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Rock am Block mit Hella Donna, High Voltage, Frames, The Core   20.08.2010   Gera, Festzelt Werner-Petzold-Straße
von rls

Alle zwei Jahre feiert der Geraer Neubau-Stadtteil Lusan das Lusanfest, und seit der 2008er Auflage ist ein Konzertabend im Rockbereich in die Veranstaltung integriert, dem man den originellen Titel "Rock am Block" verpaßt hat. Zwar läßt die Besucherzahl der Zweitauflage durchaus noch deutliche Steigerungsmöglichkeiten nach oben offen, aber die Nichtdagewesenen oder Draußengebliebenen (der Eintritt ins Festzelt kostete 2 Euro, während man die diversen Buden und Stände draußen kostenlos umlagern konnte) verpassen einiges.
Zum Beispiel gleich die Lokalmatadore The Core. Die haben trotz des Bandnamens nichts mit Hardcore, Metalcore, Emocore oder den zahlreichen anderen heutigen corigen Spielarten zu tun - sie spielen epischen Siebzigerrock, und zwar vom Feinsten. The Free hier, Thin Lizzy da (trotz Vorhandenseins nur eines Gitarristen), Led Zeppelin und The Who dort - The Core zitieren aber nicht nur, sondern kochen durchaus ihr eigenes Süppchen, das überwiegend im langsamen bis mittelschnellen, häufig episch ausgewalzten Bereich lagert. Das relativ harte, geradlinige "Sick Of Being True" und die ergreifende Ballade "Over" bilden ungefähr den Rahmen des Bandschaffens, soweit es im Gig dieses Abends abgebildet wird. Spielfreude, Energie und Gefühl lagern allesamt im dunkelgrünen Bereich; selten erlebt man eine derart junge Truppe, die derart "unzeitgemäße" Musik auf einer derartigen Qualitätsstufe spielt, nein, zelebriert. Die zwar einnehmend gesungenen, aber hier und da einen Tick zu "breit" gelagerten Vocals trüben den positiven Gesamteindruck kaum, und wenn der gerade mal eine Woche vor dem Gig eingestiegene Bassist richtig eingespielt ist, dürfte auch ein Problemfall wie das lange, aber konfuse Zitat aus Led Zeppelins "Whole Lotta Love" (Robert Plant hat sich über dieses Geburtstagsgeschenk sicher nicht gefreut) der Vergangenheit angehören. Was die vier Jungs im Coverbereich können, zeigt die zweite Coverversion im sonst aus Eigenkompositionen bestehenden Set, eine brillante Umsetzung von Hendrix' "Voodoo Chile". Eine angeblueste Halbballade, deren Titel irgendwas mit "Love" enthält (wieso schielt man da wohl immer wieder ein paar Meter nach links, wo ein wunderschönes weibliches Wesen mit langen dunklen Haaren sitzt, das offensichtlich zum Bandumfeld gehört?), beendet einen sehr starken Set bei übrigens sehr guten, glasklaren Soundverhältnissen. Solange junge Leute solche Bands gründen, braucht man sich um die Zukunft der klassischen Rockmusik wohl keine Sorgen zu machen, meint wohl auch das Publikum, das shirttechnisch durchaus Geschmack beweist: gleich dreimal Dream Theater auf engem Raum und dann auch noch eins von Deny The Urge ...
Wie eine noch relativ unbekannte Hannoveraner Band an einen Gig auf einem Geraer Stadtteilfest kommt, stellt für Außenstehende ein Rätsel dar, dessen Lösung aber ganz einfach ist: Keyboarder Manuel stammt aus Gera und hat offensichtlich alte Beziehungen nutzen können, um Frames auf die Bühne in Lusan zu befördern. Und das stellt sich als Gewinn heraus: Ein langes waberndes, aber wenig psychedelisches Intro erschallt, bevor das Quartett die Bühne betritt und einen beeindruckenden Gig instrumentaler Rockmusik hinlegt, den man grob in die große Postrockschublade stopfen kann, ohne damit aber die Vielschichtigkeit näher gefaßt zu haben. Mit gerade mal fünf oder sechs Songs füllen die Hannoveraner eine gute Stunde Spielzeit aus und versetzen das Publikum stimmungstechnisch in eine Art Wellenbewegung - bedrückende und berückende Akustikpassagen wechseln immer wieder mit großen Bombastwällen ab, und da stört es auch nicht, wenn mangels prägnanter Hooklines am Ende des Gigs wenig mehr hängengeblieben ist, als das mit dem Material des Debütalbums "Mosaik" überwiegend wohl nicht vertraute Publikum vorher schon mitgebracht haben dürfte. Hier zählt erstmal das Erleben des Augenblickes, und die Band bringt auch noch das Kunststück fertig, in "Insomnia" ein paar klangliche Bilder zu Szenarien zu entwerfen, die der Rezensent in den drei Wochen zuvor (er war mit etlichen Schnarchern zum Bergsteigen) einige Male erlebt hat, wenngleich das in seinem Falle nicht im White Noise-Rauschen endete wie hier im Song. Der Gitarrist beschränkt sich auf ein paar knappe Ansagen, Vocals gibt es wie erwähnt nicht, dafür tappen die beiden Saitenbediener psychotisch über die Bühne, und eine unkomplizierte, aber wirkungsvolle Lichtshow unterstützt die Musik. Alle vier Musiker erweisen sich als Meister ihres Instrumentes, und die Rhythmusgruppe beginnt eine Pause, die durch das Stimmen der Gitarre entsteht, spontan mit einer Jamsession zu überbrücken. Der Sound bleibt klar, ist in der Gesamtabrechnung aber einen Tick zu laut, wenngleich noch nicht im störenden Bereich. Der urlange letzte Song des regulären Sets beinhaltet einige Keyboardmelodien, die in Färbung wie Soundwahl an Amorphis' "Black Winter Day" erinnern, und der Song selbst bewegt sich in seinen härteren Passagen dann auch in Gefilden, die die Finnen nach ihrer Hinwendung zum Siebzigerrrock auf dem "Elegy"-Album gleichfalls beackert hatten - eine schöne Abrundung des Gigs, der mit einer Zugabe endet, einem relativ klar in A-B-A-Form strukturierten Song, den der Bassist zum Schluß in kniender Haltung spielt. Starker Gig!
Von High Voltage aus dem unweit Gera gelegenen Crossen schaut sich der gesundheitlich angeschlagene Rezensent dann nur noch die ersten drei Songs an (auf die danach noch im Billing stehenden Hella Donna verzichtet er ganz). Das Quintett eröffnet nach einem überlangen, etwas zu größenwahnsinnig wirkenden Intro mit AC/DCs "Shot Down In Flames" und legt "Born To Be Wild" und "Johnny B. Goode" nach - eine Sechziger-/Siebziger-Coverband also, deren AC/DC-Bezug man anhand des Bandnamens ja schon erahnt hatte. Die Instrumentalisten machen ihre Sache dabei durchaus gut, wenngleich der Leadgitarrist ein wenig zu sehr in den Hintergrund gemischt wird, was auch auf den Sänger zutrifft, der aber mit seiner an eine etwas klarere Version von Bon Scott erinnernden Stimme trotzdem einen guten Eindruck hinterläßt. Die freie Fläche vor der Bühne bevölkert sich somit bald mit der "Junggeblieben"-Fraktion, die Tanzbewegungen ausführt, während sich der Rezensent lieber (allein) in die Horizontale begibt.



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