Hypocrisy, Survivors Zero 29.01.2010 Glauchau, Alte Spinnerei von rls
Eigentlich war das hier als eine gesamtskandinavische Tour mit Musikern aus allen vier Ländern geplant gewesen - aber Hatesphere mußten absagen, und so bleibt Dänemark außen vor. Auf anderen Gigs der Tour sollte statt dessen zusätzlich eine lokale Band verpflichtet werden, in Glauchau hat man auf diese Maßnahme aber verzichtet, somit bleibt es bei zwei Bands und einem überraschend kompakten Zeitmanagement. Spinnerei-Gigs gehen sonst ja meist erst 21 Uhr los, aber hier ist 20 Uhr als Beginn verbrieft, auch noch nach Bekanntgabe der Absage Hatespheres, und letzten Endes stürmen Survivors Zero dann kurz nach 20.30 Uhr die Bühne. Und die Finnen wissen zu überzeugen: Sie passen stilistisch ideal auf die Tour, da sie einen Sound fahren, der nicht kopistisch an Hypocrisy klebt, aber doch eine Beeinflussung durch selbige nicht verleugnen kann. Sie sind nicht originell (das kann man als neue Band in ihrem Genre wohl auch kaum noch), aber sie machen das, was sie machen, sehr gut. Sicherlich hilft die Tatsache, daß Survivors Zero zwar eine noch relativ junge Formation sind, aber aus Mitgliedern bestehen, die sich schon etliche Sporen in anderen Bands verdient haben bzw. wie im Falle von Bandkopf/Rhythmusgitarrist Sami auch erfolgreich als Produzenten arbeiten. Prominentestes Mitglied des Quintetts ist Bassist Tapio Wilska, den man bereits von Finntroll und in anderen stilistischen Kontexten auch als Finsterstimme von Nightwishs "Oceanborn"-Album her kennt - den stilprägendsten Einfluß für den melodischen Death Metal der Truppe übt allerdings Leadgitarrist JP aus, den man von The Scourger kennt. Daß beide Gitarristen eine Abwandlung der Flying V spielen, paßt diesbezüglich ins Bild, obwohl der traditionsmetallische Einfluß von Survivors Zero deutlich geringer ausfällt als bei der Göteborg-Spielart. "Melodischer Death Metal" heißt hier nicht Dark Tranquillity oder In Flames, sondern Pantokrator, Sacrificium oder eben Hypocrisy, garniert noch mit etwas Bolt Thrower, weil auch die fünf Finnen ihr Haupttempo in gemäßigten Gefilden gefunden haben, wenngleich einige wenige Blastparts nicht fehlen. Am grassierenden Witz, einen solchen überdurchschnittlich schnellen Song als ruhiges Exempel zum Auf-dem-Boden-Sitzen-und-Entspannen anzusagen, kommen auch Survivors Zero nicht vorbei, übrigens von Tapio geäußert, der gegen Ende hin immer mehr den Job des Ansagers von Sänger Tommi zu sich herüberzieht. Seine vielschichtigen Backing Vocals vernimmt man allerdings erst, als der Soundmensch bei Song 4 bemerkt, daß das linke Mikrofon offensichtlich für solche gedacht ist. Ansonsten ist das Soundgewand angenehm klar und bis auf die deutlich zu grell abgemischten Becken auch nicht ohrenbetäubend - andererseits hat es einen nicht zu verkennenden Reiz, die interessante Arbeit des Drummers mit dem kleinsten Becken in "I Buried You Deeper" genau zu verfolgen. Neun Eigenkompositionen und eine Coverversion bringen Survivors Zero in ihrer Dreiviertelstunde unter, wobei sie mit der Wahl von Kreators "People Of The Lie" vom "Coma Of Souls"-Album guten Geschmack beweisen. Gewöhnungsbedürftig bleibt nur Sänger Tommi - nicht wegen seines gelungenen und zwischen Brüll und Kreisch gekonnt wechselnden Gesanges, sondern wegen seiner pseudobösen Mimik; über eine Dreiviertelstunde permanent ein solches Gesicht zu ziehen muß doch irre viel Energie kosten. Da kommt der Rest der Band, allen voran Tapio, doch deutlich sympathischer rüber, wenngleich man selbstredend nicht alles, was die Herren textlich so von sich geben, unterschreiben muß. Guter Auftritt, meinen auch Teile des noch etwas lethargischen Publikums - daß bei der Ansage von "People Of The Lie" kein Freudengeschrei ausbricht, obwohl Kreator hier in der Gegend einen sehr hohen Status besitzen, ist irgendwie symptomatisch.
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