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Flesh Gordon, Die Päpste   17.09.2010   Chemnitz, Weltecho
von rls

Sie waren eine der buntesten und absonderlichsten Erscheinungen der Chemnitzer Szene - Flesh Gordon. Die Zeitform des Einleitungssatzes wurde bewußt gewählt: Die Bandmitglieder weilen zwar noch unter den Lebenden, aber die Band ist tot, aufgelöst nach dem Ausstieg des eine treibende Kraft im Gefüge dargestellt habenden Bassisten, den es berufsbedingt nach Süddeutschland verschlägt. Aber Flesh Gordon wären nicht Flesh Gordon, hätten sie nicht eine große Abschiedsparty auf die Beine gestellt und ihrem Hang zum Kreieren absonderlicher Szenarien noch einmal freien Lauf gelassen. Erstes Signal hierfür am Einlaß: Man kennt die Praxis, daß man, sobald man Eintritt bezahlt hat, einen Stempel auf die Hand bekommt, um beim Betreten und Verlassen der Lokalität als bereits bezahlt Habender identifiziert werden zu können. An diesem Abend aber bekommt man statt dessen den linken Daumennagel mit Nagellack lackiert, der am Einlaß unter Schwarzlicht fluoresziert und damit eine analoge Kontrollmöglichkeit bietet ...
Die Päpste beginnen ihren Set schon zehn Minuten vor planmäßiger Anstoßzeit um 22 Uhr und verlassen die Bühne nach fünf Songs bereits wieder - sie gehören ebenfalls zu den statusseitig in einem permanenten Umbruch befindlichen Bands und sind zudem personell mit Flesh Gordon verquickt (denke statt dessen niemand an die legendäre Nürnberger Band gleichen Namens - als die 1995 mal in Neukirchen bei Chemnitz live spielte, dürften die Mitglieder der Chemnitzer Päpste wohl allenfalls im Grundschulalter gewesen sein). Zwei singende Gitarristen, ein Bassist und ein Drummer geben relativ unauffälligen Deutschrock von sich, mal geradliniger (dreimal), mal etwas vielschichtiger (zweimal). Viel mehr läßt sich dazu eigentlich nicht schreiben - der Unterhaltungsfaktor vor Ort stimmt zwar, aber Einbrennfähigkeit ins Langzeitgedächtnis bleibt nahezu völlig aus, vielleicht mit Ausnahme des Setclosers und Bandnamensgebers, dessen Refrain doch in einigen Momenten tatsächlich an den Signaturesong der Nürnberger Päpste erinnert ...
Nächstes Kuriosum: In der Umbaupause mit nur geringfügigem Zeitunterschied komischen hektischen Eurodancefloor und Gamma Rays "Send Me A Sign" auflegen zu lassen kann sich auch nicht jede Band trauen. Dann wird es geheimnisvoll, ein Vorhang wird vor die Bühne gezogen, und als er sich wieder zur Seite bewegt, sieht man ... erstmal nichts. Der Publikumsraum ist dunkel, die Bühne auch, und sechs Skelette stehen auf den Brettern und beginnen nach dem Intro den Song "Metal Up Your Heart" zu spielen. Wieder eine der kultigen Ideen Flesh Gordons also: Alle Mitglieder tragen schwarze Kleidung mit aufgemalten Skeletten, und diese beginnen im Schwarzlicht zu fluoreszieren; der Drummer hat dazu auch noch fluoreszierendes Corpsepaint (!!) aufgetragen. Vier Songs erklingen unter diesen theaterreifen Bedingungen, dann legen die Mitglieder die Skelettkostüme ab, und darunter kommt die schreiend bunte Mode zum Vorschein, für welche diese Band berühmt-berüchtigt ist. Wer sich über die Skelettzahl gewundert hat: Für das Abschiedskonzert, das unter den plakativen Titel "Bang! Bang! We're Dead" gestellt wurde, haben Flesh Gordon drei Gitarristen rekrutieren können, die allesamt schon einmal den Schleudersitz des Gitarristenpostens in dieser Band bekleidet hatten. Daß sie den oft kolportierten Scherz, Iron Maiden würden ihren dritten Gitarristen Janick Gers im Mix immer leise drehen, auch noch kopieren würden, beginnt man irgendwann zu ahnen - einige Passagen mit Doppelleads entbehren nämlich der dritten Gitarre, die man an den betreffenden Stellen als Rhythmusgitarre darunter vermuten würde. Allerdings zieht sich der Scherz offensichtlich nicht durch die gesamte Spielzeit, und man stellt erstaunt fest, wie gut eingespielt diese rare Besetzung doch ist - große Abstimmungsprobleme gibt es nicht zu vermelden, und gerade die vielschichtige Gitarrenarbeit ist einer der Haupttrümpfe des Abends. Diesem achtbaren Niveau schließt sich diesmal auch der Sänger an, der seinen stimmlichen Aufwärtstrend ein weiteres Mal unter Beweis stellen kann, diesmal allerdings auch von fast allen anderen Bühnenaktiven stimmlich unterstützt wird. Als Highlight des Sets stellt sich erneut "Speed" heraus, das eine im Schaffen Flesh Gordons sonst recht selten auftauchende Charaktereigenschaft transportiert: Eleganz - und das mit drei Gitarren noch einmal in gesteigerter Form. Da das einer der jüngeren Songs der Band ist, wäre sie somit auch songwriterisch auf dem richtigen Wege gewesen, und somit ist das Ableben zu bedauern und das weitere Kultivieren der positiven Eigenschaften in anderen Kontexten zu wünschen. "Power Rangers" in einer rabiaten Kurzfassung schließt den Hauptset ab, drei Zugaben (darunter als dritte das aus dem feierwütigen Publikum vehement geforderte "Twisted Mind") sind eigentlich als goldener Schuß gedacht, aber da das Auditorium gar keine Ruhe geben will, wiederholen Flesh Gordon kurzerhand noch einige Songs und setzen sich mit der zweiten Wiedergabe von "Speed" ganz zum Schluß noch ein kleines Denkmal im musikalischen Hirn. Der Einladung, unter weiterer Konservenmusik (mit "Ghostbusters" eingeleitet) noch die komplette Hausbar leerzutrinken, folgen große Teile des übrigens zu einem nicht geringen Prozentsatz aus jungen Damen optisch durchaus ansehnlicher Preisklasse bestehenden Publikums, der Rezensent hingegen nicht. Man sieht sich - wo und in welchem Zusammenhang auch immer.



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