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Dieter Baacke, Klaus Farin, Jürgen Lauffer: Rock von Rechts II. Milieus, Hintergründe und Materialien
von rls
anno 2000
Hierbei handelt es sich um
einen Sammelband mit einer Handvoll Beiträge, die sich um das ebenso
leidige wie reale Phänomen "Rockmusik mit rechter bis rechtsextremer
Attitüde", kurz Rechtsrock, drehen. Da die breite Öffentlichkeit
nur selten was aus dieser Richtung mitbekommt, kursieren als öffentliche
Meinung die widersprüchlichsten Thesen von "Gibt es das überhaupt
noch?" über "Das ist doch alles übertrieben dargestellt und völlig
harmlos" bis zu "Hilfe, alle Langhaarigen sind Nazis und gehören ins
Arbeitslager und überhaupt ...". Wenn dann mal wieder ein Störkraft-Konzert
verboten wurde und es deswegen in halb Andernach Krawalle gab, bringt BILD
eine Schlagzeile Marke "Die Nazis marschieren wieder" und zwei Tage später
"Musiker: Die Antifa bedroht uns", dazu ein Kurzinterview mit dem Polizeichef,
dessen Leute wieder mal alles falsch gemacht haben, und irgendwann kehrt
wieder Ruhe ein.
Solchen wirren Szenarien
setzen die Autoren dieses Buches Faktenwissen und logische Zusammenhänge
entgegen. Besonders Klaus Farin tut sich
hier hervor, denn seine Abhandlung über die Geschichte des Rechtsrocks
bringt große Weisheit in verständlicher Schreibe rüber
und ist gehaltvoller als eine Jahressammlung von "BILD für Zahnärzte"
(danke, Matthias) alias Der Spiegel.
Dieter Baackes Beitrag über
"Verschiebungen in jugendkulturellen Milieus" ist zwar etwas beliebig ausgefallen
(90 % davon hätten auch in einem Techno-Lexikon Platz und Sinn gehabt),
stellt aber klar, daß man auch Neonazi- und Skinhead-Kultur durchaus
mit den Meßlatten der Jugendkulturtheorie respektive -praxis anpeilen
kann.
Rainer Dollase muß
in "Welche Wirkung hat der Rock von Rechts?" erstmal beweisen, daß
die Musik an sich neutral ist (es gibt immer noch Leute, die allen Ernstes
glauben, ein bestimmtes Gitarrenriff sei definitiv nazistisch / satanisch
/ kommunistisch / hippiesk / jüdisch / christlich / gewalttätig
/ verwahrlosungsfördernd / ostreligiös / man ergänze beliebige
weitere Feindbilder) und stellt fest, daß erstens einige Faktoren
zusammentreffen müssen, um aus einer stinknormalen Band eine Nazikapelle
zu machen, und zweitens nicht jeder, der sich eine Kraft durch Froide-CD
anhört, hinterher gleich das nächste Asylbewerberheim niederbrennt.
Grund zur Verharmlosung gibt es aber trotzdem nicht, und so ist Dollases
Beitrag auch nicht in diesem Tenor gehalten.
Kurt Möller versucht,
den Konsum von Rechtsrock geschlechtsspezifisch zu analysieren, und wenn
er es schafft, beim Thema zu bleiben, dann zeitigen sich auch da interessante
Ergebnisse (er schweift aber leider gern und oft ab).
Rainer Erbs Abhandlung über
die Komponente Antisemitismus im Rechtsrock bleibt ziemlich an der Oberfläche
kleben und determiniert mehr den allgemein-gesellschaftlichen (Jugend-)Antisemitismus
(was aber auch nicht schlecht ist, den mal etwas beleuchtet zu bekommen).
Marcel Legrum untersucht
die Nutzung neuer Technologien durch die Rechtsrocker und kommt zu dem
beängstigenden Ergebnis, daß erstens das Internet die Möglichkeit
bietet, auch indizierte Scheiben problemlos zu verbreiten, und zweitens
Bands, Plattenfirmen, Vertriebe und Einzelaktivisten diese Möglichkeit
bereits in hohem Maße nutzen.
Schlußendlich hat
sich Klaus Farin an die Sisyphusarbeit gemacht, 1150 Rechtsrocksongs inhaltlich
zu analysieren und zu gruppieren. Die Tabelle mit (fast) allen deutschen
Rechtsrockveröffentlichungen nimmt knapp 30 Seiten ein und enthält
auch ein paar weitergehende Angaben zu den Bands, z.B. deren Herkunft (das
ist wichtig, um Verwechslungen zu vermeiden - so sind z.B. die Koblenzer
Wotan rechtsorientiert, nicht aber die gleichnamigen Berliner),
was zugleich auch zeigt, daß diverse neue Bundesländer eine
ziemlich hohe Zahl rechter Bands beheimaten. Farin scheut sich auch nicht,
diverse Fehlschüsse der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende
Schriften als solche zu benennen (man lese sich einmal genau die Begründung
für die Indizierung der ersten Böhse Onkelz-Platte auf S. 19ff.
durch, besonders den 3. Absatz auf S. 21, wo die BPS selbst fast eine kunstfaschistische
Argumentation abliefert). Fazit: Wer sich kompetent über das Rechtsrockspektrum
informieren möchte, der sollte dieses Buch lesen.
Dieter Baacke, Klaus Farin,
Jürgen Lauffer (Hrsg.): Rock von Rechts II. Milieus, Hintergründe
und Materialien. Schriften zur Medienpädagogik 28. Bielefeld: Gesellschaft
für Medienpädagogik und Kommunikationskultur e.V. (GMK) 1999.
228 Seiten. ISBN 3-929685-20-5. DM 20,00
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