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Dark Tranquillity, Insomnium, Blackwhole   24.09.2010   Leipzig, Conne Island
von rls

Mal wieder Schwierigkeiten mit dem Zeitmanagement: Eine exakte Startzeit ist nirgendwo herauszubekommen, nur die Einlaßzeit von 20 Uhr - also vermutet der konzerterfahrene Mensch einen Beginn um 21 Uhr. Fünf Minuten vorher betritt der Rezensent das Conne Island - und bekommt von Blackwhole die letzten Sekunden und den Schlußakkord des letzten Songs mit. Sorry an die Dresdner Death Metaller, die bei diesem Gig und dem am nächsten Tag in Münster als lokaler Support fungieren; den Zugabeforderungen gemäß (die sie nicht erfüllen dürfen) scheinen sie sehr gut angekommen zu sein.
Insomnium haben nicht etwa die finnische Musiker-Semilegende Somnium im Line-up, sondern sorgen auch so für weitere Schlaflosigkeit im Publikum. Dabei fügt das Quartett patchworkartig so ziemlich alles zusammen, was im melodischen Death Metal und dessen Umkreis Rang und Namen hat, bringt aber das Kunststück fertig, das alles wie aus einem Guß klingen zu lassen. Verbindendes Element hierfür sind die von beiden Gitarristen (allerdings in unterschiedlichen Anteilen) beigesteuerten Leadgitarren, die den Rezensenten soundlich an jemand ganz Bestimmtes erinnern, dessen Name ihm aber während des Gigs nicht einfällt und auch bis zur Niederschrift des Reviews noch nicht eingefallen ist. Dafür schwirren diverse andere Namen virtuell durch den Raum, vor allem zwei. Da wäre zunächst ein mehr als latenter Hypocrisy-Touch im Material der ohne sichtbaren Livekeyboarder antretenden Finnen, der sich allerdings auf deren hymnischere Songs wie "Fractured Millennium" bezieht und nicht auf den massiv-harschen Death Metal, den Peter Tägtgren und seine Spießgesellen bisweilen auch zu intonieren pflegen. Zum anderen aber schießt einem immer wieder der Name Opeth durch den Gedächtniskasten, und in der Tat sind Insomnium so etwas wie Opeth ohne Progrockeinflüsse, obwohl auch sie gerne mit teils ausgedehnten melodisch-elegischen Passagen spielen. Der Insomnium-Bassist bleibt allerdings konsequent beim Death Metal-Gesang (wenngleich in nicht sonderlich extremer Ausprägung), nur sehr selten mit Klargesang eines seiner Gitarristen flankiert. Ohne diesen Gesang müßte man Insomnium anhand des Liveeindrucks in den Power Metal einsortieren; sie halten sich zudem von höheren Geschwindigkeiten weitgehend fern, ohne mehr als nötig ins Fahnenschwenk-Hymnentempo überzugleiten. Und das Material macht live richtig Laune, die Band wird abgefeiert, als sei sie der Headliner und alleiniger Anwesenheitsgrund der Besucher im fast gefüllten Conne Island, und ein gut ausbalanciertes, nur geringfügig zu lautes Klanggewand tut sein Übriges zu einem äußerst unterhaltsamen Gig, dessen Material sich zum überwiegenden Teil aus dem aktuellen Album "Across The Dark" speist. Trotz vehementer Forderungen ist aber auch hier keine Zugabe drin.
Setlist Insomnium (die vom Folgetag in Münster, dürfte aber weitestgehend mit der von Leipzig übereinstimmen):
Equivalence
Down With The Sun
Where The Last Wave Broke
Drawn To Black
Weather The Storm
The Harrowing Years
The Killjoy
The Gale
Mortal Share
Weighed Down With Sorrow
Dark Tranquillity wiederholen zunächst die Frisurenkombination von Insomnium: Langhaarige in der vorderen Reihe, Kurzhaarige nach hinten, wobei es hier der letzteren zwei gibt, neben dem Drummer noch den Keyboarder. Das Conne Island offenbart einen kleinen strukturellen Nachteil: Die Halle ist zu niedrig. Hinter der Bühne hängt ein Schirm, auf den Videoeinspielungen projiziert werden, und aufgrund der fehlenden Hallenhöhe hängt der Schirm so niedrig, daß der Drummer vor seiner unteren Hälfte sitzt, dem Publikum also allerlei entgeht. Das Konzept, in die Videosequenzen die jeweils gerade gespielten Songtitel mit einzublenden, wird nach dem zweiten Song nicht konsequent fortgeführt, bisweilen allerdings auch durch einige Lyrikfetzen ergänzt. Auch sonst haben sich Dark Tranquillity einiges einfallen lassen: Es ist schon die zweite Rundreise zum neuen Album "We Are The Void", und damit es "Vielsehern" nicht langweilig wird, haben sie neben einigen Setliststandards auch diverse längere Zeit nicht mehr gespielte Songs hervorgekramt. Mehr noch: Sie spielen gleich eine ganze Serie von Titeltracks ihrer Alben, darunter auch das von den Altfans stürmisch bejubelte, zurückhaltend-elegische "The Gallery". Bis dahin hat sich auch die Soundfraktion auf die Erfordernisse der Schweden eingepegelt: Die ersten beiden Songs gehen in einem Wust aus viel Drums, Vocals, Leadgitarren und Keyboards unter, erst ab "Damage Done" kommen auch die Rhythmusgitarren fast in der wünschenswerten Schärfe (wenngleich mit schwankendem Niveau - in der Setmitte wird's nochmal schwammiger), und nur der Baß bleibt bis in die zweite Sethälfte hinein ein Problemfall, da er ungesund von unten dahergrummelt wie in einer Droneband. Ermüdungserscheinungen merkt man der Band nicht an, im Gegenteil: Die immense Spielfreude darf als Zeichen gewertet werden, daß die Setlistauffrischung auch für die Band eine reizvolle Erfahrung gewesen ist. Und insbesondere Mikael Stanne entpuppt sich immer wieder als souveräner Frontmann, der nicht zu anbiedernd wirkt, sondern schlicht und einfach sympathisch rüberkommt und auch gesanglich keine Schwächen zeigt. An diesem Abend packt er an einigen wenigen Stellen auch mal wieder Klargesang aus. Die Bedeutung der Band wird einem erst richtig klar, wenn man sich vergegenwärtigt, daß der gefeierte Setcloser "Punish My Heaven" einst stilprägende Wirkung für den melodischen Death Metal entfaltet hat - und das ist 15 Jahre her! So gesellt sich auch bei "Material aus der zweiten Reihe" im Falle Dark Tranquillitys noch ein Klassesong zum nächsten, das Publikum ist gleichfalls dieser Meinung, und drei Zugaben runden einen sehr starken und unterhaltsamen Gig ab. Nach "Terminus (Where Death Is Most Alive)", dessen Klammerbemerkung das Tourmotto abgibt (ebenso hatte auch das 2009er Livealbum geheißen), fällt der Vorhang dann endgültig.
Setlist Dark Tranquillity (wieder die von Münster):
At The Point Of Ignition
The Fatalist
Damage Done
Lost To Apathy
Monochromatic Stains
The Gallery
One Thought
Zodijackyl Light
Iridium
Shadow In Our Blood
Icipher
Dream Oblivion
Misery's Crown
Haven
Punish My Heaven
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Final Resistance
The Sun Fired Blanks
Terminus (Where Death Is Most Alive)



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