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Sumosluts, Crushing Common Borders, Drawn To Lines   24.09.2016   Leipzig, Bandhaus
von rls

Drumbeats, die mit gängigen Viererschemata nichts zu tun haben, empfangen den Rezensenten, als er an den Fenstern des Bandhauskellers vorübergeht, um den Eingang zu erreichen. Sie stammen nicht von Crushing Common Borders, die eigentlich als erste Band angekündigt waren, sondern von Drawn To Lines, wie das Backdrop verkündet. Die vergleicht der Infotext mit Tool, aber sie haben zwei Gitarristen in der Band, was ihnen in gewisser Weise nochmal andere Möglichkeiten offenbart, und man ist durchaus auch geneigt, sie mit dem Postrock-Attribut zu versehen. In den fünfeinhalb Songs, die der etwas verspätete Rezensent noch erlebt, halten sie das Tempo meist weit unten, und das ist auch gut so: Der Drummer ist ziemlich dominant abgemischt, und wenn er sein Instrument mit größerer Intensität bearbeitet, hört man die Saiteninstrumente nur noch diffus, was schade ist, auch wenn man diesem Könner zweifellos gerne lauscht. Seine Kollegen wissen aber definitiv auch, was sie tun (den Griffwechseln bei Leadgitarre und Baß in "Angry Man" allein nur zuzusehen ist schon interessant), und der Spannungsbogen, den sie etwa in der ersten Minute von "Withdraw" spannen, könnte bedenkenlos in jedes Lehrbuch aufgenommen werden. Halbakustische Passagen, gern auch länger ausgedehnt, mischen sich gekonnt mit zupackenderen Momenten, und darüber legt der eine der Gitarristen noch einen mal leidend wirkenden, mal energischer shoutenden Gesang. Einige der Songs sind komplett neu und noch unkonserviert, die älteren, gegen Setende versammelten, darunter das genannte "Angry Man", erwecken den Eindruck, einen Deut geradliniger strukturiert und im Durchschnitt härter zu sein als die Neulinge. Den noch wenigen Anwesenden gefallen aber beide Herangehensweisen, und das mächtige Häuflein spendet einiges an verdientem Applaus.
Crushing Common Borders haben offensichtlich die meisten Anhänger am Start - der Keller füllt sich etwas, ohne freilich richtig voll zu werden. Das Leipziger Quintett beantwortet die imaginäre Frage, wie eine gemeinsame Band von Jennifer Rostock und Arch Enemy klingen würde, allerdings ist auch hier der Drummer (wieder ein Könner freilich) etwas zu dominant abgemischt, und so bleibt gitarrenseitig mancherlei auf der Strecke. Die Sängerin fällt nicht nur in optischer Hinsicht mit ihrer blauen Haarpracht auf (auch der Rest der Kombination ist nicht alltäglich: schwarzes Muscleshirt mit relativ tiefem Ausschnitt, darüber rot-schwarz kariertes, im Laufe des Gigs abgelegtes Hemd, dazu kleinteilig gestreifte Kniehose mit völlig unterschiedlichen Hosenbeinen), sondern auch stimmlich: Zumeist kreischt sie recht intensiv ins Mikrofon, flicht aber auch einige Cleanparts ein und stellt beeindruckend unter Beweis, wie sie nahtlos aus letzteren in fiese Schreie wechseln kann. Die Tempowechseldichte ist ziemlich hoch, aber das selbstdefinierte Hardcore-Metal-Stoner-Punk-Gemisch kommt trotzdem relativ eingängig rüber, wenngleich man durchaus noch nicht jeden Schwenk nach einmaligem Hören kapiert hat. Aber das Gesamtresultat strengt deutlich weniger an als so manche Deathcoreband, und die Songs sind überwiegend auch als solche zu identifizieren und begehen nicht den Fehler, auf zwei Minuten alle Stile, die der Bandsound umfaßt, vorstellen zu wollen. "Left Behind" fällt durch ein bluesiges Zwischenspiel aus dem Rahmen, "Viva Libre" wird einem anwesenden Geburtstagskind des Vortages gewidmet, und der Antikriegssong "Soglio" (oder so ähnlich) bekommt einen Rahmen durch marschartige Rhythmen. Wenn man jetzt noch die Gitarren besser gehört hätte (die Soli sind knapp gehalten, aber bisweilen kommen zweistimmige Passagen zum Zuge), könnte man noch etwas genauer zu erschließen trachten, was die Musik der Leipziger konkret ausmacht - aber die Anwesenden aus dem Bandumfeld wissen das natürlich schon und machen einiges an Stimmung, so daß nach 11 Songs auch noch eine Zugabe eingefordert wird.
Die Sumosluts hatten vor Jahresfrist schon einmal im Bandhaus gespielt, aber der Rezensent war damals nicht dabei und erlebt die Band nun zum ersten Mal. Kurioserweise hatte das planmäßige Quintett schon damals mit einem Mann weniger antreten müssen, und auch diesmal fehlt einer, nämlich der Bassist, so daß der etatmäßige Rhythmusgitarrist an den Baß wechselt und die Band mit nur einer Gitarre agiert. Das macht das Gesamtergebnis natürlich schwierig einzuordnen, denn im klassischen Heavy Rock bildet die Wahl, ob man sein Material grundsätzlich auf eine oder auf zwei Gitarren zuschneidet, ein markantes Unterscheidungselement, und in mancher Songeinleitung ertappt man sich schon bei dem Gedanken, ob jetzt an Stelle X Gitarre 2 eingesetzt hätte und der Songentwicklung damit eine etwas andere Wendung verliehen hätte. Aber der grundsätzlichen Qualität des Songmaterials tut die Sparbesetzung keinen Abbruch, zumal der Drummer nicht ganz so weit in den Vordergrund gemischt ist wie bei den beiden Supportacts, so daß man auch seine Mitmusiker problemlos durchhören kann. Und der Gitarrist legt auch allein ein zumeist recht kräftiges Riff-Fundament, das vom Drummer bisweilen mit modernen halftimeähnlichen Passagen unterlegt wird, aber meist mit siebzigerkompatiblem Gepolter samt intensivem Beckeneinsatz. So lassen sich Vorbilder etwa bei Led Zeppelin oder gar The Free ausmachen, aber auch klassischer Achtziger-Hardrock kommt zum Zuge, gelegentliche Bluesrockschmitzer weisen etwa gen Rival Sons, Thunderhead meint man bisweilen durchzuhören, auch den Thunderhead-Saxon-Mix von Son Of A Bitch (und das nicht nur, weil Song 2 ebenjene Worte als Refrainzeile verarbeitet), und der groovige Hardrock der Neunziger hinterläßt gleichfalls seine Spuren. Dazu kommt der gekonnt zwischen fast grungig leidend und energisch shoutend pendelnde Sänger, der kurioserweise optisch wie stimmlich manchmal an seinen Kollegen der verblichenen Lokalhelden Endless Fire erinnert - und ja, da gibt es auch Momente, in denen man auch instrumental eine Ähnlichkeit zu erkennen glaubt, was freilich nicht als Vorwurf der Abkupferei gewertet werden soll, denn dazu sind/waren beide Combos viel zu undergroundig unterwegs. Hatten Sumosluts vor fast leerem Keller beginnen müssen, so füllt sich dieser doch bald wieder, wenngleich der Pegelstand unter dem von Crushing Common Borders bleibt. Die Stimmung ist trotzdem prima, und da in der Quartettbesetzung nur die Songs des Hauptsets eingeprobt worden sind, spielen die Franken kurzerhand "One More Time" nochmal - eine programmatische Wahl, aber auch musikalisch nachvollziehbar und einen insgesamt gelungenen und nur mal wieder die Frage, wie das nochmal war mit dem Supporten der lokalen Szene, aufwerfenden Abend abrundend.



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