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Motörhead, Doro, Grand Magus   10.12.2010   Chemnitz, Arena
von rls

Die Deutschmaschine lebt: Die Homepage der Arena weist die Spielzeiten von Grand Magus und Doro genau aus (wenngleich sicherheitshalber hier und da mit einem "ca." davor), ebenso das Ende der gesamten Veranstaltung um 22.30 Uhr - und das trifft auch haargenau ein. Das heißt: Wenn man vorher ins Netz schaute, konnte man feststellen, daß Grand Magus nicht erst zur gewohnten Konzertbeginnszeit um 20 Uhr auf die Bühne steigen würden, sondern bereits um 19 Uhr. Viele Leute hatten das offensichtlich getan und waren auch ob der partiell schwierigen Straßenverkehrsverhältnisse wohl etwas eher losgefahren - ergo war der vordere Teil der Halle beim Ertönen des Ennio-Morricone-Intros schon sehr gut gefüllt, und die Schweden taten während der folgenden halben Stunde auch alles, um die seltene Gelegenheit eines so kopfzahlstarken Publikums mit Überzeugungsarbeit zu nutzen. Der laute Applaus (gar mit Zugabeforderungen, die aufgrund des strikten Zeitmanagements aber nicht erfüllt werden konnten) sprach eindeutig dafür, daß den Schweden das auch gelungen war. Daran konnten nicht mal die schwierigen Soundverhältnisse was ändern - die alte Metalkrankheit: Gesamtsound zu laut, Drums viel zu laut, dadurch Schwierigkeiten bei der Klangdifferenzierung zwischen Rhythmusgitarren und Baß, außerdem kaum Chancen, einen richtigen Groove herzustellen, der einige Stellen sicherlich noch packender gemacht hätte. Musikalisch fühlte man sich nämlich bisweilen, vor allem in manchen schleppenderen Songs, an eine Art "Manowar covern Black Sabbath" erinnert, und daß noch zum Rezensionszeitpunkt einen Tag später ständig "Spirit Horse Of The Cherokee" im Hirn des Rezensenten herumspukt, ist beileibe kein Zufall, auch wenn Grand Magus in anderen mythologischen Gefilden wildern. Freilich hätte dem Sänger vorher ein Blick auf die Landkarte genützt: Seine Frage, ob man sich in Chemnitz (das weitab von der Küste und nicht mal an einem schiffbaren Fluß liegt) der maritimen Fortbewegung zugeneigt fühlen würde, löste jedenfalls eher ungewollte Heiterkeit aus. Aber ansonsten machte die Band trotz mancher rockstarhafter Pose einen erfreulich zugänglichen, bodenständigen und sympathischen Eindruck, der auch durch die ehrlich-solide Musik bestätigt wurde, die mehr als einmal an eine etwas umgepolte Version von Count Raven erinnerte, allerdings mit etwa "I, The Ruler" auch schnellere Stücke beinhaltete, die dann allerdings besonders stark unter den Soundproblemen litten. Da machten Hymnen wie das mächtige, den Set abschließende "Iron Will" doch mehr her, übrigens auch erstklassig gesungen, wobei die Band mit dem leadsingenden Gitarristen und dem gelegentlich als zweite Stimme eingreifenden Bassisten gleich zwei fähige Mikrofonbediener in ihren Reihen weiß. So konnte das schwedische Banner nach einer starken halben Stunde mit Stolz wieder eingeholt werden.
Doro hat ja nun durchaus selber Headlinerstatus - warum sie trotzdem die Gelegenheit für diese Supporttour nutzte (und übrigens gleich noch ein paar Headlinergigs hintendranhängte), wurde schnell deutlich, denn die Publikumskopfzahl war doch deutlich größer als beispielsweise bei ihrem 2007er Gig in Leipzig, und die Anwesenden sparten denn auch nicht mit Sympathiebekundungen für die Düsseldorferin und ihre doch erstaunlich stabile Band - die Rhythmusgruppe wohnt ihr seit fast (Drummer Johnnie) bzw. über (Bassist Nick) 20 Jahren bei, und nur Gitarrist Bas war neu hinzugestoßen, präsentierte sich allerdings trotzdem bestens eingespielt mit Gitarrenpartner Luca und dem Rest der Band, wobei übrigens alle vier Instrumentalisten auch Backings zu singen hatten. Die hörte man dank eines zwar immer noch sehr lauten, aber diesmal deutlich differenzierteren Sounds auch gut, bisweilen gar besser als die Vocals der Chefin, die allerdings prinzipiell überhaupt keine Veränderung erkennen ließen. Ob das bisweilen etwas holprige "Earthshaker Rock" für einen Supportgig nun unbedingt der Weisheit letzter Schluß als Opener ist, darf gern diskutiert werden, aber an diesem Abend funktionierte es, und spätestens mit "I Rule The Ruins" als zweitem Track herrschte eine bombastische Feierstimmung im Auditorium, die nicht mal bei "Running From The Devil" und "Metal Racer" entscheidend einbrach. Dazwischen ein kleines Hitfeuerwerk: "Burning The Witches", "We Are The Metalheads" (als Wacken-Hymne hätte man sich aber vielleicht doch was mit einem markanteren Hauptriff gewünscht ...) und "Für immer", bei dem der rechte Nebenmann des Rezensenten feuchte Augen bekam - er hatte vor sieben Jahren zu den Klängen ebenjenes Songs geheiratet. "Breaking The Law" erklang zweigeteilt, zunächst in der balladesken Fassung und dann mit voller Metalkraft mit drei Gitarren: Phil Campbell ließ sich einen Gastauftritt nicht nehmen. "All We Are" beendete den Set, der bei Kürzung der ausufernden Mitsingspielchen in diesem Song und in "Burning The Witches" durchaus noch um einen Song hätte erweitert werden können - für eine frenetisch geforderte Zugabe blieb nämlich keine Zeit mehr. Aber egal - ein starker Gig Doros, die damit sicherlich etliche neue Anhänger gewonnen oder alte, "verschollene" nach dem Prinzip "Ach, die gibt's auch noch?" reaktiviert hat.
Das gleiche Prinzip greift bei Motörhead ja schon länger: Im Dezember 1996 hatte der Rezensent die Band erst- und bisher auch letztmalig gesehen, damals im Haus Auensee Leipzig mit einer Kapazität von etwa 2000 Leuten (und übrigens mit nur zwei Tagen Abstand zum Package Type O Negative/Moonspell an gleicher Stelle). Diesmal waren's deutlich mehr Leute, die gemeinsam mit der Band das Erscheinen des neuen Studioalbums "The Wörld Is Yours" oder, was wahrscheinlicher ist, einen gepflegten Trip in die Vergangenheit feiern wollten. Das war freilich schwieriger als gedacht: Daß Motörhead-Konzerte laut sind, weiß man mittlerweile. Aber sobald die Lautstärke zum Soundmatsch und/oder zur Gesundheitsgefährdung führt, wird's problematisch. Jedenfalls tat einem fast jeder Schlag von Mikkey Dees Drums in den Ohren weh (trotz Ohrstöpseln), die Saiteninstrumentendifferenzierung war akustisch weitgehend unmöglich, und selbst Lemmys Gesang ging über weite Strecken unter. Nach einigen Songs flüchtete der Rezensent, der bis dahin etwa auf halber Strecke zwischen der Bühne und dem in der Hallenmitte aufgebauten Soundboard gestanden hatte, nach hinten, zusätzlich geplagt durch die Raucher in seiner Nähe (ein Nichtraucherschutzgesetz wird dann zur Farce, wenn bei solchen Konzerten ein Viertel bis ein Drittel der Anwesenden trotz Verbotes raucht und der Veranstalter nichts Aktives dagegen tut - wer greift hier endlich einmal durch?). Denen konnte er auch zwar hinten am Hallenende nicht entkommen, aber wenigstens war's dort deutlich leiser, wenngleich trotzdem nur wenig differenzierter. Die Laune stieg also nicht unbedingt, trotz der durchaus originellen Setlist, die die Alben zwischen 1993 und dem aktuellen (dessen Material sich erwartungsgemäß ohne Probleme einfügte) nicht nur mit dem traditionell gewordenen Opener "We Are Motörhead" abspeiste und sogar die Wiederentdeckung von "Another Perfect Day" fortsetzte, das schleppende "Just Cos You Got The Power" im Set behielt, allerdings dadurch auf den einen oder anderen eigentlich liebgewonnen Klassiker verzichtete: nix "Orgasmatron", nix "Bomber", nix "Motorhead", nix "Iron Fist". Und "Killed By Death" in dieser schwammigen Form ging irgendwie überhaupt nicht, auch Mikkeys Drumsolo in "In The Name Of Tragedy" wirkte eher pflichtschuldig, wohingegen Phils gefühlvolles Solo im ersten Setviertel (!) eindrucksvoll bewies, was dieser Mann an der Gitarre so alles kann (was schon immer wußte, wer seine Ex-Band Persian Risk kennt, aber der Personenkreis dürfte eher überschaubar sein). Daß ausgerechnet dieser Programmbestandteil somit den Höhepunkt einer ansonsten eher mäßig beeindruckenden Show bilden würde, hätte man sich vorher auch nicht träumen lassen. "Ace Of Spades" beendete den Hauptset, "Born To Raise Hell" (Doro als Revanche-Gastsängerin auf die Bühne holend - aber selbst ihre Vocals waren kaum zu vernehmen) und "Overkill" bildeten den Zugabenblock, und die Lärmfraktion im Publikum strömte selig in die Winterlandschaft hinaus, während der Rezensent, obwohl er die Motörhead-Tonkonserven durchaus schätzt, sich bei beiden Supportacts deutlich besser unterhalten fühlte.



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