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Equilibrium, Trollfest, Ad-hoc   03.10.2014   Leipzig, Hellraiser
von rls

Die Abende um den Tag der deutschen Einheit nutzt das Hellraiser-Team auch dann zum Geburtstagfeiern, wenn gerade kein rundes Jubiläum ansteht. Immerhin gibt es anno 2014 aber eine Schnapszahl zu begehen - 22 Jahre dient die Werkhalle in der Engelsdorfer Werkstättenstraße nun schon als Konzertlokation. Drei Abende lang stehen Bands auf der Bühne - die Altmeister Bolt Thrower machen mit einer ausverkauften Show den Anfang, Kissin' Dynamite weisen mit jugendlichem Schwung in die Zukunft, und dazwischen plazieren sich Equilibrium mit ihrem Epic Metal der extremeren Sorte, die sich seit 2001 einen beachtlichen Status in der Szene erspielt haben.
Aber das Konzert steht auf der Kippe: Neu-Gitarrist Dom schleppt sich mit 40 Grad Fieber durch die Gegend - und dabei hat er sogar eine Doppelbelastung zu stemmen: Er ersetzt nicht nur Gitarrist Andreas bei Equilibrium, sondern ist auch noch in Personalunion Sänger und Gitarrist bei Nothgard, dem ersten Support des Abends, der außer durch ihn auch noch anderweitig mit dem Headliner verbandelt ist - so gastiert Equilibrium-Sänger Robert auch auf dem jüngsten Nothgard-Werk "Age Of Pandora". Für diesen Abend wird letztlich der Versuch gewagt, das Equilibrium-Konzert durchzuführen, aber Dom wenigstens dadurch zu entlasten, daß Nothgard nicht spielen, sondern statt dessen ein lokaler Support angeheuert wird. Dieser hört auf den Namen Ad-hoc und stellt sich bei einem Blick ins WeltWeitNetz als Nachfolgeprojekt von Mortal Intention heraus - vier Mitglieder sind noch dabei, nur der Schlagzeuger ist neu. Auch der Stil hat sich nur marginal geändert - vielleicht steckt ein Tick mehr Melodic Death Metal im Gesamtmix, aber der keyboarduntermalte melodische Black Metal ist nach wie vor stark präsent, auch wenn die Keys vom Band kommen und man sich sehr anstrengen muß, um die zweifellos vorhandenen Feinheiten wahrzunehmen - vor allem die beiden Gitarristen liefern im harmonischen Bereich enorm interessante Arbeit ab und bieten das ganze Spektrum von lieblich bis ultraschräg, und man hätte sie gerne noch viel deutlicher gehört. Leider macht der Soundbrei dem Hörer einen Strich durch die Rechnung, und vor allem anfangs besteht das, was da aus den Boxen kommt, aus Gekreisch, Drums und undefinierbaren Klangflächen, sobald der Drummer etwas schneller spielt, und das tut er nicht selten. Im Verlauf des Gigs wird der Sound besser, aber nicht gut, wenngleich man in Songs wie dem ruhigeren "Im Dunkel" oder den rockigeren Parts von "Einsamkeit" doch etwas besser erkennt, was sich die Band hier eigentlich gedacht hat. Der zwischen Gebrüll und Gekreisch changierende Sänger artikuliert sich übrigens wie schon zu Mortal-Intention-Zeiten in deutscher Sprache, aber auch das kann man akustisch an diesem Abend allenfalls erahnen, und die Sprechpassagen wirken wie schon früher ein wenig unfreiwillig komisch. So richtig weiß, obwohl Ad-hoc rein stilistisch durchaus nicht schlecht ins Package passen, kaum einer im Publikum was mit dem Quintett anzufangen, und mehr als Höflichkeitsapplaus ist denn auch nicht drin.
Das ändert sich bei Trollfest, die phasenweise mit Sprechchören gefeiert werden. Über ihren Unterhaltungswert hatte sich ja schon Kollege Christian lobend geäußert, der die Truppe vor knapp drei Jahren an gleicher Stelle live erlebte, aber die konkrete Ausprägung fällt an diesem Abend ähnlich semioptimal aus, weil auch hier der etwas verwaschene Sound den Hörgenuß schmälert, obwohl der Soundmensch augenscheinlich Trollfest-Fanatiker ist und hinter seinem Pult oft und gern das Tanzbein schwingt. Freilich ist das Septett mit seinen drei Percussionisten und einem festen Akkordeonspieler auch nicht ganz einfach abzumischen, aber auch hier gehen zu viele Feinheiten verloren, die verdeutlichen, daß Trollfest nicht nur Musikclowns, sondern richtig gute Musiker sind, die in ihren angefolkten Metal alles einzumixen in der Lage sind, was nicht bei drei auf den Bäumen sind, wobei sie weder vor Mariachitrompeten noch vor Britney-Spears-Coverversionen zurückschrecken und in "Ave Maria" auch astreine metallische Choräle zustandebringen, die freilich wie auch alles andere, was die Norweger fabrizieren, ironisch gemeint sind. Die Bühnenverkleidungen sind jedenfalls auch wieder erste Sahne, wobei der eine Gitarrist den Vogel abschießt, indem er zu Corpsepaint einen Helm trägt, auf dem ein auch tatsächlich funktionierender kleiner Propeller befestigt ist. Der Sänger, der zugleich eins der Percussion-Sets bedient, sieht wiederum aus wie eine Mischung aus Slayers Kerry King und ZZ Tops Billy Gibbons, und der ganze Haufen hinterläßt ein feierlustiges Publikum, das mit dem Schaffen der Band überwiegend bereits vertraut zu sein scheint und daher auch entschlüsseln kann, was sich hinter einem Titel wie "Die verdammte Hungersnot" verbirgt, der sich zwischen diverse norwegische Songtitel gemischt hat. Paradigmatisch für das Schaffen ist aber trotzdem ein anderer: "Trinkentroll". Prost!
Equilibrium bringen bekanntlich nur alle Jubeljahre mal eine neue Scheibe heraus - die aktuelle heißt "Erdentempel" und gibt auch das Tourmotto ab, so daß davon auszugehen war, daß sie auch im Set angemessen berücksichtigt würde. Daß der Anteil aber so umfangreich sein würde, hätte man dann doch nicht erwarten können: Das Intro "Ankunft" mitgerechnet, stellt "Erdentempel" gleich neun seiner zwölf Songs für diesen Abend zur Verfügung, lediglich "Heavy Chill", "Stein meiner Ahnen" und "The Unknown Episode" (interessanterweise die drei längsten Songs) erklingen nicht. Das mag manchem Altfan vielleicht nicht so geschmeckt haben, aber erstens sind die neuen Tracks so typisch Equilibrium, wie nur irgendwas typisch Equilibrium sein kann, und zweitens sind die Kapazitäten zu bedenken: Nicht nur der zweite Gitarristenposten mußte neu besetzt werden, auch Bassistin Sandra ist nicht mehr mit von der Partie. Interessanterweise bleibt der Baß aber in weiblicher Hand: Equilibrium haben sich Knorkator-Teilzeitgitarristin Jen "ausgeliehen". Spannender als diese Personalie (sorry, Jen) ist an diesem Abend aber trotzdem die Frage, ob der angeschlagene Dom durchhält - und er schafft es, wenngleich mit Unterstützung: Nach "Waldschrein" bekommt er einen Stuhl auf die Bühne gestellt und bestreitet den größten Teil des restlichen Gigs im Sitzen, aber manchmal packt es ihn dann doch, und er steht wieder auf - ein schönes Beispiel für die Kraft der Musik. Leider dauert es aber auch hier wieder geraume Zeit, bis die zahlreichen Feinheiten zumindest partiell hörbar werden und man beispielsweise akustisch wahrnimmt, daß auch hier ein Keyboard vom Band mitläuft, das durchaus keine unwichtige Funktion wahrnimmt. Und so gerne man einem Könner wie Drummer Tuval Refaeli, kurz Hati, auch zuhört, wie er sowohl geradlinige Powerpassagen als auch komplexe Rhythmusverschiebungen aus dem Handgelenk zaubert, so schade ist es, daß er akustisch zu dominant abgemischt ist. Auch hier bessert sich die Lage im Verlaufe des Gigs etwas, ohne aber wirklich gut zu werden, und speziell bei den folkigen Melodien, von denen es eine ganze Menge gibt, muß man streckenweise ziemlich die Ohren spitzen, um sie herauszuhören, auch wenn zum Tanzbeinschwingen eher selten Gelegenheit bleibt. Trotzdem ist die Stimmung prima, und so kann Sänger Robert (dem ein Tick mehr gesangliche Vielfalt nicht schlecht stehen würde; selbst in Anbetracht des schwierigen Sounds wirkt sein Gekreisch vor dem Hintergrund des detailreichen und vielseitigen Materials auf die Dauer etwas monoton) in seinen Ansagen auch reichlich staubtrockenen Humor einfließen lassen, etwa wenn er als Running Gag sich mehrfach während des Gigs von den Fans verabschiedet oder aber diese dazu animiert, kollektiv "DDR! DDR!" zu skandieren, wozu er gerade am Tag der deutschen Einheit ein Recht habe, da er ja auch ein Ossi sei. Aus dem Publikum wiederum wird häufig "Met" gefordert, und die Band erfüllt diesen Wunsch auch schon relativ früh im Set. Der Rezensent wiederum schätzt die großen epischen (und auch von der Klangtransparenz her an diesem Abend besten) Midtempo-Momente am stärksten, von denen einer im Intro gleich perfekt in den Set einführt und ein weiterer das Finale der Zugabe "Unbesiegt" bildet, wonach das Auditorium im anständig ge-, aber keineswegs überfüllten Hellraiser zufrieden von dannen zieht. Gute Besserung, Dom!

Setlist Equilibrium:
Ankunft (Intro)
Was lange währt
Waldschrein
Freiflug
Uns'rer Flöten Klang
Wirtshaus Gaudi
Met
Skyrim
Wingthors Hammer
Karawane
Der ewige Sieg
Wellengang
Apokalypse
Blut im Auge
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Unbesiegt



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