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Gorilla Monsoon, Days Of Grace, Last Beautiful June, Sicario   05.02.2011   Altenburg, Music Hall
von rls

Der Rock'n'Folk e.V. als Veranstalter dieses Konzerts möchte die Brachlandschaft Altenburgs, was Auftritte von Bands des Rockspektrums angeht, etwas begrünen, und so ist die Music Hall an diesem Abend auch gar nicht schlecht gefüllt, zumal zwei Lokalmatadore im Billing stehen. An den ersten kann der Publikumszuspruch freilich kaum gelegen haben: Sicario locken im Verlaufe des Gigs nämlich exakt drei Personen vor die Bühne, die dann entweder trotz überwiegend kurzer Haare zu headbangen versuchen oder sich in einem Minimoshpit alle Knochen zu brechen trachten. Musikalisch siedelt das Quartett im klassischen 90er-Hardcore, also bei Madball und Konsorten, baut exakt einmal Gitarrenleads in den aus vielen kurzen Songs bestehenden Set ein, zeigt sich sehr tempovariabel und gönnt sich einige kleine Andeutungen von Epik, etwa im Setcloser, dessen Titel witzigerweise auch das Wort "End" enthält. Apropos Titel: Da tummelt sich alles, was für diese Szene typisch ist - "Fight Back", "Last Man Standing", Writing On The Wall" ... Die Innovation liegt also in der Nähe von Null, aber wenigstens machen Sicario ihre Sache durchaus solide, haben mit dem Sänger und dem Bassisten zwei durchaus bühnenaktive Personen in der Band, leiden nicht unter dem viele Feinheiten verschluckenden Sound (weil es in ihrer Musik sowieso kaum welche davon gibt) und halten sich für so bekannt, daß der Sänger sogar ohne eine Nennung des eigenen Bandnamens auszukommen glaubt. Mehr als schwacher freundlicher Applaus ist nicht drin.
Das ändert sich bei Last Beautiful June, den anderen Lokalmatadoren, die doch einige Leute nach vorne holen können, wo dann wahlweise gebangt oder gepogt wird. Klarer Fall: Metalcore ist angesagt, auch hier völlig innovationsfrei, aber gut gespielt. Der Sound wird hier allerdings besser, und das ist auch gut so, denn die Arbeit der zwei Gitarristen steckt doch knietief in klassischen Achtziger-Metalmelodien, und die möchte man natürlich gern en detail heraushören, was denn auch über weite Strecken des Sets gelingt, allerdings noch etwas mehr Schärfe in den Leads hätte vertragen können. Die Band startet mit einem ausgedehnten doomigen Intro, bevor der Sänger die Bühne betritt, optisch eine kuriose Mischung aus Beamter und ewiger Student, stimmlich ausschließlich auf Kreischlagen setzend und die Cleaneinwürfe einem der beiden Gitarristen überlassend. Der freilich stößt im vorletzten Song schmerzhaft an seine sanglichen Grenzen: Das Original dieser extrem schief gesungenen Coverversion ist nicht zu identifizieren (von den während des Soundchecks oder unmittelbar vor dem Gigbeginn angespielten "Holy Diver", "Popcorn", "Smoke On The Water" und "Raining Blood" war's jedenfalls keiner), und die Ansage, daß es die erste Darbietung dieses Covers war, läßt erhoffen, daß entweder eine radikale Steigerung erfolgt oder es auch die letzte Darbietung war. Komischen Humor hat die Band sowieso bewiesen, indem sie einem Song, der im Titel das Wort "Mosh" in durchaus auffordernder Ausprägung (wenn man die Ansage da richtig verstanden hat - der besagte clean singende Gitarrist übernahm auch den Ansagerposten) enthält, ein ausgedehntes Akustikbreak verpaßt. Ist das einer der Gründe, daß die anfangs durchaus Enthusiasmus verratenden Reaktionen des Publikums mit zunehmender Spieldauer immer verhaltener ausfallen und letztlich niemand eine Zugabe einfordert?
Days Of Grace haben schon mehrfach in Altenburg und Umgebung gespielt und besitzen daher auch so eine Art Heimbonus - zumindest wird es vor der Bühne noch einmal deutlich voller, und die Applausintensität nimmt weiter zu. Zieht man diesen Heimbonus und einen Durchhaltebonus (die Band ist seit urewigen Zeiten im Underground aktiv) ab, bleibt allerdings nicht mehr so sehr viel an Argumenten übrig, denn so richtig überzeugen kann die krude Mischung des Quartetts nicht. Zwei Songs lang spielt man typischen Stoner Rock, schiebt dann eine Halbballade mit fast alternativ-grungigem Touch hinterher, knüppelt hernach einen metallisierten Uralt-Hardcoretrack aus der Discharge-Schule herunter und landet schließlich wieder im Stoner Rock, was geschätzte 10 Prozent des Publikums dann auch gleich zum Anlaß nehmen, das geltende Rauchverbot (die Music Hall ist eine städtische Einrichtung, also bedarf es da eigentlich gar keiner Diskussionen) zu mißachten. Mit den erwähnten vier ersten Tracks ist allerdings stilistisch alles gesagt, viel mehr passiert nicht, aber das stört den Moshpit vorn in der Halle natürlich auch nicht, der die Band wie die verlorenen Söhne abfeiert. Der Gesamtsound kippt hier übrigens erstmals ins Überlaute, wobei die Ausgewogenheit aber durchaus stimmt, nachdem der anfangs zu dominante Baß auf einen Normalpegel heruntergefahren worden ist.
Können Gorilla Monsoon die angebrannten Kastanien noch aus dem Feuer holen? Die Antwort ist ein klares Jein. Obwohl die Band rein stilistisch auch für die Days Of Grace-Anhängerschaft von Interesse sein müßte, verlassen viele Besucher die Halle, was allerdings auch an der vorgerückten Stunde liegen mag: Aufgrund unerquicklich späten Beginns gegen 21.30 Uhr (bei einem Vier-Band-Package eine Todsünde) geht die Geisterstunde schon wieder zur Neige, als das Trio endlich die Bühne entern kann. Moment, Trio? Ja, der zweite Gitarrist ist nicht mehr an Bord, und so spielen Gorilla Monsoon an diesem Abend seit sieben Jahren das erste Mal wieder als Trio, wie der verbliebene Gitarrist Jack Sabbath bekanntgibt. Freilich ist genau dann die Strategie, Gitarre und Baß so ineinandergreifend abzumischen, daß man beide akustisch kaum voneinander unterscheiden kann, etwas fragwürdig, denn so hört sich das Ganze immer irgendwie an, als ob eines der beiden Instrumente fehlen würde - eine Situation, die auch bei Saint Vitus (die witzigerweise exakt ein Jahr zuvor in Leipzig gespielt hatten) manchen Hörer vor gewisse Probleme stellte. Sehr klar und deutlich zu vernehmen hingegen sind des Drumsters Anschläge (und der leistet zwischen Doomgeschleiche und etlichen Speedausbrüchen gute Arbeit) und Sabbaths rauhe Vocals. Irgendwie könnte die neue Gorilla Monsoon-Besetzung als sumpfige Variante von Grand Magus durchgehen - weniger Power Metal, dafür eben mehr stonerlastiger Doom und zudem in jeder Band ein Flying V-Liebhaber an der Gitarre. Derjenige Teil der Anwesenden, den (noch) interessiert, wer da auf der Bühne steht (gute Teile des typisch provinziellen Publikums tun das nicht mehr oder von Anfang an nicht), zeigt sich jedenfalls durchaus angetan von der reichlichen Stunde Spielzeit, auch wenn er offensichtlich vergessen hat, wie man eine Zugabe einfordert. Gorilla Monsoon spielen trotzdem zwei (und das nach der kultverdächtigen Ankündigung "Das ist der letzte Song - Bier is alle"), verbeugen sich noch einmal tief vor Black Sabbath (auch wenn die anhand des Intros zu vermutende Coverversion von "Children Of The Grave" dann doch nicht erklingt, sondern das Motiv in eine Eigenkomposition überleitet) und setzen mit Rückkopplungsgedröhn der Saiteninstrumente um kurz vor 2 Uhr den Schlußpunkt unter den Gig.



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