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Michael Krebs   22.10.2015   Leipzig, Moritzbastei
von rls

Man soll die Feste feiern, wie sie fallen - aber wenn halt gerade keins fällt, ist das trotzdem kein Hindernis: Michael Krebs deklariert seinen Auftritt bei der Leipziger Lachmesse kurzerhand als Feierlichkeit zu seinem 11. Bühnenjubiläum und angeblicher 1111. Bühnenaktivität (was er nur erreicht habe, indem er am Vortag noch schnell ein paar Straßenauftritte in Berlin hingelegt habe) und nimmt das zum Anlaß, quer durch seine bisherige Karriere zu pflügen. Die hatte mit "Vom Wunderkind zum Spätentwickler" ziemlich fulminant begonnen, und so bilden zwei Nummern aus diesem auch konservierten Programm, nämlich "Das Ding von Heinz" und "Hausverbot bei Aldi", die Stützpfeiler des ersten Teils des Abends, der ansonsten u.a. noch zahlreiche Anekdoten aus dem bisherigen Schaffen des Kabarettisten aus dem schwäbischen Neukupfer, den es via Hamburg mittlerweile nach Berlin verschlagen hat, beinhaltet und als zentrales Element seine Erzählungen aus dem Alltag eines Hotelbarpianisten berücksichtigt, partiell verknüpft mit anderen Programmelementen - so kommt hier in der Erklärung, warum ein Hotelbarpianist möglichst viele Arpeggien und Rubati spielen soll, als Beispiel die "Ballade pour Adeline" zum Zuge, um die Krebs im "Wunderkind"-Programm ja eine komplette Nummer mit verschiedenen Songs, denen ebenjene Melodie inkorporiert worden war, gestrickt hatte. Das pianistische Element bereitet Krebs natürlich keinerlei Mühe - er ist immerhin selbst ausgebildeter Jazzpianist und spielt somit gekonnt auf der Klaviatur der Klangfarben, um seine skurrilen Geschichten angemessen zu untermalen. Mit seinem Mini-Hit "Grundschullehrerin" endet der erste Programmteil.
Spannend wird's im zweiten: Krebs hat am Merchstand Zettel ausgelegt, und das Publikum darf dort Wunschlieder draufschreiben. Der Rezensent gönnt sich den Spaß, "Pleasure To Kill" und "Highway To Hell" zu notieren - Krebs hatte im ersten Teil geäußert, es sei egal, was ein Hotelbarpianist spiele, es höre eh keiner zu, und so könne er auch "Pleasure To Kill" oder "Highway To Hell" spielen. Leider wird dieser Zettel nicht gezogen, und so entgehen dem Publikum Versuche der pianistischen Umsetzung ebenjener metallischen bzw. hardrockenden Klassiker - statt dessen kommt das Lied vom Flüsterfuchs, den Krebs ablehnt, um mit seiner an diesem Abend allerdings abwesenden Begleitband Die Pommesgabeln des Teufels die mano cornuta, die bei um 90 Grad gedrehter Betrachtung optisch identisch ist, zu retten. So spielt der Kabarettist auch gekonnt mit verschiedenen Szenestereotypen - etwa wenn er sich im Setcloser in MC Pussyfind verwandelt, um sich mit Textzeilen wie "Nehmt eure Finger von den Bitches" gegen den Sexismus im Gangsta-Rap auszusprechen. Überhaupt liegt ihm das Thema der sonst der Fortpflanzung dienenden Aktivitäten sehr am Herzen, wie "Spieleabend" oder "Das Mädchen von der Jungen Union" deutlich machen, aber über den reinen Klamauk hinaus enthält etwa letzteres mit der NPD-Strophe auch politischen Sprengstoff, und so steckt in allem Krebs-Spaß auch mancherlei Ernsthaftigkeit, selbst wenn diese bisweilen selbst wieder persifliert wird, etwa wenn er im bis dahin todernsten "Ich bin nicht gut genug" das Publikum dazu animiert, den titelgebenden Refrain mitzusingen, was dann schon wieder urkomisch anmutet. So politisch eindeutig wie in der letzten Zugabe, wenn er McKinsey als die eigentlichen Regierenden outet, agiert er selten, aber das ist dann so etwas wie das Salz in der Suppe. Zuvor hat's noch einen Gastauftritt von Julius Fischer (in der ersten Zugabe "Steve") gegeben, und nach netto weit über zwei Stunden zieht ein gut unterhaltenes Publikum (der bestuhlte Raum der Veranstaltungstonne ist bis auf den letzten Platz besetzt) von dannen.



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