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Subway To Sally, Nachtgeschrei   30.10.2011   Leipzig, Werk 2
von rls

Einen stilistisch passenderen Supportact als Nachtgeschrei hätten Subway To Sally wohl kaum finden können - "back to the roots" heißt das Motto, als man die Potsdamer im letzten Jahrtausend noch gemeinsam mit Skyclad erleben konnte. Nachtgeschrei spielen nämlich Folkmetal, wie er ursprünglich mal gedacht war, und man glaubt zudem durchzuhören, daß sie sich dieser Mixtur nicht aus der Folk-, sondern aus der klassischen Metalrichtung nähern, wie es eben seinerzeit auch Skyclad taten. Die hatten damals aber keine Drehleier am Start, und auch der Nachtgeschrei-Gesang (welch Wort!) hat mit Martin Walkyier herzlich wenig zu tun - die Parallelen beziehen sich eher auf die grundsätzliche Herangehensweise. Die Hessen haben ihren Set offensichtlich pünktlich begonnen - jedenfalls verpaßt der kurz nach 21 Uhr eintreffende Rezensent den Opener "Ad astra". Daß das neue, mittlerweile dritte Album "Ardeo" keinen kleinen Anteil des Sets stellen würde, war abzusehen, aber mit "Glut in euren Augen" oder dem titelgemäß harten "Niob" wird auch der Albumvorgänger "Am Rande der Welt" bedacht (eine weise Auswahl, denn diese beiden Songs gehören zweifellos zu den stärksten des Albums, wenngleich auch die beiden anderen Beiträge "Herz aus Stein" und "Fernweh" nicht von schlechten Eltern sind) und auch das Debüt "Hoffnungsschimmer" mit "Der Meister" und dem epischen Setcloser "Windstill" nicht vergessen. "Herzschlag" hat kein "ist der Takt" angehängt bekommen, stellt also kein Cover der Münchener Freiheit dar, obwohl die Idee keineswegs abwegig erscheint und die Tanzwut im Publikum durchaus auf hohem Niveau halten könnte. Selbst Akkordeonklänge bauen Nachtgeschrei gekonnt in ihren Sound ein, ohne daß es kitschig klingt, und wenn man über einige, naja, gewagte Dichtungen hinwegsieht, kann man ihnen generell keinen Strick drehen, außer eben dem, daß sie absolut nichts Neues machen. Das, was sie machen, das machen sie aber in guter Qualität, und so ernten sie vom Publikum denn auch sehr positive Resonanzen, wenngleich der Sänger mit seinen pathetischen Dankensworten vielleicht ein klein wenig zu aufdringlich rüberkommt. So richtig stört sich daran aber niemand, und so herrscht gute Stimmung, befördert übrigens durch ein fast glasklares und nicht überlautes Soundgewand.
Setlist Nachtgeschrei:
Ad astra
Herz aus Stein
Räuber der Nacht
Niob
Glut in euren Augen
Herzschlag
Der Meister
An mein Ende
Fernweh
Windstill

Subway To Sally hatten noch im letzten Jahrtausend begonnen, sich als eine Art "Rammstein auf Folk" zu positionieren. Das kann man mögen oder auch nicht - nicht verkennen sollte man aber auch als Altfan, daß auch in dieser jüngeren Phase manch songwriterischer Geniestreich der Potsdamer zu verzeichnen ist. Das ist auch auf dem neuen Album "Schwarz in Schwarz" nicht anders, wie man spätestens nach Song 2 der Setlist, dem dramatischen "Schlagt die Glocken", bemerkt haben sollte. Aber noch etwas anderes hat man bemerkt, und das hängt vielleicht latent mit der aktuellen Stilistik zusammen: Der Soundmensch wählt fast bis zum Ende des regulären Sets ein nur partiell differenziertes und leider auch überlautes Soundgewand. Die Höhen kommen schön klar rüber, sowohl die Leadgitarren als auch Frau Schmitts Geige, ebenso Erics Gesang (der allerdings früher schon mal überzeugender war), der Dudelsack und drumseitig die Snare. Darunter liegt aber leider ein eher mulmiges Etwas, das im wesentlichen aus Bassdrums, Baß- und Rhythmusgitarre besteht und lange nicht so viele Einzelheiten erkennen läßt, wie man sich das wünschen würde. Das ist schade - und genau das war früher, im letzten Jahrtausend, anders, auch hier im Werk 2 übrigens (auch wenn damals in der Halle A die Bühne noch auf der anderen Seite stand und die Räumlichkeit etwas anders strukturiert war). Die Rammstein-Anhänger in der Halle, also etwa die hübsche große Dunkelhaarige rechts vor dem Rezensenten, shirtseitig als Member der Rammstein Community ausgewiesen und gleich mit den offensichtlich ebenfalls STS-begeisterten Eltern anwesend, stört das offensichtlich nicht, aber vielleicht haben selbst die den Unterschied zu den letzten zwei, drei Songs und dem Zugabenblock bemerkt, wo urplötzlich differenziertere Tiefen zu hören sind. Sei es, wie es sei: Subway To Sally spielen logischerweise ihre ganze Liveroutine aus, bekommen trotz durchaus eng gefüllter Hallenvorderhälfte noch einen Circle Pit serviert und bedanken sich mit einem Set, der fast alle der nicht wenigen Alben der Band berücksichtigt, aber zwangsweise den einen oder anderen Wunsch offen läßt - der Rezensent etwa freut sich über "Mephisto" und vermißt "Die Schlacht", wohingegen er auf "Falscher Heiland", die komischen Betonungen in "Eisblumen" und das knapp postpubertäre "Julia und die Räuber" durchaus hätte verzichten können. Mit letzterer Meinung steht er freilich allein im Saal, denn mit dem Shouten von dessen Haupttextzeile fordert das Publikum auf STS-Gigs gemeinhin die Zugaben ein und bekommt als Setcloser den zugehörigen Song natürlich auch geliefert, bei dem man sich auch als Altfan verzweifelt fragt, was so toll oder kultig an ihm ist. Aber das Problem hatte der Rezensent auch schon bei "Fliegen" von Woodencross und hat es noch mit Pink Floyds "Another Brick In The Wall Part 2", insofern ist das vielleicht nicht unbedingt repräsentativ für die breite Masse. Die wahren Highlights aber finden sich woanders - im ekstatischen "Veitstanz" beispielsweise, wenn man was Altes nennen will, oder im geschickt zwischen fast thrashigen und ruhigeren Parts pendelnden "Wo Rosen blüh'n". Und den Gipfel des Schaffens markiert erstaunlicherweise kein Oldie, sondern ein Track vom aktuellen Album "Schwarz in Schwarz": der Setcloser "MMXII", eine schleppende Epikwalze, mit der Subway To Sally weit in den Postrock, vielleicht sogar in den Doom vorstoßen und dort eine exzellente Figur machen, live noch unterstützt durch eine exakt choreographierte Lichtshow, die in anderen Songs allerdings auch mal etwas zuviel des Guten darstellt. So bleibt nach zwei Stunden irgendwie ein zwiespältiger Eindruck zurück, dem bei Gelegenheit eine Analyse folgen müßte, wie das neuere Material bei richtig klarem Sound wirkt.
Setlist Subway To Sally:
Kämpfen wir!
Schlagt die Glocken
Tag der Rache
Unsterblich
Mephisto
Die Trommel
Das schwarze Meer
Wo Rosen blüh'n
Eisblumen
Lacrimae '74
Feuerkind (Akustisch)
Mir allein
Böses Erwachen
Wenn Engel hassen
Nichts ist für immer
Besser du rennst
Tanz auf dem Vulkan
Kleid aus Rosen
MMXII
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Medley: Sieben/Ohne Liebe/Veitstanz
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Falscher Heiland
Julia und die Räuber



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