www.Crossover-agm.de
Münchener Freiheit   04.06.2016   Zeitz, Schlossbühne
von rls

Die von einer bekannten Bad Köstritzer Brauerei maßgeblich unterstützte Schwarzbiernacht gehört mittlerweile in diversen Städten Thüringens und Sachsen-Anhalts zum festen Veranstaltungsplan eines jeden oder fast jeden Jahres, so auch in Zeitz, wo man sich am ersten Juniwochenende im zauberhaften Areal der Parkanlagen um Schloss Moritzburg (nicht mit der gleichnamigen, deutlich bekannteren Schlossanlage nördlich von Dresden zu verwechseln!) einen schönen Abend mit dem titelgebenden Getränk (oder auch ohne selbiges) und mit vielfältiger Musik machen kann. Die Münchener Freiheit spielt nicht zum ersten Mal als Eröffnungsact einer solchen Veranstaltung - bereits im Jahr zuvor war das in Jena der Fall gewesen, dort allerdings in der Sparkassen-Arena, diesmal hingegen auf einer Freilichtbühne. Verbriefte Anstoßzeit war allerdings in beiden Fällen 18 Uhr. Dank dreier, teilweise ineinander verschachtelter oder aber auch sich gegenseitig behindernder Umleitungen kommt der Rezensent, der eigentlich rechtzeitig zu Hause aufgebrochen ist, relativ spät auf dem Gelände an - aber nicht zu spät, um sich noch einen Platz in der fünften Reihe sichern zu können, und bis der Gig dann nach einer einleitenden Moderation samt Interview mit dem Köstritzer Braumeister sowie der Vorstellung eines regionalen Kunstprojektes beginnt, vergeht noch eine ganze Zeit.
Wie schon anno 2015 besteht auch hier die größte Spannung in der Zusammensetzung der Setlist. Zwar ist das neue Album immer noch nicht fertig, und die Band verzichtet auch darauf, unveröffentlichtes Material schon mal live anzutesten - aber da hat es ja vor einigen Monaten den Release einer rein digitalen Single namens "So wie Du" gegeben, und die Vermutung, daß diese im Set auftauchen würde, dürfte einige Anhänger besitzen. Sie stellt sich dann auch als korrekt heraus: Die schleppend-hymnische Nummer stellt einen der vier Tracks der Ära mit Jörg-Tim Wilhelm am Frontmikro dar, die an diesem frühen Abend gespielt werden, und da es auch 2015 in Jena deren vier gegeben hatte, heißt das praktisch, daß einer der "Mehr"-Tracks weggefallen ist. Die logische Wahl fiel auf das tempo- wie ausdruckstechnisch ähnliche "Irgendwo da draußen", und der Rest, also "Die neue Freiheit", "Meergefühl" und "Magnet", kommt ab Setposition 2 (plus dann "So wie Du" an Position 8) immer schön im Wechsel mit einer alten Nummer. Deren Reihenfolge hat allerdings auch eine ziemliche Umkrempelung erfahren: Als Opener gibt es "Herzschlag ist der Takt", und auch ansonsten ist der eiserne Besen einmal kreuz und quer durch den Set geschickt worden. Zudem hat die Band "S.O.S." ein neues Intro verpaßt, das ohrenscheinlich nur aus Baß und Drums besteht - vielleicht liegt der akustische Eindruck aber auch daran, daß man trotz eines grundsätzlich relativ klaren Klangbildes Alex' Keyboards eher schlecht im Gesamtsound vernehmen kann, was sich kurz vor Setende zwar ändert, aber zum Preis des Einsetzens einer Art schwummrigen Grundgeräusches, das manche Passagen etwas stärker als nötig verunklärt. Dafür präsentiert sich die Band nahezu in Bestform, zeigt Spielfreude en gros, und im besagten "S.O.S." bekam man selten so intensiv wie an diesem Abend demonstriert, was da eigentlich für ein feistes Grundriff drunter liegt. Tim präsentiert sich erwartungsgemäß wieder als Aktivposten, der kurz vor Setende sogar den lokalen Pressefotografen auf die Bühne holt und während des Songs übers Mikro hörbar auffordert, doch auch Micha noch zu fotografieren - auch ansonsten hinterläßt er den Eindruck eines absoluten Sympathikus, ist zudem bis auf klitzekleine Probleme in den Höhenlagen von "Liebe auf den ersten Blick" prima bei Stimme, hat die in seinen Anfangstagen mit der Band noch fehlende Routine längst in Großportionen intus, steuert bedarfsweise Akustikgitarre oder Schellentrommel bei und hat sich kurioserweise in der Stimmfärbung einen Deut verändert: Er klingt etwas rauher - und das paßt prima! Natürlich beschränkt das seine Melodiehaltefähigkeiten nicht, aber das Publikum hilft sowieso fleißig mit - und der Kenner stutzt: "Ohne dich (schlaf' ich heut' nacht nicht ein)" kommt überraschend früh. Die langweilige Bandfassung von "Solang man Träume noch leben kann" (die mit schwer durchhörbaren Keyboards noch einmal einige ihrer sowieso nicht reichlichen Reize verliert - der Rezensent trauert immer noch der brillanten 2010er Lösung dieses Problems hinterher, die Studiofassung als "Feieruntermalung" am Setende vom Band kommen zu lassen) folgt auf dem Fuße - und dann markiert "Ich steh' auf Licht" schon das Finale des regulären Sets. Erkenntnis: Dessen Finalstruktur, die seit Jahrzehnten unverändert geblieben war, hat eine Umstellung erfahren - leider keine gute. Zweite Erkenntnis nach "So heiß" und "Bis wir uns wiedersehn" als Zugaben: "Sommernachtstraum", eigentlich für diesen Gig fast prädestiniert, ist aus der Setlist geflogen. Dritte Erkenntnis, als nach "Bis wir uns wiedersehn" der Moderator wieder auf die Bühne kommt: Die 2012 letztmalig gepflegte Tradition, als letzte Zugabe unter Instrumententausch einen Rockklassiker herunterzuhobeln, ist auch 2016 nicht wiederbelebt worden. So landet der Gig bei einer noch kürzeren Gesamtspielzeit als 2015 in Jena (irgendwann zwischen 18.15 und 18.30 Uhr beginnend, ist man deutlich vor 20 Uhr bereits fertig). Natürlich sind derartige in ein strukturelles Umfeld eingebundene Gigs nicht repräsentativ für das, was man von regulären Headlinergigs der Band erwarten kann - und die letztgenannten wird's sicherlich spätestens zum neuen Album wieder geben. Ergo: Wie immer feiner Poprock - aber es hätte gerne mehr davon sein dürfen.



www.Crossover-agm.de
© by CrossOver