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Endstille, Ondskapt, Koldbrann   05.04.2014   Leipzig, Hellraiser
von ta

ENDSTILLE mit zwei relativ kleinen Spartenbands im großen Hellraiser? Skeptisch komme ich um 20:50 Uhr am Hellraiser an, um dort gleich zwei Überraschungen zu erleben. Zunächst spielen KOLDBRANN schon, obwohl der Konzertbeginn für 21 Uhr angesetzt war - und sie spielen bereits seit 20 Minuten, wie mir mitgeteilt wird. Das ist ärgerlich und wie bereits diverse Male von unserem Cheffe auf diesen Seiten festgestellt, ist es auch kein Einzelfall. Die zweite Überraschung ist der Austragungsort. Die Band spielt nicht auf der großen Hauptbühne, nicht mal im eigentlichen Veranstaltungssaal, sondern in einem kleinen Eckraum, der maximal 150 Leute fasst, dessen nahezu ebenerdige Bühne so klein ist, dass die fünf Personen gerade so draufgehen, und der relativ mittig direkt vor der Bühne auch noch eine Säule von 1qm Grundfläche stehen hat, die als Sichtschutz und Publikumsteiler fungiert, was bei einem derart kleinen Raum natürlich ein Witz ist.
Also, ich kam, hörte und ärgerte mich. Und dennoch wurde es ein toller Abend.

Denn die erste positive Überraschung folgte bei Fuß und das waren Koldbrann selbst, die einen großen Schritt nach vorne gemacht haben. Koldbrann sah ich das letzte Mal auf dem PartySan 2008 und die beschmierten Bubis, die sich dort reihenweise verspielten, sind anno 2014 Vergangenheit. Das musikalische Ausrufezeichen, welches die Band im vergangenen Jahr mit der weitsichtigen und experimentellen "Vertigo"-Scheibe gesetzt hat, ist nahtlos auch aufs Bühnengeschehen übertragbar: Koldbrann spielen supertight, konzentriert, engagiert und der räudige Charme ihrer Anfangstage hat einer neuen Spielfreude Platz gemacht, die ungewöhnlich für eine Black-Metal-Band ist, aber überzeugt. Außerdem ist der Sound - auch das ist bei Black Metal live alles andere als selbstverständlich - fantastisch. Ergebnis ist ein mitreißendes (halbes) Set, das mit "Djevelens Treskeverk" von "Moribund" und dem poltrigen "Fortapelse I Svovel Og Helvetesild" vom Debüt einen versöhnlichen Abschluss auch für die Fans der "alten" Koldbrann findet.
Ondskapt halten das Niveau. Sie sind nicht ganz so bewegt wie Koldbrann, haben auch weniger Rock im Sound und sind dafür düsterer und okkulter. Sie stinken wie die nicht nur sprichwörtliche Sau, denn ihre Körper glänzen von altem Schweineblut. Und das Gestänk passt in diesen dunklen Sound, in diesen verschwitzten Abend, in diese kleine Location, wo es kein Entrinnen gibt. Vor den Boxen wurden der Mini-Bühne zum Trotz große Aufsteller mit Pentagramm platziert, was prompt dazu führt, dass das Klangbild wieder diffuser ist. Aber er reicht völlig, um den kraftvollen Schwedenstahl der Band in all seinen Stärken zu repräsentieren. Ob langsam und episch wie in "A Graveyard Night", kraftvoll wie in "Feeding The Flames" oder hastig wie in "Arisen From The Ashes", Ondskapt überzeugen auf ganzer Linie, wozu maßgeblich die wahrhaft fürstlichen Riffs beitragen, bei denen Rhythmus- und Leadgitarre sich gekonnt zu einer Einheit verweben. Zudem verleiht Drummer Eric Ljung den Songs einen enormen Drive und zaubert diverse versierte Details in sein Spiel. Der absolute Oberhammer des Sets steht ganz am Ende: "Djävulens Ande", der Opener vom Debüt "Dödens Evangelium", fräst sich mit manischem Geschrei, monotonem Groove und bergeweise göttlicher Riffs tief in meinen kontrolllos zuckenden Leib. Ungelogen, das ist einer der geilsten Black-Metal-Songs ever.
Endstille mag ich nicht übermäßig, hänge die Latte meiner Erwartungen also tief und die Band hüpft mit viel Abstand unterm Gesäß locker drüber. Nicht schlecht. Endstille glänzen inzwischen (und das hat lange gedauert) mit gutem Zusammenspiel und haben ihre Live-Show angenehm aufgelockert, wozu insbesondere der relativ neue Gitarrero B. Killed beiträgt, der nicht nur mit arschlangen Rastas eine für diesen Stil ungewöhnliche Optik mitbringt, sondern auch viel mit dem Publikum in den vorderen Reihen interagiert. "Vordere Reihen" ist natürlich bei einer Gesamtanzahl von maximal 120 Zuschauern ein Euphemismus, aber gerade in der Publikumsnähe liegt an diesem Abend Potenzial, das die Band gut zu nutzen weiß - Bierteilen, Händeschütteln, Posen für Fotohandys und Reagieren auf Zwischenrufe wird mit immer mehr fliegenden Matten belohnt. Musikalisch gibt es das erwartete Durchschnittspaket: Auf Platte bereits schwer zu dechiffrieren, sind die Gitarren live ein einziges dissonantes Surren. Die neueren Songs nehmen im Laufe des Sets immer mehr zu, soll heißen: das Tempo immer mehr ab, und erst gegen Ende kriegen Endstille die Kurve und hauen mit "Sick Heil" und "Frühlingserwachen" sowie im Zugabenteil "Endstilles Reich" und "Navigator" nochmal ordentlich auf die Kacke. Ergebnis: Oberflächlicher als die beiden Vorgängerbands, aber dennoch absolut souverän.

Ich kam, hörte und ärgerte mich - nur, um zu lernen bzw. wieder zu lernen, welche Kraft und Spannung bei den richtigen Bands in intimen Club-Gigs liegen kann. Hut ab an die Bands, Hut ab ans Hellraiser: So muss Black Metal live sein.



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