www.Crossover-agm.de Michael Krebs   17.03.2006   Leipzig, Horns Erben
von rls

1800 Veranstaltungen in vier Tagen - auch anno 2006 präsentierte sich die Leipziger Buchmesse wieder als gigantisches Lesefest, und skurrilerweise führte selbst diese riesige Zahl nicht zu einer kleinteiligen Aufsplitterung des Publikums. Der Rezensent hat sich in diesen vier Tagen mit vielen Menschen unterhalten, und komischerweise berichtete kein einziger, er sei irgendwo auf einer eher schwach besuchten Veranstaltung gewesen. Auch die vom Rezensenten besuchten Veranstaltungen waren allesamt gut ge- bis restlos überfüllt. Im noch relativ neuen Club Horns Erben (Wilhelm Horn hatte anno dunnemals in selbigen Räumlichkeiten eine Schnapsbrennerei betrieben) hatte man für den Freitagabend gleich zwei Veranstaltungen angesetzt, zum einen eine Lesung eines mir apocryph bleibenden Autors (von dem ich nur noch den Abgang mitbekam) und im Anschluß daran im Rahmen der Veranstaltungsreihe "Hahahaklub" einen Auftritt von Michael Krebs. Da schon die Lesung sehr gut besucht war und weite Teile des Publikums danach einfach dablieben, aber auch noch ein gutes Häufchen neues Publikum dazustieß, wurde es im nicht eben großen Club schnell kuschlig eng, und Bewegungen etwa in Richtung Bar oder Toilette wurden zur logistischen Herausforderung.
Christoph Walther, Chefdenker des Hahahaklubs, eröffnete den zweiten Teil des Abends, indem er das Auditorium zum gemeinschaftlichen Singen des Hahahaklubliedes animierte, was ob dessen spätestens für einen Erstkläßler nachvollziehbaren Melodiestruktur keine sonderlich schwierige Aufgabe darstellte. Danach indes gehörten Bühne und Klavier Michael Krebs, der Anfang 2006 mit dem klasse betitelten "Vom Wunderkind zum Spätentwickler" einen Livemitschnitt als Debütalbum vorgelegt und schon dort bewiesen hatte, daß die Bühnenaktivität eben seine besondere Stärke ist, was er an diesem Abend durch die hinzutretende visuelle Komponente noch ein weiteres Mal unterstrich. Er eröffnete wie auf der CD mit "Das Ding von Heinz", seiner schlüpfrigsten Nummer über die Entwicklung eines Exhibitionisten, variierte aber dann die Reihenfolge und schob mit "Nadine" (die akustische Umsetzung unterschiedlicher Vorstellungen einer Abendunterhaltung von Mann und Frau) und dem Showcloser (darüber unten noch mehr) auch zwei nicht auf der CD befindliche Stücke ein. Der klavierspielende und singende Comedian stellte sein Talent für die humoristische Darstellung skurriler Szenarien eindrucksvoll unter Beweis und kokettierte zugleich mit den soziokulturellen Differenzen zwischen seinem Heimatdorf Unterkupfer (das irgendwo im Schwabenländle liegen soll und so klein ist, daß es auf 96% der Karten vermutlich gar nicht erst verzeichnet ist) und seiner Mittlerweile-Wahlheimat Hamburg; daß er den größten Teil des Programms auch in schwäbischer Mundart bestritt (wenngleich immerhin in auch für Nicht-Schwaben verständlicher abgeschwächter Form), paßte hervorragend ins Bild. Daß er trotz des zumeist vorherrschenden pianistischen Minimalismus dieses Instrument hervorragend beherrscht, hatte er auf der CD bewiesen, als er das Tanzlied "Ballerina" alle zwei Takte mit einem unterschiedlichen Tanzrhythmus unterlegte und dabei von Walzer über Tango und Foxtrott bis zum Rumba alles Mögliche und Unmögliche verwurstete und blitzartig zwischen diesen hin und her wechselte. In Leipzig spielte er dieses Stück nicht live, aber sein Programmfokus auf Richard Clayderman blieb natürlich erhalten. Für die "Ballade Pour Adeline" suchte er sich aus dem Publikum eine hübsche junge Dame namens Bea, die sich dann beim Lied auf dem Klavier räkeln durfte, aber irgendwie einen etwas indisponierten Eindruck hinterließ, in der "Ballade Pour Richard" spielte er seinen eigenen Synchrondolmetscher, und ferner stellte er unter Beweis, daß sich die zentrale Tonfolge der "Adeline" auch in diverse andere Lieder einbauen läßt, wobei deren Spektrum von "New York, New York" über "Aber bitte mit Sahne" bis hin zu "Highway To Hell" reichte. Noch die eine oder andere Hymne wie "Hausverbot bei Aldi" und ein paar potentielle Klassikerzeilen wie "Hätt' ich auf Bertolt Brecht gehört, dann wär' ich heute Moralist - hätt' ich auf Roland Koch gehört, wüßt' ich gar nicht, was das ist" (aus: "Beraterparadies") dazu - fertig war ein äußerst unterhaltsames reichlich einstündiges Programm, an dessen Ende auch Bea noch einmal besungen wurde (der zweite Non-CD-Track beschrieb nämlich das Szenario, wie der Held seine Auserwählte seiner Mutter vorstellt). Das auf der CD sehr weit vorne angesiedelte "Spätzlelied" erwies sich allerdings nicht als ideale Zugabe, denn gerade die gesprochenen Zwischenparts warfen die einzigen akustischen Probleme des Gigs auf (sie waren schlicht und einfach kaum verständlich), wovon sich das fleißig applaudierende Publikum (wobei zu bemerken ist, daß nach den ersten Nummern einige Anwesende die Lokalität verließen, das Humorverständnis des Künstlers mit ihrem eigenen wohl als inkompatibel erkannt habend - so wurde die drückende Enge wenigstens ein bißchen aufgelockert) allerdings nicht stören ließ. Den Schlußeffekt mit der Zerstörung des Klaviers hatte sich der mittlerweile mit offenem getigertem Hemd agierende Michael Krebs wohl bei Keith Emerson abgekuckt, wobei der damals richtige Zertrümmerungsarbeit geleistet hatte, während die Krebssche Kinderkreissäge (!) nur marginalere Schäden anrichten hätte können. Der Ausklang des Abends gehörte dann wieder Christoph Walther, der dem Publikum das Pioniergelöbnis abnahm, zur nächsten Hahahaklub-Veranstaltung wieder anwesend zu sein, wonach das Hahahaklublied ein weiteres Mal intoniert wurde und einen unterhaltsamen Auftritt beschloß.



www.Crossover-agm.de
© by CrossOver