 |
Klaus Farin: Jugendkulturen zwischen Kommerz und Politik / Musik & Rebellion
von *tf anno 1998
Klaus Farin ist keiner, der
die Kultur der Jugendlichen zwischen 12 und 40 mit (vorschnellen) Urteilen
zusammenrastert. Auch die tiefsinnige Analyse mit kulturwissenschaftlichem
Anspruch ist seine Sache nicht unbedingt. Trotzdem ist er ein Fachmann,
dem keiner so schnell etwas vormacht. Sein Metier ist das Zuhörenkönnen,
das Nachfragen, das unzensierte Weitergeben jugendlicher Standpunkte. Er
ist Sammler. Sein Jagdrevier sind Jugendtreffs, Szenekneipen, Backstageräume
und Konzerte, seine Beute sind O-Töne. (Sag mal, Thomas, haust
du hier nicht Jäger und Sammler durcheinander? - Anm. rls) In diesem
Buch kommen vor allem Jugendliche zu Wort, die sich den Szenen HipHop,
Punk, Techno und Independent zurechnen. Die O-Töne werden weitgehend
unkommentiert gegeneinander, ineinander oder nebeneinander gestellt. Was
herauskommt, ist eine journalistische Collage, die sich von der ersten
bis zur letzten Seite hervorragend lesen, nicken, kopfschütteln, und
nie kalt läßt (hervorragend die neben den Text gestellten Fotos
und Hintergrundinformationen zu den Erzählenden).
Vorteile und Nachteile hat
solch eine Vorgehensweise: vorteilhaft ist die Direktheit der Statements,
welche einen ungefilterten Ausschnitt jugendlicher Lebenswelten präsentiert.
Das Interpretieren der Standpunkte bleibt dem Leser überlassen ebenso
wie eventuelle Schlußfolgerungen aus dem Gelesenen. Nachteilig ist
dieses Buch vor allem für jene Zeitgenossen, die nach fertigen Antworten
suchen. Nein, das Denken will uns Farin nicht abnehmen. Auch Perspektiven
werden uns nicht aufgezeigt: was denn momentan im Trend liegt, was denn
nun „authentische“, was „kommerzielle“ Jugendkulturen sind.
Eins wird klar: neben dem
Problem abnehmender Bedeutung traditioneller Sozialisationsinstanzen wie
Familie, Kirche, Parteien und Milieus ist es vor allem die „forever young“-Mentalität
der 35-50jährigen, die ihre Kinder sich in immer neue Subkulturen
zurückziehen läßt. Denn Jugendliche wollen und müssen
anders sein als ihre Elterngeneration, sich abgrenzen ... was in einer
dem Liberalismus verpflichteten Gesellschaft ein höchst schwieriges
Unterfangen ist. Wo es dennoch gelingt, lauert die nächste Falle:
die Industrie. Je höher der Spezialisierungsgrad einer Jugendkultur,
desto höher die Wahrscheinlichkeit kommerzieller Vermarktung.
Im Sonderteil des Buches,
Musik und Rebellion überschrieben, findet der Leser Statements zu
diesem Thema von Musikern, Szene-Aktivisten, Musikkritikern und Fanzine-Machern.
Ein Artikel läßt ausschließlich Musikerinnen zu Wort kommen,
andere widmen sich der Funktion des Publikums, dem Songschreiben und der
Bedeutung von Grenzen und Zensur. Gerade in den letztgenannten Artikeln
findet man spannende Statements, garniert mit Textauszügen von Publikationen
des Vereins für Christliche Literatur-Verbreitung. Abgerundet wird
das Buch durch eine gutsortierte Auflistung unabhängiger Mailorders
und Labels.
Fazit: Ein Buch, das für
den unverzichtbar ist, der an O-Tönen aus jugendlichen Subkulturen
interessiert ist, an diese jedoch aus Mangel an Gelegenheit nicht selbst
kommt. Für alle anderen: spannend zu lesen und trotzdem informativ.
Klaus Farin: Jugendkulturen
zwischen Kommerz und Politik, 1998, ISBN 3-910079-41-5. Erhältlich bei: Archiv der Jugendkulturen e.V., Fidicinstr. 3, 10965 Berlin, www.jugendkulturen.de, Preis: 38,00 DM
© by CrossOver
|
 |
 |