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65daysofstatic, Nedry, Tall Ships   11.11.2010   Leipzig, Conne Island
von kk

Kein stupides Kategorisieren in Genres - das stellen sich die Instrumentalisten 65daysofstatic als musikalische Maxime. "Whatever feels right", fasst Paul Wolinski stellvertretend für die Band treffend zusammen und nimmt denjenigen den Wind aus den Segeln, die der Zuwendung der Band zu elektronischer Musik kritisch gegenüberstehen. Konsequent setzen die Briten ihre musikalische Offenheit auch bei der Auswahl der Vorbands um. Für das Publikum im Conne Island bedeutet das einen Abend zwischen Indie/Pop, TripHop/Downtempo/Dubstep und Post-Rock/Electro. Das 65daysofstatic-Konzert wird in Anbetracht der Hochwertigkeit der Vorbands vielmehr zum kleinen Festival.
Die Falmouther Tall Ships, die den Abend eröffnen, beispielsweise versprühen von Zeit zu Zeit den strukturierten Charme des ersten Foals-Albums "Antidotes", etwa in "Chemistry", das der aktuellen EP "There Is Nothing But Chemistry Here" den Namen gibt. Aber schon die emotionale zweite Hälfte des Songs zeigt, dass der Vergleich nur mit Vorsicht anzubringen ist. Denn Tall Ships sind musikalisch weit weniger streng und limitiert: sanfte Beats und atmosphärische Keyboards in "Snow", trashigstes Elektrogeballer und balladeske Phrasen in "Books", gefühlvolle Akustik und ein geschunkeltes Seefahrer-Ende in "Vessels". Alles fügt sich harmonisch ineinander, dass es wie bei Hörspielen unglaublich spannend ist, zuzuhören. Zu all dem spielt sich optisch noch eine Menge auf der Bühne ab: Gitarrist und Bassist stehen sich gegenüber an Keyboards, tauschen Instrumente, einer bekommt sogar einmal beide, damit der andere trommeln kann. Zum Ende der Show findet man sich lächelnd und muss sich tatsächlich vergegenwärtigen, dass der Abend noch nicht vorbei ist.
Die folgenden Londoner Nedry lösen andere Gemütszustände aus, am besten vermutlich unter Melancholie zu subsumieren. Die setzen sie triphoppig und ruhig um, aber auch aggressiv-verzerrt und maschinell. Die Assoziation mit Portishead liegt nahe, und nimmt man die kauzige Stimme der Sängerin Ayu dazu, drängen sich dieselben auch mit Björk auf. Davon zu reden, dass sich Nedry an den Genannten orientieren oder sich derer Sounds bedienen, wäre aber zu viel. Dafür sorgen Ekocam und Earthkeptwarm, die Ayu auf der Bühne zur Seite stehen und mit ihren Sampling Pads und Keyboards einen individuellen Klang erschaffen und demonstrieren, was das Conne Island akustisch hergibt. Das Antippen einer kleinen Fläche mit dem Finger reicht, um den Raum mit purem Bass, zähflüssig wabernden Tönen oder unnatürlich verzerrten Sounds zu füllen. Konzert ist dafür nicht das richtige Wort. Musikalische Erfahrung trifft es schon eher.

65daysofstatic
Der Weg zum Elektro ist mittlerweile vollständig geebnet, aber 65daysofstatic betreten ihn nicht etwa wie auf ihrer Europatour im Sommer mit dem pulsierenden "Go Complex" sondern gezügelt. Erst nach zwei Songs der aktuellen EP "Heavy Sky", die wie ein großes Intro wirken, nimmt das Konzert der Briten an Fahrt auf. Schon am Anfang wird klar, dass sich 65daysofstatic auf ihr aktuelles Album "We Were Exploding Anyway" und die EP konzentrieren, die im Nachhinein insgesamt mehr als zwei Drittel der Show ausmachen. Problematisch erweist sich bei den genuin elektronischen Songs, dass es live nur wenige von ihnen schaffen, Spannung zu erschaffen und zu halten. Sehr gelegen kommen da alte Songs wie "Retreat! Retreat!", "This Cat Is A Landmine" und natürlich "Radio Protector", die sich in Post-Rock-Manier auftürmen, Anreiz zum Ausrasten geben und die Lust auf elektronische Musik nicht ganz absacken lassen. Das zehnminütige Elektro-Epos "Tiger Girl" zeigt aber, wie auch neue Songs fesseln können: Simple Sounds ergeben nach und nach aufeinandergeschichtet eine unglaubliche Wand aus Musik, die am Ende fulminant zusammenbricht, nachdem Gitarre und Schlagzeug gegen sie angespielt haben. Leider fehlen der Setlist von 65daysofstatic noch ein paar dieser Liedabenteuer. Aber die Briten sind ja auch gerade erst in elektronische Gefilde vorgestoßen.

Setlist (ohne Zugabe):
PACIFY
PX3
PF (Piano Fights)
SAWTOOTH (Sawtooth Rising)
RT (Retreat! Retreat!)
CAT (This Cat Is A Landmine)
TD
DX3 (Dance Dance Dance)
WK4 (Weak4)
JAPAN
MNTNHD (Mountainhead)
DEB (Debutante)
RADIO (Radio Protector)
TIGER (Tiger Girl)

Links:
http://www.myspace.com/tallshipsfromfalmouth
http://thepeopleofthisplace.blogspot.com/
http://www.monotremerecords.com/
http://www.myspace.com/nedrymakesmusic
http://www.nedrymakesmusic.com/
http://www.myspace.com/65propaganda
http://www.65daysofstatic.com/



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