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Finntroll, Turisas, Alestorm, Arkona, Trollfest, Skálmöld   15.10.2011   Leipzig, Hellraiser
von Christian und Sputnik

Wegen verschiedener Verbremsungen - Arbeit, Suchen, Anstellen an der langen schwarzen Schlange, die länger ist als gedacht - beginnt der vielversprechende Abend beim Heidenfest etwas umständlich. Eindeutige Identifikation des Zielortes trotz Nicht-Auskennens war möglich anhand der sprunghaften Zunahme dunkler Gestalten. Leider verpassen wir wegen der Verspätung fast den kompletten Set von Skálmöld. Draußen beim Anstehen klingen sauber gesungene mehrstimmige folkige Passagen durch, drinnen erwischen wir nur noch den Schluss, der in Heftigkeit zelebriert wird. Positiv - die angenehme Lautstärke. Negativ - der Soundbrei, der bei härteren Songs mit Gitarrenwand keine Unterscheidung von Einzelheiten oder Melodien oder Akkorden mehr zulässt, nur Beat. Das ist wahrscheinlich weniger dem Tonmann anzulasten als dem von der Bühne gelieferten Sound. Drei (!) Gitarren bringen über die PA zwangsläufig Probleme, wenn alle drei drücken wollen. Dem Publikum gefällt's. Das Hellraiser ist richtig ordentlich gefüllt, nicht unangenehm, aber proppevoll, schon jetzt. Die Isländer vermitteln sichtlich Spaß, ein breit grinsender Bassist, ein selig schunkelnder Keyboarder und Hornbrillen auf den Nasen transportieren weniger den finsteren und eiskalten Wikinger-Charme, dafür aber Spielfreude und die ehrliche Begeisterung über den vollen Saal, der schon beim Billing-Opener steil geht.
Die 6 Bands benutzen weitgehend die gleiche Backline, daher geht der Umbau erfreulich flott vonstatten. Sehr sympathisch bei so einer kleinen Clubmugge - die Musiker machen den Soundcheck selber, nicht irgendwelche Roadies, weil die Herren Künstler sich erst bei Konzertbeginn mit Tamtam zeigen wollen.
Die nächste Band Trollfest macht sodann ihrem Namen optisch alle Ehre und es kommt tatsächlich eine Horde wilder Trolle auf die Bühne. Die Band ist wunderschön zurechtgemacht, der Schlagzeuger sieht aus wie ein Ruhrpott-Kohle-Bergarbeiter, die übrigen Herren haben sich mit Fellen behängt und ebenfalls dreckig gemacht. Der genialste Effekt kommt durch die schwarzgemalten Zähne. Der Bassist hat sich ein Klavier in den Mund gemalt, der linke Gitarrist hat nur einen einzigen Zahn weiß gelassen. Und beim zwangsläufigen Grinsen - der Spaß regiert heute eindeutig - nimmt man den lustigen Musikanten tatsächlich ihre nicht-menschliche Herkunft ab. Der Sänger schließlich erscheint als Bierflasche verkleidet. Eine Reminiszenz an ein Getränk, was nicht nur Trollen zusagt. Haben wir uns sagen lassen.
Die Norweger liefern wie auch ihre Vorgänger eine ordentliche Portion Dunst ab und hinterlassen staunende Gesichter im Publikum, wie schnell sich eine Bierflasche auf der Bühne bewegen kann. Die gekonnten Einsätze des Saxophontrolls, welcher sein Instrument aber so gar nicht pflegt, und ein Akkordeontroll geben dem akustischen Geschehen den angenehmen Drive, den sonst nur Omas Volksmusik zu bieten hat. Erklärte Absicht bei Trollfest ist, echte Instrumente statt Synthesizern und Samples zu verwenden. Leider kommt das wegen immer noch nicht optimalen Sounds nicht rum. Macht nichts, Trollfest heizen die Stimmung weiter hoch. Die Band zeigt sich als Live-Granate und kommt hervorragend an.
Kurzer Umbau, und nun Arkona. Wer die Tonträger kennt, entdeckt dort vielfältigen Gesang. Tiefstes Grunzen, Rock'n'Roll-Gebrüll, weichen weiblichen Klargesang und leirig-klagenden Russisch-Folk-Vortrag. Wer die Band live sieht, stellt bestürzt fest, daß all diese Klänge aus dem kleinen blonden Persönchen Masha kommen. Die Sängerin gebärdet sich wahrlich wie ein Berserker, schlägt auf ihr fellbehangenes Perkussions-Gedrürps am Mikroständer ein, wetzt bald nach links, bald nach rechts, behangen mit einem Wolfs-Winterfell. Möglicherweise nicht echt, wobei ein echtes im tiefen Russland wahrscheinlich billiger ist als ein nachgemachtes. Und die Instrumentierung - eine Gitarre, ein Bass, Drum und einmal jeweils verschiedenste Flöten oder Säcke - lässt dem Mixer Raum, alles transparent nach vorne zu mischen. Es zeigt sich - es geht! Diesmal klingt's richtig gut. Und es dauert nicht lange und Arkona haben das Hellraiser komplett im Sack. Vor lauter hochgereckten Pommesgabeln sieht man kaum was, die Begeisterung reicht vom Bühnenrand bis zur Ausgangstür. Der Saal kocht. Diese Band hat eindeutig Headliner-Qualitäten, hier stimmt alles. Hoffentlich schaffen's Arkona bis nach ganz weit oben.
Von allen Piraten auf hoher See waren es noch immer die schottischen, nicht die aus Hollywood, welche den größten Schrecken verbreiten. (Wuzz? Der andere Rezensent) Und ganz vorneweg waren es Alestorm, welche diesen (nicht) stürmischen Abend im Hellraiser die Anker werfen ließ und den Leipzigern und eigens angereisten kielholen ließen. (Noch wuzzer?? - d.a.Rez.) Die Keys klingen wie Piraten-Filmmusik - vorhersehbar und somit ein bissl langweilig ... außerdem hab ich grad meine Currywürstchen verloren. (Ah so. - d.a.Rez.)
D.a.Rez. (= der andere Rezensent): Alestorm können den Stimmungspegel tatsächlich leider nicht ganz halten. Zwischen den weitgereisten Nordmännern und Nordfrauen, die neben dem ganzen Geklapse aber eben auch authentisch wirken, sind die Schotten mit ihrem zwar klangverwandten Programm trotzdem irgendwie deplatziert. Tröstlich muss gesagt werden, daß auch keine der weiteren Bands es schafft, den Stimmungspegel von Arkona zu erreichen. Äußerst erfrischend ist an diesem Abend, daß niemand sich hier allzu ernst nimmt. Die inhaltliche Sortierung von Bands in thematische Kleinfestival-Touren wie das Heidenfest funktioniert ganz hervorragend. Finstere todeswillige Black-Metaller würden in der angeheizten Horde im Hellraiser gnadenlos plattgefeiert. Und so macht selbst ein Frontmann mit Umhänge-Keyboard (absolut einzigartige Präsentation) allen Spaß. Die Band feuert aus allen Rohren, die Reaktionen sind entsprechend der Feierlaune gut.
Man merkt inzwischen schon, daß der Tonmann bei jeder Band ein kleines bißchen lauter dreht. So optimal wie bei Arkona wird der Ton nicht mehr. Ich reite hier so auf dem Ton rum, weil ich es schade finde, daß gerade bei solcher Musik, die akustische Instrumente enthält, der Gast nichts davon hört, wie sich oben auf der Bühne einer abgniedelt. Turisas sind dann gerade noch ok von der Lautstärke her, die Kommunikation mit dem Publikum stimmt, das Stimmungslevel von Arkona kann wieder nicht erreicht werden, aber die rot-schwarz gestreiften Krieger sind optisch und musikalisch überzeugend. Publikum und Rezensenten vergeben ein "GUT".
Die letzte Band macht den dunklen Reigen dieses Abends komplett. Seit geraumer Zeit treibt sie ihr Unwesen in den Weiten Finnlands und ihre Platten gehören in jede Sammlung. Schwarzbepinselt-finster, als seien sie soeben erst aus dem Unterholz gekrochen, erstürmen Finntroll die Bühne und drehen nochmals am abendlichen Härtegrad. Neben feinstem knochenharten Blackmetal-Geastel und -Geknüppel immer wieder erfrischende Off-beat-Einlagen und neckische Melodien. Ein ordentliches Stück Finnland haben sie mitgebracht mit alten und neuen Nummern. Auf den großen Festivalbühnen wirkt die Band immer eher deplatziert, unwohl, enttäuschend statisch und unbeteiligt. Im Club benehmen sich die Kerle plötzlich wie eine richtig gute Heavy-Metal-Band. Und es geht ab, das Publikum setzt alle letzten Reserven frei, bisses nich mehr kann.
Der Schalldruckpegel ist im Lauf des Abends beständig gestiegen und sorgt inzwischen auch auf der Bühne für dauernde Rückkopplungsorgien. Tut weh im Ohr, tut dem Klanggenuss Abbruch, tut nicht not. Was soll das?
Trotzdem: Insgesamt ist das Heidenfest ein Heidenspaß. Die Anzahl der Bands mag zunächst stutzig machen, kurze Umbauzeiten und vernünftige Längen der Sets sind jedoch stimmig und passend. Heidenfest 2012 - gerne wieder!

(die vergnügten Sputnik und Meisenmann, kurz S & M)



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