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Judith Lefeber & Big Band der Robert-Schumann-Philharmonie   21.06.2013   Chemnitz, Opernhaus
von rls

Same procedure as every year? Nicht ganz, wenngleich die Rahmenbedingungen erstmal identisch sind: Die Big Band der Robert-Schumann-Philharmonie Chemnitz spielt alljährlich ein Konzert unter ihrem langjährigen Leiter Rolf von Nordenskjöld im Opernhaus der Stadt und holt sich hierfür eine Gastsängerin ans Mikro. Bevor diese allerdings ins Geschehen eingreift, steht eine Reihe von vier Instrumentalstücken auf dem Programm - auch diese Struktur kennt man beispielsweise vom 2012er Konzert. Diesmal geht es mit "Told You So" vom Count Basie Orchestra los, das die Tontechnik gleich mal vor Probleme stellt, welche ungelöst bleiben: Von der Soloflöte hört man gegen die Bandposaunen trotz Verstärkung eher wenig. Da allerdings die Flöte im weiteren Setverlauf eher selten zum Zuge kommt, pflanzt sich dieses Problem nicht fort, wenngleich einige Unausgewogenheiten sich auch weiter durch den Set ziehen, allerdings nie so sehr stören, daß sie den Unterhaltungsfaktor nachhaltig senken. Jedenfalls ist die Spiellaune schon nach diesem Opener so schweißtreibend, daß sich die ersten Bandmitglieder, nämlich zwei der Trompeter, ihrer Jacketts entledigen. Das nächste Stück, eine Eigenkomposition Nordenskjölds, hätte allerdings auch als Opener gepaßt: "Einspielzeit" heißt es, und der Drummer und der Baßsaxophonist müssen hier zu Beginn tatsächlich so agieren, als ob sie sich im Proberaum gerade warmspielen, bevor die anderen Bandmitglieder schrittweise eintreffen. Der Drummer setzt ein Fill ans andere, das Stück nimmt Fahrt auf und wird durch ein wildes Pianosolo gekrönt. Die Oldschoolfreunde im Publikum, die sich bei solcher Programmusik eher überfordert fühlen, bekommen dann mit Henry Walthers "Spielspaß" einen Leckerbissen vorgesetzt, nämlich einen recht traditionsorientierten Midtempo-Blues, und der Terminus "traditionsorientiert" trifft auch auf das Solo des mittlerweile 80jährigen Posaunennestors zu. Die Ballade "Ferne Nähe" wiederum beginnt mit einem fast feierlich zu nennenden Bläserchoral, der Drummer hat vor seinem ersten Viererrhythmus einige recht schwierige Schlagverschiebungen zu bewältigen, ein langes Saxophonsolo von Michael Arnold leitet zu einer gewissen Härtung der Komposition über, und der Schlußakkord beweist, daß da im Jazz nicht unbedingt immer alle zusammen sein müssen ...
Hatte die Big Band 2012 mit Madeline Ball eine internationale Koryphäe auf die Chemnitzer Bühnen geholt, die dort zuvor noch nicht zu sehen gewesen war, so ist die 2013er Solistin keine Unbekannte: Judith Lefeber stand bereits in der Titelrolle von Elton Johns Musical "Aida" vor dem Chemnitzer Publikum und wird das auch in der Wiederaufnahme dieser Produktion in der Saison 2013/2014 wieder tun. An diesem Abend allerdings bewegt sie sich auf etwas anderem Territorium, wenngleich das Programm ebenfalls recht poporientiert ausfällt. Die kleine Sängerin legt dazu ein großes Selbstbewußtsein an den Tag, schäkert mit Nordenskjöld und gibt einige Kostproben ihres Humors: "Kennt ihr 'This Lady Is A Tramp'? Ich nicht, aber ich sing's trotzdem." Und das tut sie mit einer interessanten, leicht angedunkelten, aber klaren Stimme, bei der man sich nur anstrengen muß, um sie deutlich genug im Ohr zu haben: Das Leadmikrofon ist nämlich so leise eingestellt, daß die Stimme, wenn sie von einer größeren Anzahl der Instrumente und/oder in höheren Schlagzahlen begleitet wird, viel zu weit im Hintergrund landet. Das ist schade, denn wenn man Lefeber doch mal deutlich hört, ist man über ihre sängerische Leistung durchaus mehr als erfreut. Unter diesem Problem hat allerdings nicht nur sie zu leiden, sondern auch - und das ist die Überraschung des Abends und der markante Unterschied zum Vorjahr, als Madeline Bell alleine sang - der zweite Gastsänger, Dennis LeGree. Der besitzt eine ebenfalls recht klare Baritonstimme, aber auch er hat gegen die Bläsermacht nur wenig Chancen und kann seine Stärken dadurch nur in den zurückhaltenderen Passagen ausspielen, wo er allerdings ohne Wenn und Aber überzeugt und bisweilen fast wie ein zu groß geratener Vertreter einer Boygroup wirkt, was an dieser Stelle nicht despektierlich gemeint ist. "Somewhere Over The Rainbow" und das mit einem netten Vokalisenmitsingspiel im Refrain ausstaffierte "Minnie" (mit einer äußerst elegant und ansatzlos aus dem Ärmel geschüttelten Beschleunigung mitten in Strophe 3) schließen die erste Sethälfte ab.
Die zweite Hälfte ist in der Struktur ähnlich aufgebaut, beginnt also mit Instrumentalstücken, in denen man endlich auch mal den bedauernswerten Vibrafonisten (der arme Kerl war schon 2012 vom Gesamtsound weitgehend in die hinterste Ecke verbannt worden) solierenderweise zu hören bekommt. Neben Henry Walthers flott-nervösem "Warme Miete" fällt hier besonders "Tekkno-Pop" von Bob Mincer auf, das Nordenskjöld als Funk ansagt, wofür die hier eingesetzte E-Baßgitarre freilich viel zu hintergründig abgemischt ist. Erstaunlicher- wie erfreulicherweise fehlen dem Stück allerdings auch alle Tekkno-Untugenden, wenngleich es zwischenzeitlich durchaus mal kurz mitzappelbar wäre (aber das Opernhaus ist bestuhlt); in der Gesamtbetrachtung gibt es eher "normalen" Bigbandsound zu hören, ausstaffiert mit einem enorm ausgedehnten Trompeten- und einem kurzen Drumsolo. Danach schlägt wieder die Stunde für die Sänger, und zwar mit "Georgia On My Mind", dem einzigen Stück des Abends, das auch schon im Vorjahresprogramm gestanden hatte. Diesmal wird es nach einem noch fast konventionellen Beginn immer expressiver und mündet in einem großen Duell zwischen LeGree und dem Saxophon. Den eher poplastigen Approach des Programms verdeutlicht dann der alte Disco-Heuler "I Will Survive", nach einem entrückten Klavierintro seine poppig-flotte Seite zeigend und trotz wieder mal zu leisen E-Basses viel gute Laune bereitend, wenngleich Lefeber nun nicht unbedingt zwei Takte vor Schluß noch eine Mitklatschaufforderung hätte inszenieren brauchen. Überhaupt wirkt die Sängerin gegen Ende ein wenig neben der Spur - mehrfach muß Nordenskjöld sie zurückpfeifen, weil sie zu früh einsetzen will, und obwohl das stets mit Humor überspielt wird, könnte es ein Indiz für nicht ausgereifte Harmonie zwischen den Beteiligten sein. Die beeindruckende Tiefenschwärze, die Lefeber in "Summertime" legt, wetzt solche kleinen Scharten aber locker wieder aus, und auch LeGree weiß in "Night And Day" als Sinatra-Ersatz durchaus zu punkten. Die große Hymne "Up Where We Belong" aus dem Film "Perfect Gentleman", bekanntgeworden durch Joe Cocker und Jennifer Warnes, kommt natürlich auch an diesem Abend als Duett, die beiden Sänger harmonieren prächtig (obwohl der Hüne LeGree zwei Köpfe größer ist), und ihre Mikrofone sind endlich einmal laut genug, um die Stimmen ins gebührende Licht zu rücken. Leider aber ist dieser Klassiker auch schon das letzte Stück des Sets - er erklingt als zweite Zugabe dann noch einmal in Reprisenform und entläßt das zufriedene Publikum in die Mittsommernacht.



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