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Der Familie Popolski   18.10.2012   Leipzig, Werk 2
von rls

"Das ist alles nur geklaut", wußten schon Die Prinzen und drehten ein wunderbares Video zu diesem Motto, in dem sie u.a. als Queen, ZZ Top oder Kiss auftreten. Achim Hagemann aka Pawlik Popolski fährt ein ähnliches Konzept, indem er die besagte Familie Popolski ins Leben rief. Deren Großvater hatte der Fama nach 128.000 Popsongs komponiert, aber diese wurden ihm von Tausenden und Abertausenden anderer Interpreten gestohlen, und um jetzt der Geschichte Recht widerfahren zu lassen, haben seine Enkel die Band Der Familie Popolski gegründet, mit der sie einige dieser Songs in ihren "Originalversionen" darbieten, die meist (aber nicht immer!) irgendwas mit Polka zu tun haben. Aber die geistige Übertragung beschränkt sich nicht aufs Feld der Musik, sondern etwa auch die Filmkunst, der sich einige Bandmitglieder befleißigten, was dann Filme wie "Apolkalypse Now" erbrachte.
Soweit zur Theorie - den Beweis, daß dieses Konzept über zwei Stunden Nettospielzeit tragfähig füllen kann, tritt die neunköpfige Truppe seit einigen Jahren auf den deutschen Bühnen an, so auch an diesem Abend in Leipzig. Die Rolle des Moderators füllt dabei der erwähnte Pawlik Popolski aus, aber der spielt Schlagzeug - ergo machen sich besondere Maßnahmen notwendig: Das Drumkit steht nicht wie üblich hinten in der Bühnenmitte, sondern rechts vorn am Rand (der Leipzig-Konzertgänger konnte das schon beim Tarja-Gig anderthalb Jahre zuvor gesehen haben, wobei Mike Terranas Positionierung an dieser Stelle allerdings andere Gründe hatte), und zudem überträgt eine kleine Schwarzweiß-Kamera das Bild des ansagenden Schlagzeugers auch noch auf die Leinwand hinter der Bühne, wo ansonsten u.a. auch alte Familienbilder eingeblendet werden, u.a. von einem Besuch Elvis Presleys in der Plattenbauwohnung der Popolskis, der natürlich musikalische Spuren hinterlassen hat: Elvek Popolski singt einige durch den großen Freund der Familie popularisierte Kompositionen wie etwa "Heartbreak Hotel". Den Rest der Vocals teilen sich im wesentlichen Keyboarder Danjek und die "Lady In Red" Dorota Popolski, dazu kommen ein Gitarrist, ein Bassist, ein vom Sound dieses Abends arg benachteiligter Akkordeonist und die angeblich eineiigen Zwillinge Hanjek und Stanjek Popolski, die mit recht dominant abgemischten Trompeten und Posaunen der Gesamtmixtur einen nicht zu verkennenden Ska-Touch verleihen und mit ihren pseudosynchronen Bewegungen auch optisch noch für den einen oder anderen Lacher gut sind. Dazu kommen einige Insidergags, etwa wenn Gitarrist Mirek Popolski den Gitarrenhelden spielt und mit einer dreihälsigen Gitarre auf die Bühne kommt (solche verwendete Steve Howe bei Yes in den Siebzigern wirklich!), im Cover des Schlumpfliedes dann aber nur auf dem mittleren Hals spielt. Als Running Gag zieht sich die "gewerkschaftlich verordnete" Wodkapause alle fünfzehn Minuten durch den Set, der in einigen textlastigeren Passagen kurz vor der Grenze zur Langatmigkeit steht, aber über weite Strecken doch bestens zu unterhalten weiß, wobei sich der Komikfaktor der Songs nochmal potenziert, wenn man die Originale kennt, wobei man dann ein recht breites Spektrum zwischen Howard Carpendales "Hello Again" und dem als letzte Zugabe gespielten "What's Going On" der Four Non Blondes im Ohr behalten muß. Ihr Meisterstück liefert die Band allerdings mit "Ein bißchen Spaß muß sein" ab - als Blues, stilecht in Molllll grollllllend und in dieser Fassung schreiend komisch. Viele andere Umsetzungen enthalten Polkaelemente und fallen durchaus tanzbar aus, wobei die Publikumsdichte in der vorderen Hallenhälfte ausladendere Tanzaktivitäten verhindert, während weiter hinten durchaus Raum vorhanden ist. Nicht im Set steht leider die extrem entschleunigte Fassung von "The Final Countdown", die ein wenig an den Dekonstruktivismus erinnert, den Hellsongs bei ihren "Lounge Metal"-Versionen bisweilen an den Tag legen. Aber auch so entsteht ein unterhaltsamer Abend, für dessen Klischeeelemente Chefdenker Hagemann zwar in patriotischen polnischen Kreisen gesteinigt würde, was aber andere Kreise dann wiederum als Kriterium für die Qualität der Show anzusehen geneigt wären.



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