www.Crossover-agm.de
Münchener Freiheit   07.03.2015   Jena, Sparkassen-Arena
von rls

Kein "normales" Tourkonzert der Münchener Freiheit: Die neu erbaute Sparkassen-Arena in Jena, wo sonst hauptsächlich Basketballspiele stattfinden, die aber ausdrücklich als auch für Konzerte und andere Kulturveranstaltungen nutzbare Mehrzweckhalle konzipiert ist, fungiert erstmals als Location fürs Auftaktkonzert der Schwarzbiernacht, einem Veranstaltungskonzept, das in anderen Städten als Honky Tonk, Kneiptour u.ä. firmiert - in einer größeren Anzahl von Kneipen und anderen Locations spielt eine größere Anzahl von Bands oder Solokünstlern, und die Besucher ziehen dann von einem Veranstaltungsort zum nächsten; die Bezeichnung im Jenaer Fall leitet sich vom Hauptsponsor ab, der analoge Veranstaltungen auch in Suhl und Zeitz durchführt. Aus dieser strukturellen Konstellation leitet sich auch der ungewöhnlich frühe Beginn des Auftaktkonzertes von 18 Uhr ab - schließlich sollen die Besucher danach noch ausreichend Zeit haben, sich in den anderen Locations das titelgebende oder auch andere Getränke in den Schlund zu kippen.
Hat man die Animationsversuche eines lokal offenbar bekannten Moderators sowie das vom Band eingespielte "Kling Klang" überstanden, was der Stimmungsanheizung dienen sollte (als ob die Münchener Freiheit das nicht auch selber geschafft hätte ...), geht es dann endlich los, und der Bandkenner wartet gespannt, ob sich grundlegende Änderungen zum Tourprogramm von 2014 ergeben haben. Neues Studiomaterial ist seither ja noch nicht veröffentlicht worden, auch wenn Sänger Jörg-Tim Wilhelm verkündet, es gäbe Gerüchte, daß man schon an neuen Songs arbeite. Ergo ist "Mehr" nach wie vor das aktuelle Werk der Band, und dessen Setbeiträge werden, beginnend mit "Die neue Freiheit" an Position 3, immer schön im Wechsel mit einem alten Song ins Programm eingestreut. Allerdings sind es diesmal nur deren vier - "All die Jahre" ist rausgefallen, und auch die Reihenfolge der Neulinge hat sich verändert, denn beispielsweise "Meergefühl" ist zwei Neulingspositionen nach hinten gewandert, um nicht direkt neben dem ähnlich flotten "Herzschlag ist der Takt" zu stehen und damit dramaturgisch etwas zu verpuffen. Im Set nach vorne gewandert ist hingegen "Herz aus Glas" - ob es sich hierbei um eine bewußte Entscheidung für ebenjenes Konzert handelt, bei dem davon auszugehen war, daß neben MF-Die-Hard-Anhängern auch zahlreiches "Normalpublikum" anwesend ist, dessen Kenntnis des Bandschaffens sich auf die drei größten Hits beschränkt, von denen daher zumindest einer relativ früh erklingen sollte, kann nicht abschließend beurteilt werden, entbehrt aber nicht einer gewissen Logik. Freilich erweist sich diese Vorsichtsmaßnahme, falls es eine war, zumindest an diesem Abend als unnötig: Das, was der Moderator einleitend eher angestrengt versucht hat, nämlich das Publikum auf Betriebstemperatur zu bringen, das schafft die Band spielend mit dem bereits 2014 in dieser Form besetzten Eröffnungsdoppel "S.O.S."/"Tausendmal Du", auf ein gesondertes Intro wie schon 2014 verzichtend (Rennie kommt einfach auf die Bühne und beginnt zu spielen, der Rest gesellt sich schrittweise dazu). Die Stimmung ist also bestens, auch die neuen Songs werden zumindest anständig beklatscht, teilweise auch textlich andächtig mitformuliert (es gibt durchaus etliche Zuschauer, die mit dem jüngeren Schaffen der Band vertraut sind) - und obwohl der "Zug zum Tor" von "Meergefühl" diesmal nicht ganz so stark ausfällt wie vor Jahresfrist, so beginnen "Magnet" und "Irgendwo da draußen" doch schrittweise ihre Qualitäten zu entfalten, lediglich "Die neue Freiheit" noch als kleinen Durchhänger belassend. Ansonsten ist die 2014er Setlist wie beschrieben etwas umstrukturiert und um zwei Nummern gekürzt worden (neben "All die Jahre" ist auch "Kalt oder heiß" nicht mehr dabei), hat aber ansonsten keine fundamentalen Umstellungen erfahren, was bedeutet, daß sich auch die einstigen Wechselkandidaten "Katrin" und "Tausend Augen" festgekrallt haben - und das zu Recht! Vor allem erstgenannter Oldie macht wieder mal mächtig Laune und setzt hinter der abermals traumhaften Version von "Sommernachtstraum" (Alex' kleinen Keyboardpatzer verzeiht man ihm gern) einen wirkungsvollen Kontrast. Passend zu diesem flotten Track muß festgestellt werden, daß Tim die Band abermals in einen Jungbrunnen geworfen hat - daß sich der Sänger und Bassist Micha gleich beim Opener auf der Bühne gegenseitig umrennen, hätte es zu Zauner-Zeiten nie gegeben, einen im Intro von "Ich steh' auf Licht" nicht nur an vorderster Front zum Mitklatschen auffordernden, sondern dazu auch noch wild über die Bühne hüpfenden Alex hat man bisher auch nur sehr selten gesehen, und so herrscht eine Art Aktivismus auf der Bühne der aber nie in Aktionismus abgleitet, sondern einfach nur Ausdruck der Freude ist, den die Band offensichtlich hat und die sich auch problemlos aufs Publikum überträgt. Dabei hilfreich ist ein sehr klarer Sound, dem zwar hier und da das allerletzte Quentchen Druck fehlt, der aber besonders in diversen Baßpassagen (so im Refrain von "Tausend Augen", ergo an eher ungewöhnlicher Stelle, wo sich das Ganze dann anhört, als ob einer der beiden Backingsänger plötzlich zwei Oktaven tiefer singen würde) durchaus viel solchen entfaltet und dem die gelegentlichen Rückkopplungen auch keinen entscheidenden Schaden zufügen. So ganz fit scheint Tims Stimme zum Auftakt der 2015er Konzertsaison zwar noch nicht zu sein (er baut gegen Setende etwas ab und überläßt seinen Backingsängern und dem Publikum etwas mehr Passagen als sonst), aber das wird sich mit zunehmendem "Training" sicher wieder ändern. Das Publikum selbst ist durchaus zum Mitsingen geneigt (wobei einige Spaßvögel zum Bassdrum-plus-Klatsch-Intro von "Energie" trotz eines fehlenden Bassdrumschlags pro Phrase "We Will Rock You" intonieren) und bekommt im Setfinale auch jede Menge Gelegenheit dazu: "So lang man Träume noch leben kann" (der Rezensent ist offenbar wieder mal der einzige, der die Bandfassung eher langweilig findet) und "Ohne dich (schlaf' ich heut' nacht nicht ein)" stehen abermals unmittelbar hintereinander, und auch der Rest des Finales entspricht dem 2014er Programm, was bedeutet, daß das beliebte Instrumententauschspielchen als letzte Zugabe nicht wiederbelebt worden ist. Zeit dafür wäre noch genug gewesen: Das ist der erste vom Rezensenten erlebte MF-Set, der bei einer zweistelligen Spielminutenzahl stehenbleibt. Aber dafür stimmt wenigstens die Qualität, das Publikum ist auch zufrieden, und als zum Schluß der Moderator wieder auf der Bühne erscheint, sucht es fluchtartig das Weite, um sich am Schwarzbier oder anderen Getränken gütlich zu tun.



www.Crossover-agm.de
© by CrossOver