www.Crossover-agm.de A SHATTERED DREAM: 4-D Society & Other Nocturnal Emissions
von rls

A SHATTERED DREAM: 4-D Society & Other Nocturnal Emissions   (Arkeyn Steel Records)

Es ist doch immer wieder erstaunlich, was die musikarchäologische Arbeit so ans Tageslicht fördert. Gutes Beispiel: A Shattered Dream, eine Band, die sich im Nordteil der amerikanischen Ostküste einen guten Ruf als Liveband erspielte, aber es nie zu staatenweiter Popularität brachte, geschweige denn daß sie international bekannt geworden wäre, von ein paar Einzelexemplaren des Demos "4-D Society", die es auch nach Europa schafften, abgesehen. Eines davon muß in Griechenland gelandet sein und bildet nun den Anlaß für den Re-Release dieses Materials auf dem auf Ausgrabungen spezialisierten hellenischen Label Arkeyn Steel. Und das ist in diesem Fall als lohnender Schritt zu bezeichnen, denn so haben 1000 Menschen auf der ganzen Welt (auf diese Stückzahl ist der Re-Release limitiert - ich habe die 188) die Chance, fünf Perlen des progressiven US-Power Metals kennenzulernen, deren Perlencharakter noch überraschender wird, wenn man in den Liner Notes erfährt, daß es sich um die ersten fünf selbstgeschriebenen Songs handelt und die Bandmitglieder zu der Zeit, als das Demo eingespielt wurde, erst zwischen 15 und 17 Jahren alt waren (wenngleich die Liner Notes die Einspielung um ein Jahr vorverlegen, denn das originale Democover und auch die restlichen Strukturangaben weisen nicht 1989, sondern 1990 aus - aber dann wär's halt ein Spektrum zwischen 16 und 18 Jahren). Das Material klingt nämlich erstaunlich reif, und neben der technisch exzellenten Einspielung besticht auch das kompositorische Händchen, das zwar eine anspruchsvolle Metal-Sorte erzeugen wollte, aber trotzdem eine grundsätzliche Griffigkeit und Nachvolllziehbarkeit nie vernachlässigt. Das Ergebnis ist dann ein wenig mit dem Fates Warning-Debüt "Night On Bröcken" zu vergleichen, also zu einer Zeit, als Jim Matheos auch noch deutlich von Iron Maiden beeinflußt war und Steve Zimmermann zwar schon reichlich Breaks spielte, aber noch nicht dazu neigte, irgendwelche ganz komischen Taktarten unter das übliche Viererschema der Saitenakrobaten zu legen. Auf eingängige Refrains, wie sie Fates Warning auch später noch einbauten, verzichteten A Shattered Dream allerdings weitgehend - ob bewußt oder aufgrund in diesem Punkt dann doch noch nicht ganz endgültig ausgeprägter kompositorischer Reife, muß hier offen bleiben und kann auch weder bewiesen noch dementiert werden, denn keines der Bandmitglieder tauchte später nochmal in einer anderen bekannteren Band auf, nachdem 1992 Sänger Jeff umzugsbedingt ausgestiegen war und die vier Instrumentalisten nach einem kurzen fehlgeschlagenen Experiment mit einem anderen Sänger beschlossen, A Shattered Dream zu Grabe zu tragen. Nur einmal kam das Quintett noch zusammen, nämlich 2008, als die Planungen für den Re-Release aus Griechenland in die USA geschickt wurden - man beschloß, spaßeshalber noch einen weiteren Song exklusiv für den Re-Release einzuspielen, der sich "In The Fortress" nennt, allerdings leider beweist, daß die lange Pause Jeffs Stimme nicht gut getan hat. Wo er früher auch größte Höhen spielend erreichte (und nur an einigen wenigen Stellen ganz leicht neben der Spur lag - aber das wäre bei einer professionellen Albumaufnahme sicher noch geglättet worden), muß er sich mittlerweile doch ziemlich anstrengen, um gewisse Passagen zu bewältigen, und seine gelegentlich eingestreuten tiefen Krächzeffekte sind auch nicht so ganz das Gelbe vom Ei, während man sich an den Instrumentalpart trotz dessen ganz leicht moderneren Anstrichs schnell zu gewöhnen beginnt und nach einigen Durchläufen sogar etliche ziemlich gute Ideen zu entdecken in der Lage ist, so daß die Dusche nach den hochklassigen ersten fünf Songs mit diesem sechsten doch nicht ganz so kalt ausfällt wie beim ersten oder zweiten Hören. Aber diese fünf spielen dann doch in einer Extra-Liga, wobei der vertrackte, aber mit maidentypischen Gitarren beginnende Opener "4-Drifting" und das folgende, etwas geradlinigere "Product Of My Society" schon den Rahmen für das Schaffen dieses Quintetts bilden. Das Opus Magnum hört allerdings auf den Titel "Hope From Fire", dauert achteinhalb Minuten und bietet epischen Progmetal vom Allerfeinsten, zwischen dem balladesken Intro und gelegentlichen Tempoattacken alle möglichen Zwischenregister ziehend und zu einem großen Ganzen verschmelzend, das auch zwei Jahrzehnte später immer noch mit großem Genuß anhörbar ist. Der Genußfaktor senkt sich dann wie erwähnt mit "In The Fortress" ein wenig und mit dem Folgesong "Since 1948" noch weiter; das liegt im letzteren Fall aber nicht an der Komposition, sondern am äußerst polterigen Sound dieser Liveaufnahme, die wie auch sechs weitere Livesongs anno 1991 im Gebiet um die Homebase der Band mitgeschnitten wurden. Daß man von diesen sieben nun ausgerechnet die mit dem schwächsten Sound an den Anfang dieses Blocks gestellt hat, ist ein wenig seltsam, aber so erlebt man beim Hören wenigstens eine Steigerung, wenngleich auch die anderen Aufnahmen keinen professionellen Standards genügen, denn dafür waren sie ursprünglich nicht gedacht. Aber die Drums scheppern dort nicht mehr alles nieder, und auch Jeffs Gesang ist besser ins Gesamtbild eingepaßt, wenngleich man die Gitarren gern ein wenig schärfer herasugehört hätte. Wertvoll ist das Livematerial vor allem dadurch, daß es nur zwei der Demosongs enthält (die beiden genannten Opener des Tapes), ergo noch fünf Songs der Spätphase vorstellt, die es nicht in Studioversionen gibt und die also ohne diese Aufnahmen vom Erdboden verschwunden wären. Und das wäre speziell bei "Calamity" schade gewesen - hier haben A Shattered Dream nämlich doch mal so etwas wie einen richtigen Refrain eingebaut, und prompt vereinfacht sich die zu leistende Erschließungsarbeit beim Hören ein gutes Stück. Freilich machen auch die anderen Kompositionen viel Hörspaß, und vor allem "4-Drifting" unterstreicht noch einmal nachdrücklich, was für ein Klassesänger Jeff doch war. Wenn es zu einer Studioaufnahme der Halbballade "Valley Of Tears" gekommen wäre, hätte er noch einmal vor einer großen Herausforderung gestanden, aber auch die etwas dumpfe Liveaufnahme läßt erahnen, daß er diese Aufgabe problemlos hätte meistern können. In diesem Song rollen A Shattered Dream übrigens auch einen Keyboardteppich aus, was in ihrem Schaffen einzigartig bleiben sollte, allerdings vom Ergebnis her zweifellos überzeugt, zumindest was die Grundsatzidee betrifft; das Baßsolo gegen Songende wäre dann akustisch vermutlich etwas stimmiger eingebaut worden. Die hinteren vier Livesongs sind in der Tracklist übrigens etwas vermischt abgedruckt, und die Textreihenfolge im Booklet ist eine andere, aber auch unrichtige; die unten zu lesende Variante ist die, wie sie auf der CD real zu hören ist. Das beeinträchtigt den Hörspaß allerdings ganz und gar nicht, den man als Freund progressiven US-Metals in dieser reichlichen Stunde zu empfinden in der Lage ist, und man dankt den metallischen Archäologen für diese Ausgrabung. Bei Interesse schaue man nach, ob www.karthagorecords.de (selten war ein Mailordername so passend :-)) noch ein Exemplar auf Lager hat.
Kontakt: www.myspace.com/naturaltension, www.arkeynsteel.com

Tracklist:
4-Drifting
Product Of My Society
Hope From Fire
Hellish Screams
Endless Misery
In The Fortress
Since 1948
Calamity
4-Drifting
Valley Of Tears
Skyy
Product Of My Society
New Aggressor
 




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