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Chuck Klosterman: Fargo Rock City
von gl anno 2007

Chuck Klosterman: Fargo Rock City

Vor Jahren schon mal irgendwo was aufgeschnappt von diesem Buch und längst vergessen, erscheint doch jetzt - gerade mal sechs Jahre nach der amerikanischen Erstveröffentlichung - eine deutsche Übersetzung dieser Liebeserklärung an eine im allgemeinen heute verpönte (?) Spielart des Rock. Der Autor erzählt - autobiographisch -, wie er aufwuchs und mit MOETLEY CRUE, POISON, BON JOVI, GUNS'N'ROSES, DOKKEN und RATT seinem Teenagerleben einen Sinn gab. Und dass das alles WICHTIG war und viel größer und bedeutender, als es heute im Nachhinein von den Chronisten belächelnd kleingeschrieben wird. Dass selbst Bands der zweiten Riege wie BRITNY FOX, SLAUGHTER und TRIXTER im Millionenbereich Absatzzahlen erreichten. Und dafür gebührt ihm größter Dank, denn er spricht mir in mehreren Punkten geradezu aus der Seele. Chuck ist der ERSTE, der über den Glam Metal (die seltsame Wortschöpfung "Hair Metal" wurde ja erst vor wenigen Jahren rückwirkend erfunden) oder sagen wir einfach härteren Rock der 80er und seine Auswirkungen ein Buch schreibt. Untertitelt wurde es in Anlehnung an die Umlautspielereien von Mötley Crüe mit "Eine Heavy Metal-Odyssee in Nörth Daköta".
Dort in dem kleinen Kaff Wyndmere wuchs der kleine Chuck auf und der Startschuss war eben eine Kassette von "Shout At The Devil", die er von seinem großen Bruder bekam und die darauf enthaltene Musik sollte sein Leben nachhaltig verändern. Die Art und Weise, wie er das schreibt, im Grunde ein Nacherzählen der jugendlichen Erfahrungen, kann voll und ganz vom Unterzeichner geteilt werden. Eben dass für Jugendliche Moetley Crue oder Bon Jovi oder Kiss das war, was für die heute gültige Allgemeinheit - immer und immer wiedergekäut - Bob Dylan, Tom Waits oder die Stones waren oder eben diesen Monat gehypt die ARCTIC MONKEYS oder die KAISER CHIEFS - nämlich das Größte. Und warum das verdammt noch mal nicht anerkannt oder akzeptiert wurde und wird. Und ich frage euch: Habt Ihr schon mal versucht, eine Bob Dylan- oder eine Tom Waits-Platte mit dem fürchterlich nervenden Gekrächze und stinklangweiligen Songs anzuhören und tatsächlich Spaß daran gehabt? Sicher, es gibt Menschen, die so etwas von sich aus mögen und eben nicht langweilig finden, daneben aber auch zahllose, die sowas nur hören, weil man nach Ansicht von "Meinungsbildnern" diese Platten gehört haben muß. Darum geht's doch: Es wird uns von einer Musik-Kritiker-Polizei vorgegeben, was wir zu mögen haben und was nicht. (Das war nicht immer so, mein erstes Musik Express-Heft habe ich mir 1979 oder 1980 wegen Artikeln über SAMMY HAGAR und REO SPEEDWAGON geholt, heute spottet das gleiche Heft über solche Musiker ...)
Zurück zum Buch: In dem "Sommer 1986 - POISON" betitelten Kapitel kämpft der Autor mit sich selbst, ob er sich denn nun zu der Band bekennen sollte - was uncool war - oder nicht, nachdem er sie als die archetypische Rockband jener Zeit charakterisiert. Und genau DA habe ich, als bekennender Fan seit 1986 (und ich bin ja 'n paar Jährchen älter als Chuck, hatte insofern kein Problem, die Band zu mögen) eine interessante Anekdote meiner Slayer/Metallica/D.R.I./S.O.D.-hörenden Clique aus jener Zeit: Wie heute weiß ich noch, als mal einer alleine zu mir kam in einer Rock-Disco, vermutlich lief gerade POISON, und mir steckte "Ich finde POISON ja auch gut, aber sag's bitte nicht den anderen!"
So hangelt sich Chuck durch die 80er, analysiert Video-Clips und stellt eine eigenwillige Liste auf, die 80s Rock/ Metal-Platten enthält, und was man ihm geben müsste, wenn er sie nie mehr hören dürfe. Seine Spitzenreiter sind "Appetite For Destruction", "Too Fast For Love" und die ersten beiden OZZY-Platten. Aber in seinen Top 10 tauchen auch FASTER PUSSYCAT, DEF LEPPARD, THE CULT, POISON und CINDERELLA auf. (An dieser Stelle würde ich am liebsten ein Review über ein Review in einem deutschen Webzine schreiben, wo doch tatsächlich einer meinte, er kenne die meisten Platten auf dieser Liste gar nicht!! Aua!!)
Und Chuck steuert dann auf 1992 zu, erinnert noch mal an den Verkaufsstart von "Use Your Illusion" und kippt dann irgendwie doch rüber zu der Grunge-Welle, die die zuvor lieb gewonnen Bands "wegspülte". Was etwas irritierend ist, aber zumindest stellt er doch mal fest, was Kurt Cobain doch für ein Idiot war, der "die meiste Zeit über ziemliche Scheiße gelabert hat", einem Kleinkind den Vater nahm, und warum so ein Depp für so viele ein Held wurde.

Die Schwächen des Buches dürfen nicht verschwiegen werden. Chuck Klosterman kratzt an der Oberfläche des Genres, er kennt gerade mal die bekannten Bands, was ja grundsätzlich nicht zu beanstanden ist. Aber für jemanden, der sich als Metalhead oder Rockbegeisterten bezeichnet, erwartet man schon, dass er zumindest den Namen SHARK ISLAND richtig schreiben kann und, wenn er die TYGERS OF PAN TANG schon nicht kennt, dann zumindest deren Namen auch nicht verhunzt oder sich gar lächerlich darüber macht. Zum Schluss lässt er dann einige willenlose Schoten los, die einen doch zweifeln lassen an ihm (z.B. "Alles was von STONE TEMPLE PILOTS nach dem Debut rauskam, war verdammt gut" oder seine absolute Begeisterung über die fürchterliche "Hear In The Now Frontier" von QUEENSRYCHE).
Und das Kapitel über seine "Karriere als Alkoholiker" (Zitat) offenbart wohl den Wunsch, ein kleiner Bukowski zu sein, der sich als Slash-Wannabe sturzbesoffen auf Parties zeigt, aber trotzdem immer noch der Coolste ist. Wenigstens nimmt er sich selbst bisweilen auf die Schippe, was das Ganze wieder etwas relativiert.
Aber wer bin ich, den Autor zu kritisieren, er macht das Schreiben mittlerweile hauptberuflich (sein Jahresgehalt 54.400 Dollar gibt er auch an) und ich immer noch hobbymäßig, also was soll's?!?
Alle, die 'n paar Platten von den obigen Bands daheim haben und dies nachempfinden können - sie sollten dann wohl mindestens 32 oder älter sein -, werden an diesem Buch ihr helles Vergnügen haben.

PS: Der dreifache Brüller an der Veröffentlichung dieses Buches ist folgender: Als der Autor es 1999 schrieb, riss er dauernd Witze darüber, dass er es unbedingt vor der Veröffentlichung des "neuen" (?) Guns'n'Roses-Karaoke- Albums "Chinese Democrazy" herausbringen wollte, was auch gelang; er bekräftigt dies noch mal in dem für die Taschenbuchausgabe in Amerika hinzugekommenen Epilog im März 2002, wiederum vor VÖ des Phantom-Albums zu liegen; nun im Frühjahr 2007 erscheint endlich die deutsche Übersetzung und ein Veröffentlichungstermin des Albums ist immer noch nicht abzusehen!

Chuck Klosterman: Fargo Rock City. Rockbuch Verlag 2007. ISBN: 978-3-927638-38-9. http://www.rockbuch.de
 



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