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Gitte Haenning & Big Band der Robert-Schumann-Philharmonie Chemnitz   29.05.2015   Chemnitz, Opernhaus
von rls

Gitte Haenning? Das war doch die, die 'nen Cowboy als Mann wollte? Das stimmt zwar prinzipiell, aber wie in so manchem analogen Fall tut man dem betreffenden Künstler natürlich unrecht, reduziert man sein Schaffen ausschließlich auf das Werk, mit dem er im kollektiven Gedächtnis am ehesten verankert ist. So findet sich denn auch in Gitte Haennings Schaffen reichlich Jazzorientiertes, und dieser Background macht sie zu einer passenden Solistin für die 2015er Ausgabe des eigentlich alljährlichen Konzertes der Big Band der Robert-Schumann-Philharmonie im Chemnitzer Opernhaus. 2014 gab es allerdings keinen Auftritt, und die Truppe hat währenddessen eine gewisse Modifikation erfahren und sozusagen Talente eingekauft: Im Rahmen einer Kooperation mit der Leipziger Musikhochschule finden sich in der aktuellen Besetzung etliche Studenten bzw. Absolventen besagter Hochschule wieder - ein Viertel der Posaunisten, ein Fünftel der Saxer und gleich drei Viertel der Trompeter, wobei die Neuen auch noch einen Gutteil der Soloparts übernehmen und dabei eine durchaus gute Figur machen, selbst wenn sie wie im Fall von Patrick Schwarze hier zwar Trompete spielen, aber eigentlich studierte Gitarristen sind (wobei die Truppe sowas gewöhnt ist - der Pianist etwa spielt im Orchester eigentlich Oboe).
Die Grundstruktur des Konzertes entspricht denen der Jahre 2013 und 2012: Zunächst bestreitet die von Rolf von Nordenskjöld geleitete Big Band einige Stücke im Alleingang, darunter gleich als Opener John Claytons "Groove Shop", das laut dem Chef "groovt wie Sau", harmonisch allerdings völlig wild durchs Ladensortiment pflügt, und traditionsgemäß auch ein Stück von Posaunenaltmeister Henry Walther, bevor dann die Gesangssolistin dazustößt. Gitte Haenning bringt in diesem Falle auch noch einen Gitarristen mit und eröffnet ihren Setteil mit ihrem anderen Signaturlied, nämlich "Lampenfieber". Solches sollte sie nach x Bühnenjahrzehnten natürlich nicht mehr haben, trotzdem hinterläßt sie bisweilen einen leicht unkoordinierten Eindruck und muß so manche Arrangementabsprache live auf der Bühne mit den Instrumentalsolisten oder auch mit dem Dirigenten führen - aber das tut sie mit unverhohlenem Charme, der auch das Publikum für sie einnimmt, auch wenn Henry Walther in "Willow, Weep For Me" ihre Bemerkung "Jetzt könnte ein Solo kommen" irgendwie mißversteht und den Solistenplatz wieder verläßt. Auch eine gewisse Kurzatmigkeit ist man Haenning zu verzeihen bereit, denn Ausdrucksstärke hat ihre Stimme immer noch in hohem Maße. Zu den wahren Glanzlichtern ihrer Setteile werden die beiden schwedischen Lieder, die mit ihrem angefolkten Gestus eine hochinteressante Klangfarbe in den Bigbandsound bringen und im zweiten Fall durch feiste Gitarrenriffs sogar im Bombastrock landen. Auch das große Swing-Medley macht durchaus Laune, wenngleich die Instrumentalbeiträge, die den zweiten Setteil eröffnet haben, die Meßlatte schon ganz schön hoch gehängt hatten, sowohl Rob Bronks Auseinandersetzung mit "Komm lieber Mai und mache" als auch Nordenskjölds Eigenkompositionen "Blue Ice" (über eine Spitzbergenreise, den Komponisten an der Baßflöte sehend und überwiegend im mystischen Downtempo gehalten) und das von einem Drumsolo eröffnete Getränkelied über einen mexikanischen Cocktail, das der Komponist mit den Worten "In der Mitte des Stückes setzt die Wirkung ein" anpreist. Eine enthusiasmierende Wirkung übt jedenfalls auch dieser zweite Teil auf das Publikum aus, das selbstredend Zugaben einfordert und als dessen erste auch endlich den Cowboy-Heiratsantrag geboten bekommt, allerdings in einer durchaus originellen (und leider nicht durchgängig textverständlichen) Version. Ach ja, und der Vibraphonist, 2013 und 2012 klanglich weitgehend im Abseits stehend, ist diesmal zwar immer noch nicht durchgängig, aber doch etwas häufiger zu vernehmen - ein kleiner, aber nicht unbedeutender Beitrag zu einem unterhaltsamen Konzerterlebnis, auch wenn die Klatscheinlagen in der Speedversion von "Blowin' In The Wind", die als zweite Zugabe erklingt, irgendwie etwas unmotiviert anmuten, was aber nicht mehr entscheidend stört. Wer kommt nächstes Jahr?



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