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Petra, Tobias Hundt Band   01.05.2011   Pohlheim, Volkshalle
von rls

Eigentlich hatten Petra anno 2005 "Farewell" gesagt und das auch mit einem gleichnamigen Livedokument untermauert - aber lange haben die Herrschaften das untätige Herumsitzen auch nicht ausgehalten. Die Reunion zwar nicht in Originalbesetzung, aber doch zumindest in einem klassischen Line-up aus der ersten Hälfte der Achtziger erbrachte das programmatisch betitelte, mehr oder weniger neue Studioalbum "Back To The Rock" und auch eine Tour in der Alten Welt, wobei kurioserweise nur ein einziger Deutschlandgig zustandekam, obwohl danach noch einige Day-Offs zur Verfügung gestanden hätten. Und selbst dieser Deutschlandgig war nur der beherzten Intitiative des Ehepaares Watz und seiner Veranstaltungsagentur zu verdanken gewesen, für welche Gelegenheit ihnen der Freund traditioneller Rockmusik dankbar sein sollte.
Eine Gelegenheit hatte auch Tobias Hundt bekommen: Er durfte mit seiner vierköpfigen Begleitband das Konzert eröffnen und tat das in durchaus unterhaltsamer Weise, wenngleich die Mixtur aus etwas klassischer Rockmusik und ein paar modernen Zutaten bei Lichte betrachtet nicht wirklich als originell einzustufen ist. Aber die sechs gebotenen Songs funktionierten in ihren Livefassungen als unterhaltsame Rocker zweifellos, wobei "Nie mehr zurück" etwas hervorstach, zum einen durch seinen überwiegend getragenen Grundbeat, zum anderen durch seinen epischen Anstrich, der manchmal durchaus die Grenze zum heutzutage ja sehr beliebten ausladenden Postrock überschritt. Im Direktvergleich dazu wirkten Songs wie "Gnade" noch etwas zu, sagen wir, gewöhnlich, um sich auf lange Sicht im Gedächtnis des Hörers festzusetzen. Die Instrumentalisten verstanden ihr Handwerk, und der Bandnamensgeber selbst, der sein Projekt von eher liedermacherartigen Klängen (erstes Album) zur Rockband (zweites Album, Jetztzeit) aufgerüstet hat und häufig zu einer Akustikgitarre griff, die man im nicht sehr druckvollen, aber gut ausbalancierten Sound sogar hören konnte (wohingegen dem Keyboard etwas mehr akustischer Spielraum hätte zugewiesen werden können), überzeugte auch mit sauberem Gesang. Zudem verstand er es, das Publikum mit diversen Gesangspassagen (auch wenn's nur Ohohos waren) in die Show einzubeziehen; allerdings hätte er, wenn er sich in den Ansagen etwas kürzer gefaßt hätte, in seiner Gesamtspielzeit locker noch einen Song mehr unterbringen können. Gerade die "Knastgeschichte" vor "Gnade" hätte nicht sein müssen, zumal ihre Pointe ("Es ist auch Gnade, wenn man gleichzeitig singen und Gitarre spielen kann") nun nicht gerade eine weltbewegende Erkenntnis transportierte. Das Publikum war insgesamt dennoch zufrieden und honorierte den Auftritt mit reichlich Applaus.
Petra-Chefdenker Bob Hartman hatte vor dem Gig reichlich alten Stoff in der Setlist versprochen, der zudem nicht wie sonst üblich in Medleyform zusammengefaßt würde - und er hielt Wort. Vom Titelsong des neuen Albums abgesehen, der aber gar nicht so konsequent "back to the rock" marschierte, wie man das hätte erwarten können (da polterte "Jekyll & Hyde", der Titeltrack des Albumvorgängers, deutlich mehr), rekrutierte sich der Set nämlich ausschließlich aus Material der Ära Volz am Gesangsmikrofon, also der ersten Hälfte der Achtziger. Und genau dieser Greg X. Volz stand anstelle seines damaligen Nachfolgers John Schlitt an diesem Abend auch am Frontmikro, kam, sah und siegte. Was dieser Mann in seinem gesetzten Alter noch an Höhen erreicht, ohne hilflos zu wirken, nötigte allerhöchsten Respekt ab. Auf dem "Farewell"-Album hatte er als Gast ja schon das Akustikmedley eingesungen, an diesem Abend aber bewies er, daß er auch noch rocken kann und ganz offensichtlich jede Menge Spaß dran hatte - kleines showeffektives Detail: An etlichen strategisch wichtigen Stellen hatte der Drummer einen Hi-Hat-Schlag in Generalpausen einzuwerfen, und genau an diesen Stellen drehte sich Greg zum Drumkit und verteilte einen Fußtritt in dessen Richtung, als ob er den Schlag nochmal verstärken wollte. Wenn man einen Kritikpunkt anbringen wollen würde, dann vielleicht seine etwas ausufernden evangelikalen Ansagen. Das Publikum dürfte sich zu den allergrößten Teilen sowieso aus treuen Parteigängern der christlichen Rockmusik zusammengesetzt haben, die man nicht mehr missionieren mußte, und da hätte es ein dosierterer geistlicher Input auch getan, so wie es der Bassist in seiner sehr persönlichen Ansage zu "Grave Robber" perfekt demonstrierte. In ähnlich perfekter Weise sorgte er übrigens - stellenweise in Tateinheit mit dem Keyboarder - für die Backing Vocals, während sich Hartman diesbezüglich fast komplett aus dem Geschehen nahm (immerhin war er in der Urbesetzung der Band auch Leadsänger gewesen, hatte aber bald erkannt, daß seine gesanglichen Fähigkeiten für den Anspruch an die Leadstimme der Band nicht genügen) und sich auf oft relativ deftiges Riffing konzentrierte, das allerdings vorn in der zweiten Reihe akustisch von der links stehenden Rhythmusgruppe zugedeckt wurde, was auch auf die hinter dem Gitarristen auf der rechten Seite positionierten Keyboards zutraf. Allerdings scheinen die Soundverhältnisse innerhalb der Halle recht unterschiedlich gewesen zu sein - urteilsfähige Menschen etwas weiter hinten bekundeten jedenfalls, einen gut ausbalancierten Sound gehört zu haben.
Und was stand nun auf der Setlist? Ein Blick nach unten verrät ein Freudenfest für jeden Altfan, der die rockende Seite der Band schätzt: Gleich viermal gab's kernigen Stoff zum Auftakt, bevor "More Power To Ya" und "Grave Robber" kleine Ruhepole setzten. Die ganz dicken Highlights hatten sich Petra allerdings für den Schluß aufgehoben, nämlich das epische "All Over Me" und das dramatische "Judas' Kiss", bevor "It Is Finished" viel zu früh den regulären Set beendete. Gut, Petra-Gigs haben auch früher nicht durch Überlänge geglänzt, wie Kundige berichten (der Rezensent sah die Band an diesem Abend zum ersten Mal live, aber bei den vor dem Gig geforderten Handzeichen, wer 1985 beim Gig in Siegen auch schon dabei gewesen war, kamen doch etliche), aber wenn man dagegenhält, daß ähnlich alte Haudegen wie Deep Purple immer noch zwei Stunden oder länger auf der Bühne stehen, hätte es auch von Petra etwas mehr sein dürfen als nur diese metalcorekompatible Spielzeit, wenngleich sie noch durch zwei Zugaben ergänzt wurde, von denen die zweite allerdings nicht mal eingeplant gewesen zu sein scheint, denn die ausgedruckte Setlist wies sie nicht aus. So bleibt am Ende zwar immer noch der Eindruck eines starken und denkwürdigen Gigs - aber man hätte vom Starken eben gerne noch etwas mehr gehört, und jeder Altfan dürfte sich trotz der Freude über diese oldschoolige Setlist doch noch den einen oder anderen weiteren Song gewünscht haben. Der Rezensent hatte insgeheim auf "This Means War!" gehofft, aber da das der Schlitt-Ära angehört, fiel es offenbar durchs Raster - und er hätte sich auch noch über "God Gave Rock'n'Roll To You" gefreut, das weiland anno 1977 schon von Volz eingesungen worden war, wenngleich damals noch "nur" als Gastvokalist. Vom "Back To The Rock"-Album, das mit zwei Ausnahmen aus Neueinspielungen alter Volz-Ära-Songs besteht, fehlten in der Setlist übrigens "Rose Colored Stained Glass Windows" (alt) und "Too Big To Fail" (neu). Aber sei's drum: Beste musikalische Unterhaltung samt geistlichem Input gab's auch in der vorliegenden Form.

Setlist:
Beama Seat
Angel Of Light
Clean
Second Wind
More Power To Ya
Grave Robber
Adonai
Back To The Rock
God Pleaser
All Over Me
Judas' Kiss
It Is Finished
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Stand Up
Let Everything That Hath Breath (Praise The Lord)



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