgersammlung des Rezensenten wiederfand) durchaus gut vorgelegt hatten und im Gegensatz zu mancherlei wendehälsigem Charakter auch in den für traditionellen Metal eher schwierigen Mittneunzigern die Fahne ihres Stils treu weiter schwangen, ohne dafür freilich von der ja immer noch vorhandenen Fanschicht dafür belohnt zu werden, die eher Gamma Ray, Rage oder Blind Guardian kaufte. So reichte es auch für das Album "The Secret Place" anno 1995 nur zu einem Achtungserfolg, obwohl die Dreiviertelstunde eigentlich alles bot, was man von einem wertvollen Genrebeitrag erwarten konnte: Power, Melodien, Spielfreude, hohe spieltechnische Fertigkeiten und auch noch ein hübsches Fantasy-Cover. Möglicherweise standen Attack auch auf diesem Album zwei Faktoren etwas im Wege. Zum einen legte Bandkopf Ricky van Helden Melodien bisweilen so an, daß sie etwas losgelöst vom instrumentalen Unterbau wirkten - Beispiele für diese These finden sich gleich im Opener "Light In The Dark". Zum anderen singt er auch auf diesem Album wieder selbst, und das wird zum Problem: Er ist gewiß kein schlechter Sänger - aber eben auch kein richtig guter, keiner, der mit einer mitreißenden Gesangsleistung auch den einen oder anderen durchschnittlichen Song noch in ein Glanzlicht verwandeln könnte. Das war er schon auf "Return Of The Evil" nicht, und das ist er auch ein Jahrzehnt später nicht. Daß sein Gesang in dem ansonsten sehr ausgewogenen Soundgewand von "The Secret Place" recht weit in den Hintergrund gemischt worden ist, mag Zufall sein, aber es spiegelt genau die Verhältnisse bei Attack wider: starke Instrumentalleistungen, interessante Kompositionen, aber eben nur ein durchschnittlicher Gesang. Daß van Helden die Songs auf "The Secret Place" deutlich vielschichtiger angelegt hat als zehn Jahre zuvor, mag ihn zudem noch den einen oder anderen basisch orientierten True-Metal-Hörer gekostet haben, während das Material immer noch weit davon entfernt ist, etwa für die Progmetal-Fraktion interessant zu sein. Wer sich aber für genau diese Mixtur, also Power Metal mit leicht progressivem Anstrich, interessiert, dürfte in den zehn Kompositionen jedenfalls mancherlei Hörenswertes entdecken - und auch mancherlei schon Gehörtes: Van Helden wurde in etlichen Rezensionen der Vorgängeralben vorgehalten, er habe sich hier und da zu deutlich bei seinen musikalischen Vorbildern bedient (ob zu Recht, kann der diese Alben nicht besitzende Rezensent nicht beurteilen), und auch auf "The Secret Place" horcht man an mindestens zwei Stellen auf. Da wäre zunächst "The Prophecy", wo der zweite Teil des Refrains weitgehend dem zwei Jahre zuvor erschienenen "Carry On"-Refrain von Angra gleicht. Die andere Stelle wiederum ist künstlerische Absicht: Van Helden und der in diesem Fall als Mitkomponist genannte Schlagzeuger Athanasios "Zacki" Tsoukas zitieren im augenzwinkernd "Tsoukata" benannten ersten Instrumental des Albums die bekannte Toccata d-Moll BWV 565, bei der sich die Musikwissenschaftler immer noch streiten, ob sie denn nun wirklich vom alten Bach stammt oder doch von Johann Peter Kellner oder noch von irgend jemand anders. Daß der Schlagzeuger hier Co-Komponist ist, erscheint logisch: Die reichliche Hälfte der Komposition wird von einem Drumsolo eingenommen - eine eher seltene Zutat auf Studioalben. Das zweite Instrumental heißt "Warp Speed, Now!" und schließt die Dreiviertelstunde in ebenjener Geschwindigkeit ab, wobei es nochmal die beeindruckenden Fähigkeiten der Instrumentalisten in den Mittelpunkt rückt, besonders natürlich die der Gitarristen Peter Oko und Thorsten Koehne, wobei es sich bei letzterem tatsächlich um den Menschen handelt, der dann um die Jahrtausendwende mit Demon Drive zwei der langweiligsten Melodic-Rock-Alben aller Zeiten einspielte und erst später mit Eden's Curse wieder zu überzeugen wußte. Zu überzeugen wissen auch gute Teile der hier zu hörenden Dreiviertelstunde - man erlebe nur mal den gekonnten Wechsel zwischen harten und halbakustischen Parts in "I Know"! Gekonnter Keyboardeinsatz sowie Einsprengsel anderer Instrumente wie eines Cellos oder Flöten (allesamt gespielt von van Helden) sorgen hier und da noch für einen reizvollen Atmosphäregewinn. Geholfen hat es dem Album in pekuniärer Hinsicht nur bedingt: Die Japaner kauften schon seit Jahren mit großer Begeisterung Attack-CDs, während die Band im Rest der Welt weiterhin ein Undergroundthema blieb. Das drei Jahre später eingespielte "Deadlocked"-Album harrt somit immer noch seiner Veröffentlichung, und von einer 2011 erschienenen Best Of abgesehen ist "The Secret Place" immer noch das aktuellste Studiozeugnis der Band, das die Griechen von Steel Legacy Records hier nun in einem Re-Release vorlegen. Über ein eventuelles Remastering oder andere Audioveränderungen ist im Booklet nichts zu lesen, Bonustracks fehlen auch, so daß kein Besitzer des Originals gezwungen ist, noch ein zweites Mal zuzugreifen, während die jüngere Fangeneration hiermit mal wieder eine Chance bekommt, eine interessante Band von gestern bzw. vorgestern kennenzulernen.
Kontakt: www.myspace.com/rickyvanhelden

Tracklist:
Light In The Dark
I Know
Forgotten Dreams
The Prophecy
Walk Alone
Mortal Energy
Tsoukata
The Warrior
Heroes Die Young
Warp Speed, Now!
 




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