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Okta Logue, Lisa Who   29.09.2016   Leipzig, Werk 2
von rls

Okta Logue haben ihr drittes Album "Diamonds And Despair" draußen, und um dieses der geneigten Anhängerschaft vorzustellen, gehen sie auf eine richtig große Clubtour kreuz und quer durch Deutschland. Deren Supportacts wechseln; an diesem (und auch schon dem vorausgegangenen) Abend sind Lisa Who mit von der Partie. Drei optisch eher unauffällige Herren rollen hier zunächst einen sphärischen Klangteppich aus, auf dem dann die Sängerin und Bandnamensgeberin heranschreitet - oder vielmehr: Sie schwebt über selbigen herein. Das ätherische Wesen sieht aus wie die psychedelische Antwort auf Stefanie Hertel, trägt ein rosafarbenes Kleid mit langen Ärmeln, die zu einer Art Flügeln geschnitten sind, wohingegen der untere Kleidsaum ein gutes Stück oberhalb der Knie aufhört, und ergänzt wird das Ganze dann noch durch mit glänzenden Materialien besetzte Schuhe. Daß nach dem besagten Intro kein Grindcore-Gewitter losbricht, versteht sich irgendwie von selbst, aber die ersten beiden Zeilen des Openers führen mit ihren extremen Disharmonien auch etwas in die Irre, sofern sie so geplant waren - nachprüfen kann der geneigte Hörer das noch nicht: Die fünf Songs, die das Quartett in seiner reichlichen halben Stunde unterbringt, sind allesamt noch im Konservierungsprozeß begriffen, und das Debütalbum wird erst im Januar 2017 erscheinen. Jedenfalls gibt es auch im weiteren Verlauf des Sets immer mal ungewöhnliche harmonische Verläufe zu hören, aber nicht mehr in der Schrägheit wie zu Beginn, und bisweilen baut die Band sogar richtiggehend hymnisch-eingängige Passagen in den Gesamtsound ein. Der einnert ein bißchen an eine Mischung aus Wucan und Pink Floyd, nimmt von beiden allerdings eher die fließenden Elemente auf und bleibt überwiegend im ruhigeren Bereich, ohne indes auf die nötigen Dynamikentwicklungen zu verzichten. Lisa, die mancher bereits als Bühnenverstärkung von Madsen erlebt haben könnte, besitzt eine klare und angenehme Stimme, hält sich von kratzbürstigeren Passagen oder ganz extrem-expressiven Ausbrüchen fern, singt in Deutsch (man versteht indes nicht immer alles - das Soundgewand ist in sehr angenehmer Lautstärke, aber bisweilen leicht eingetrübt), baut häufig Vokalisen ein und vollführt dann, wenn sie nicht zu singen hat (was relativ oft der Fall ist), Bewegungen, als würde sie ein Theremin spielen, was sie freilich nicht tut - sie übernimmt nur mal temporär das Keyboard, das sonst der Bassist ab und zu bedient, wobei es allerdings in den Hauptteilen der Songs selbst keine zentrale Rolle spielt. Da dominiert gestaltungstechnisch dann der Gitarrist mit so manchem gilmour-kompatiblen Einfall, der Drummer streichelt sein Instrument, kann aber bedarfsweise durchaus auch mehr Dampf machen, und der Bassist reüssiert auch noch als gelegentlicher Zweitsänger. Lisa selbst präsentiert sich grundsympathisch, schießt auch mal einen Bock (Ansage vor dem Setcloser: "Jetzt müßt ihr alle ganz nach vorne kommen, damit ihr nachher bei Okta Logue auch gleich ganz vorne steht. - Ach nee, ihr geht ja vorher alle noch rauchen ..."), und auf das Debütalbum des Quartetts aus Berlin (aus Berlin!) neugierig zu machen gelingt ihr ganz vorzüglich, auch wenn im heimischen CD-Player dann natürlich das Bild des psychedelischen Hertel-Engels fehlen wird. Aber das kann man sich ja dazudenken.
Okta Logue haben ihren Albumdrittling etwas kompakter gestaltet als die Frühwerke. Das kann noch nicht am neuen Keyboarder Max gelegen haben - der war bei den Aufnahmen zwar schon als Backingsänger dabei, die Tasten drückte da aber noch sein Vorgänger Nicolai, welcher in Leipzig auch anwesend ist, allerdings als Fotograf. Der Neue, der ein bißchen wie der junge Michael Kunzi (Münchener Freiheit), allerdings ohne Achtziger-Mode- und Frisursünden, aussieht, macht jedenfalls einen exzellenten Job, nutzt hauptsächlich "alte" Sounds wie Hammond und Rhodes, wirft aber gelegentlich auch "modernere" Klänge a la 80er-Pop ein und erweist sich zudem als enorm wertvolle gesangliche Verstärkung: Mit ihm, Bassist/Leadsänger Benno und Drummer Robert haben Okta Logue jetzt gleich drei erstklassige Vokalisten in der Besetzung und könnten, wenn sie wollten, selbst alte Bee-Gees-Nummern (Marke "Odessa") ziemlich originalgetreu covern. Selbige waren damals ja noch auf recht psychedelischen Pfaden unterwegs, und solche beschritten die Hessen früher auch öfter, bis sie wie erwähnt das neue Album etwas kompakter gestalteten. Irgendwie schwirrt einem beim Hören ständig der Name Rush durch den Kopf, und mit dem Schritt von "Tales Of Transit City" zu "Diamonds And Despair" fassen Okta Logue quasi ein ganzes Jahrzehnt Entwicklung der Kanadier zusammen. Live klingen sie allerdings deutlich zupackend-rockiger als Lee/Lifeson/Peart - sie haben ja auch einen Mann mehr in der Besetzung bzw. auf dieser Tour bisweilen sogar zwei: In etlichen Songs bekommt Gitarrist Philip noch einen Gastgitarristen an die Seite, der auch Max heißt, mit seinem Afro in bester Paul-Breitner-Manier optisch sofort auffällt, aber auch in spielerischer Hinsicht zu überzeugen weiß. Auch die "Kernband" präsentiert sich prima eingespielt - Tasten-Max ist bestens integriert, und so können die Hessen hier und da bedenkenlos der alten Siebziger-Sitte frönen und die Songvorgaben für kürzere oder längere zusätzliche Instrumentalparts (mit teils traumhafter Arbeit vor allem von Philip) aufbrechen, die dann bisweilen auch in große Bombastwälle münden, aber dank eines abermals in angenehmen Bereichen verbleibenden, diesmal aber glasklaren Klanggewandes auch problemlos nachvollziehbar sind. (Nebenbei bemerkt: Welche Rockband hat schon einen Tontechniker, der im Anzug mit weißem Hemd und roter Fliege arbeitet?) Aber auch am unteren Ende der Dynamikskala wissen Okta Logue zu überzeugen, wie die Akustikballade "Take It All" unter Beweis stellt, die vor dem letzten großen Epos des Hauptsets angesiedelt ist. Das leider nicht sonderlich kopfzahlreiche Publikum, das aus einer Mischung von mehr oder weniger bierbäuchigen Altrockfans sowie Studenten und Studentinnen besteht (auch diesen Spagat muß man erstmal schaffen) und an geeigneten Stellen fleißig das Tanzbein geschwungen hat, gibt sich natürlich nicht zufrieden und bekommt noch drei Zugaben serviert, darunter als zweite "Hotel Califonia", wieder mit Unterstützung durch Gitarren-Max, während Keyboard-Max an den Baß wechselt und Benno eine zusätzliche Akustikgitarre übernimmt, in der Ansage eine "wall of sound" versprechend - und mit solch prägnant herausgearbeiteten Doppel-Leads hat man diesen Klassiker bisher selten gehört. Eine starke Leistung einer starken und zugleich bodenständig gebliebenen sympathischen Band, die zudem im imaginären Wettbewerb um den originellsten Merchandisingartikel ganz weit vorn liegt: Drummer Robert ist nebenbei Hobby-Imker, und so kann man am Merchstand seinen Honig der Marke Okta-Gold erstehen ...



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