www.Crossover-agm.de
LANDESJUGENDCAMP    25.-27.06.1999    Röhrsdorf, Rehgarten
von rls

Landesjugendpfarramt, CVJM, EC und VCP hatten sich zusammengerottet, um den sächsischen Jugendlichen eine gigantische Gemeinschaft zu ermöglichen, und über 1650 Zielgruppenangehörige nahmen das Angebot an, besagtes Wochenende in Röhrsdorf zu verbringen und sich mal wieder geistig erwecken zu lassen (na gut, letzteres traf nicht auf alle zu). Neben Bierkastenstapeln meets Bibelarbeit gab's auch jede Menge Musik, über die im folgenden berichtet werden soll.

Um die Anwesenden vom Zeltaufbauen und Futtersuchen ins große Zelt zu locken, spielten Signs Of Life zu Beginn der Eröffnungsveranstaltung altbekannte Tracks wie "Kleines Samenkorn am Boden". Allerdings trug selbst der Umstand, daß der allseits geschätzte Wolfgang Tost Frontmikro und sechs Saiten bearbeitete, nicht gerade dazu bei, diesen Interpretationen über einen mittelmäßigen Status hinauszuhelfen. Sicherlich, handwerklich gab's nichts zu meckern (abgesehen davon, daß Wolfgang diverse Male seine Einsätze am Mikro verpaßte), aber es kam einfach kein Feeling rüber (dieses war übrigens auch bei den Signs Of Life-Eigenkompositionen, die im Verlaufe des Camps noch bei mehreren Gelegenheiten zu hören waren, abwesend), und so fluktuierten die hinteren zwei Drittel hin und her, bis die garstige sächsische Version von "La Paloma" (brrrr) eingespielt wurde und das eigentliche Programm einleitete. Im weiteren Verlauf desselben stand ein riesiger Ten Sing-Chor auf der Bühne, der sich verzweifelt bemühte, das singende Zelt zu übertönen, was ihm unterm Strich gerade so gelang. Schließlich wurde eine Gruppe singender Jugendlicher entlassen - und zwar ins "Knockingonheavensdoorzelt", wo man mit wechselnder Besetzung den nicht ganz unbekannten Song aus der Feder von Bo. Dy. mantraartig wiederholend singen respektive spielen wollte, um einen Weltrekord in der Kategorie "Längstes Lied" aufzustellen.
Musikalisches Highlight des gesamten Camps hätte eigentlich der Gig von Chorlight am Freitagabend werden sollen. Der laut Fachpresse "schwärzeste weiße Chor Deutschlands", der ein breites Repertoire aller möglichen und unmöglichen Stile besitzt, die irgendwo in der Nähe von Gospel angesiedelt sind, und dessen Programm an besagtem Abend auch ähnlich breitgefächert war, hatte allerdings einen rabenschwarzen Tag erwischt, was große Teile des Publikums indes keineswegs störte respektive von fast enthusiastisch zu nennenden Reaktionen abhielt. Allzuviel Grund dafür gab's eigentlich aber nicht, wenn man die prinzipielle Qualität der Songs und der Lyrics mal außen vor läßt. Okay, 90 % des Gesanges aus ca. 40 im Raum Stuttgart beheimateten Kehlen waren technisch sauber, und die handwerkliche Solidität der Begleitband bewegte sich ungefähr im gleichen Prozentsatz - aber diese beiden Zahlen bedeuten auch, daß 10 % eben nicht sauber gesungen bzw. gespielt waren, und das ist für einen Chor vom Status Chorlights einfach zuviel. Der Gesamtsound war viel zu grell - es klang, als ob man mit einer Eisenstange auf einen Haufen Aludachrinnen einschlagen würde -, und sowas wie Feeling brachten sowohl die Chorsänger als auch die Solisten nur sehr selten rüber (mitunter entschieden sie sich auch für eine Sorte von Emotionen, die zum betreffenden Song überhaupt nicht paßte). Eigenständige oder gar charismatische Stimmen waren ausgesprochene Mangelware - um genau zu sein, hatten Chorlight nur eine im Gepäck, nämlich den Herren, der im dargebotenen Messenausschnitt (von wem die war und wie sie hieß, entzieht sich meiner Kenntnis) einen der gekreuzigten Verbrecher sang. Der bombastische Schlußpart dieser Messe bildete auch den musikalischen Höhepunkt des Gigs, wohingegen die völlig verhunzte Version von "Amazing Grace" (nimmt man die garstig-schrägen Akkorde, die der Tastenmensch da drunterlegte, als Anhaltspunkt, muß er vorher mindestens drei Kilo Haschisch geraucht oder 350mal an einem Peyotlkaktus geschnuppert haben) den absoluten Tiefpunkt markierte (daß besagter Song, als seine erste Strophe von einem neunköpfigen, aus dem Publikum zusammengewürfelten Chor dargeboten wurde, 53mal besser klang als die eigentliche Chorlight-Version, sollte zu denken geben). Über die mitunter etwas unpassenden Showelemente (von denen einige, wie ein Besucher treffend bemerkte, eher zu Bruno Banani nach Wittgensdorf gepaßt hätten) schweige ich mich lieber aus, und daß einer der Sänger bei jedem seiner Soli von den anwesenden 14jährigen Mädels mit wildem Teeniekreischen überschüttet wurde, nur weil er rein optisch auch bei den Backstreet Boys mitmischen könnte, fand ich auch irgendwie weder passend noch lustig. So bleibt trotz der Tatsache, daß man den Geschmack der Masse offenbar bestens getroffen hatte, ein extrem fader Beigeschmack und eine bittere Enttäuschung für mich. Dies war allerdings nicht der Grund, warum ich mir das folgende Nachtkonzert von ZwischenFall sparte. Ich war schlicht und einfach hundemüde.

Daß auch am Samstag bei den einzelnen Workshops Musik eine Rolle spielen würde, war klar. Beispielsweise unterrichteten Simone und Erik Lehmann eine vierzigköpfige Schar in der Kunst des Gospelsingens (wobei man dann am Sonntag im Jugendgottesdienst auch eine Probe des Gelernten ablieferte). Da die Ten Sing-Bewegung im Rahmen dieses Camps ihr 10jähriges Bestehen im sächsischen Raum feierte, konnte man im großen Ten Sing-Zelt reihenweise Infos über dieses Movement bekommen und auch selber seine Stimmbänder trainieren. Und wer dann noch nicht genug vom Singen hatte, wählte die Option, ein Exemplar des den altbekannten "Durchbruch" ergänzenden und an diesem Wochenende erstverkauften "Aufbruch"-Liederbuches zu erwerben und daraus zu singen, soviel er wollte.
Auch zur abendlichen Sachsengala (Untertitel "Die Highlights der sächsischen Jugendarbeit") durfte ein gewisses Quentchen Mucke nicht fehlen. Der Jürgen Hart-Kultklassiker "Sing mei Sachse sing" leitete über zu Bloody Tears, deren mehr oder weniger straighte Rockmusik die Menge problemlos in Wallung versetzte. Verschiedenste Ten Sing-Gruppen boten verschiedenste Sanges- und Tanzprogramme verschiedenster Qualität (allerdings stets qualifiziert supportet von Los Tostos alias Wolfgang Tost & Ronny Neumann), und auch die "klassische" Verkündigung kam in Gestalt der Liedermacher Tom Haus und Jens Bräunig endlich mal zum Zuge (obwohl die Songs der beiden überhaupt nicht nach meinem Geschmack waren, muß ich ihnen doch interessante Texte, handwerkliche Routine und gutes Songwriting bescheinigen). Relativ einzigartig dürfte eine Band namens Die Schwarzen Löcher sein, sind die vier Mitglieder doch allesamt Pfarrer. Die Gottesmänner stellten unter Beweis, daß sie songwriterisch zu einigem in der Lage sind, und erinnerten stilistisch mitunter an ganz alte Deep Purple (als Rod Evans noch sang), ohne allerdings deren Niveau zu erreichen. Leider waren die Lyrics etwas platt und uninteressant ausgefallen - klassisches Deutschrockproblem. Diese Schwierigkeiten hatte die anschließende Formation nicht, denn es handelte sich um eine Sambatrommlergruppe, die größtenteils wie wild auf den Fellen herumprügelte (brasilianisches Wetter hatte es am Tag genug gegeben), aber auch leiser konnte, wenn sie denn wollte. Ich muß allerdings bekennen, daß solche Mucke stets ein riesiges Fragezeichen auf meiner Stirn erzeugt. Etwas zugänglicher war anschließend der Jugendchor Drebach, dessen Gospelumsetzungen die von Chorlight streckenweise ein ganzes Stück in den Schatten stellten und das Auditorium in einen riesigen Sangeskörper verwandelten. Alle folgenden musikalischen Aktivitäten bekam ich ob des schon weit überzogenen Redaktionsschlusses der Campzeitung nicht mehr mit.

Diverse musikalische Aktivitäten gab es schließlich auch am Sonntag noch zu registrieren, allerdings hauptsächlich solche begleitender Art oder einzelsongartiger Gestalt im Jugendgottesdienst respektive bei der Abschlußveranstaltung, über die ausführlich zu referieren weniger lohnen würde. Eins ist indes noch wichtig: Während letztgenannter Veranstaltung kamen die letzten Mohikaner der Knockingonheavensdoordauersinger (bzw. diejenigen, die die letzte Etappe gesungen hatten) auf die Bühne, um nach über 43 Stunden ununterbrochenen Knockingsingens das Lied zu beenden und damit den Eintrag ins Guinnessbuch der Rekorde zu manifestieren. Insgesamt hatten sich ca. 500 Leute beteiligt, von denen jeder mindestens eine Viertelstunde am Stück durchsingen mußte (der Nonstoprekord einer Einzelsängerin lag übrigens bei 10 Stunden! Ich hab's bei zwei halbstündigen Einsätzen belassen ...). Herzlichen Glückwunsch an alle Beteiligten! Hoffentlich ist der Knockingbedarf damit für die nächste Zeit gedeckt, denn jetzt kann ich diesen Song erst recht nicht mehr hören. Übrigens noch ein Vorschlag an denjenigen, der die Idee zum Rekordversuch hatte: Nehmt beim nächsten Mal "Child In Time" von Deep Purple ...
Tja, und damit war das Camp auch schon wieder zu Ende. Mit ihm ein schönes Wochenende, das jedoch noch jede Menge Steigerungsmöglichkeiten offenließ - besonders im musikalischen Bereich.
 






www.Crossover-agm.de
© by CrossOver