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Münchener Freiheit   17.11.2012   Altenburg, Kulturhof Kosma
von rls

Hatte sich die Münchener Freiheit über das Jahr 2012 hinweg mehr oder weniger auf Einzelgigs, oft open air, konzentriert, so standen im November noch drei Gigs am Stück in den neuen Bundesländern auf dem Programm, deren letzter an diesem kalten Novemberabend stattfand und den Liveabschluß anno 2012 bilden sollte. Mit Spannung wartete man auf die Beantwortung zweier Fragen: Wie sieht die Besucherzahl in einer Mittelstadt mit unterdurchschnittlichen Einkommen wie Altenburg angesichts der nicht gerade niedrigen Eintrittspreise (die sich für den Saal bei über 30, für die VIP-Plätze auf der Saalempore gar bei über 50 Euro bewegen) aus, und wie hat sich der neue Sänger Jörg-Tim Wilhelm, der im Juli in Wurzen noch nicht so richtig überzeugen konnte, aber im August in Mittweida eine Aufwärtstendenz erkennen ließ, im seither vergangenen Vierteljahr entwickelt?
Fangen wir mit der ersten Frage an: Die Hütte ist überraschend voll - nicht bis zum Bersten, aber doch sehr ordentlich. Und das Publikum erweist sich auch als hochgradig feierfreudig und zudem textsicher. Hier erweisen sich die überschaubaren Maße des Saales als klarer Vorteil: Während open air oder in großen Hallen wie der Stadthalle Chemnitz der Publikumsgesang immer im weiten Raum zu verhallen droht, entwickelt sich in Kosma ein beeindruckender Chorgesang, der seine größten Ausmaße in "Herz aus Glas", "Herzschlag ist der Takt" und erstaunlicherweise auch "Es gibt kein nächstes Mal" erreicht, von den von vornherein als Mitsingparts angelegten Teilen im zweitgenannten Song, "Ohne dich (schlaf' ich heut' nacht nicht ein)" und der finalen Instrumententauschzugabe mal abgesehen. Die Stimmung ist also prächtig, und der Rezensent, der die Band in den letzten Jahren ein gutes Dutzend Male live gesehen hat, kann konstatieren, daß es die beste ist, die er auf diesen Gigs miterleben durfte.
Diffiziler ist die zweite Frage zu beantworten. Nach anfänglichen Soundproblemen in "S.O.S." findet der Mischer ab Song 2, "Tausendmal Du", eine instrumentenseitig hervorragende Balance (nur gegen Setende hin beginnen die Keyboards akustisch etwas in den Hintergrund zu treten), wohingegen Tims Gesangsmikrofon durchgängig einen Tick zu leise eingestellt ist. Das führt dazu, daß man ihn in den solistisch gesungenen Passagen gut hört, die chorisch mit Aron und Micha gesungenen Teile aber deutlich schwerer beurteilen kann. Bleiben wir also bei den erstgenannten - und da zeigt der Daumen ganz klar nach oben: Offenbar hat der Bursche in den letzten Monaten intensiv an sich gearbeitet, denn die Treffsicherheitsprobleme, die in Wurzen vor allem diverse Höhen nachhaltig verhagelten, sind an diesem Abend so gut wie verschwunden. Klar, er klingt immer noch anders als Stefan Zauner, und dessen frühere spielerische Leichtigkeit in den Höhen kann er (noch?) nicht reproduzieren, aber er bietet auf seine Art eine starke Leistung nahezu ohne Ausfälle. Als zentraler Problemfall bleibt eigentlich nur noch "Tausend Augen", und damit ist nicht die sicherlich ungewollte Textvariation dieses Abends gemeint, sondern der Fakt, daß die Stimme in den letzten Höhen vor dem Refrain immer noch nach unten wegschmiert. Alles andere funktioniert teilweise exzellent, und zudem beginnt die Band, auch Tims instrumentale Fertigkeiten schrittweise mit einzubauen: In "Tausend Augen" und "Liebe auf den ersten Blick" spielt der Sänger wie weiland Zauner akustische Zweitgitarre, und im zweitgenannten Song merkt der Mischer das dann auch und stellt das Instrument so ein, daß man es auch hört. Tja, und dann wäre da noch der Showeffekt zu behandeln: Tim hat enorm an Selbstsicherheit gewonnen und sich zu einer richtigen Rampensau entwickelt, sprintet kreuz und quer über die Bühne, setzt oder stellt sich auch mal neben Rennie, verkneift sich positiverweise wie schon in Mittweida eine Bemerkung vor Alex' Keyboardeinleitung zu "Sommernachtstraum" und feuert oft (vielleicht nach wie vor einen Tick zu oft) zum Mitklatschen und -winken an. Das letzte Quentchen Souveränität in dieser Beziehung wird er sicher mit weiter zunehmender Routine noch gewinnen, wozu dann auch das Erkennen gehört, daß man in "Ich steh' auf Licht" nicht im halben Tempo zum Mitklatschen auffordern sollte, wenn das Publikum schon fleißig im vollen Tempo mitklatscht ...
Die Setlist entspricht weitgehend der aus Wurzen (heißt: Es gibt noch keine neuen Songs), allerdings verzichtet die Band auf "Rumpelstilzchen" und auch auf ein Intro - es kommen einfach alle fünf auf die Bühne, und los geht's. Und alle Beteiligten haben hörbar viel Spaß an der ganzen Sache. Arrangementseitig gibt es mal wieder ein paar kleine Veränderungen - so versieht Aron die Einleitung zum letzten Teil des Hauptsolos in "Sommernachtstraum" mit einem neuen Gitarrenlick. Als Problemfall bleibt nur erneut "So lang' man Träume noch leben kann", das wieder mal in einer veränderten Bandfassung im Hauptset steht, diesmal aber überhastet wirkt und durch die zu sehr im Hintergrund stehenden Keyboards noch eines weiteren Effekts beraubt wird. Vielleicht rafft sich die Band anno 2013 doch wieder dazu auf, die erstklassige Outro-Lösung von der "Ohne Limit"-Tour aufzugreifen. Laut Rennies Worten, daß man an diesem Abend zum letzten Mal "I Love Rock'n'Roll" als finale Instrumententauschzugabe spiele (übrigens traut sich Tim als Drummer hier auch immer mehr und spielt Fills, die Zauner nie gespielt hätte), dürfte auch hier anno 2013 mit einer Neuerung zu rechnen sein. Die Wunschliste des Rezensenten: "All Right Now" oder "Rockin' All Over The World" als Wiederbelebung von 1998 bzw. 2001 - oder etwas Neues, vielleicht "Smoke On The Water" oder "Rock And Roll" oder "Thunderstruck" oder ... Man sieht sich! www.muenchener-freiheit.eu hält den Interessenten über neue Termine auf dem laufenden.



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