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Winger, Five And The Red One   10.04.2010   Aschaffenburg, Colos-Saal
von gl

Wie war das? Musiker sind tumbe, saufende Schürzenjäger, die ansonsten kaum was auf der Kette haben - und Ausnahmen bestätigen diese Regel? Dann sind dies die Tage eben jener, denn nur 2 Tage, nachdem ich den edlen Gitarrenklängen von Dr. Markus Steffen von Subsignal lauschen konnte, stand ein Gespräch mit Professor Rod Morgenstein an, der seit 10 Jahren in dieser Funktion als musikalischer Direktor am Berklee Institut in Boston Percussion lehrt. Sein Bandkollege Kip Winger hat kürzlich die Orchester-Musik zu einem Klassik-Album namens "Ghosts" komponiert, welches erst im Februar 2010 vom San Francisco Ballet uraufgeführt wurde und übrigens jetzt von der Oper in Hong Kong übernommen wurde! Heute soll es um die rockige Seite der beiden gehen, die mit ihrer Band, in der nach wie vor Reb Beach und John Roth die Gitarren bedienen, 2006 nicht einmal einen Booker in unserem Lande fanden! Nun sind zumindest vier Shows in Deutschland angesetzt und heute steht die allerletzte der kleinen Europatour an. Die Schlange vor der Halle ist recht lang und vorne stehen zwei Frauen aus Schweden, gewandet im "Karma"-Tour-Shirt (welches es heute natürlich nicht mehr gibt ...) - gekauft letzte Woche in London, wo die Show so gut war, daß sie sich infolgedessen die Show heute erneut ansehen wollen!

Five And The Red One-Sänger
Zunächst erscheinen jedoch als Vorgruppe die Ulmer Five And The Red One, die zwar regelmäßig für etliche bedeutende Bands eröffnen, mich aber erneut kalt lassen. Mit ihrem modern angefärbten Alternativrock passen sie leider auch gar nicht zu den Amis, aber ungeschickte Kombinationen sind ja im Tourbooking oft der Fall. Der mit Höflichkeitsapplaus bedachte Auftritt der Band wird nicht besser, als gegen Ende ein Teppich unterm Schlagzeug durch eine Sicherung ankokelt, was in den ersten Reihen für Gestank sorgt!

Reb Beach: The hand is quicker than the eye ...!  John Roth

Die Gitarrenfraktion  Kip Winger
Ohne jegliches Intro betreten dann nach 30 Minuten die vier Winger-Musiker die Bühne und legen mit "Pull Me Under" vom neuen Album rasant los, die Gitarrenprobleme von Reb Beach, welcher auf der rechten Seite steht, werden während des Songs bereits behoben, so daß er zum Geschwindigkeitssolo, wozu er vortritt, wieder am Platz ist. Die hohen Passagen von Kips Gesang sitzen punktgenau und kratzen auch nicht, obwohl das heute der letzte Gig der Tour ist. Ohne den Jubel auszukosten geht's direkt weiter mit "Blind Revolution Mad". John Roth ("from Memphis, Tennessee"), der von Kip auch als der neue Gitarrist von Giant vorgestellt wird, verblasst keineswegs im Vergleich zu Beach, sondern erhält auch seinen "Chicken-picking"-Einsatz, wozu er ebenfalls auf dem Griffbrett seines Instrumentes brilliert. Direkt weiter mit "Easy Come Easy Go" und dem 2. Album, worauf mit dem massiv treibenden "Stone Cold Killer" wieder ein neuer Song folgt. Bei klasse Sound, der von der Band auch abschließend als der beste in Deutschland gelobt wurde (ebenso die Fans in Aschaffenburg in gleicher Weise als am besten mitgehende), präsentiert sich die Band in exzellenter Spiellaune und perfekt harmonierend. Bei anderen mitunter ein Grund regelrecht auszuticken, wenn jemand ihr Instrument anfasst, hält Kip den Fans in der ersten Reihe seinen Bass direkt vors Gesicht und gestattet ihnen, die Saiten anzuschlagen - während der Songs wohlgemerkt!
Kip Winger, wie ihn die 1. Reihe sieht  John und Kip synchron

Mensch Rod, versteck Dich doch nich so ...  Kip am Keyboard
Als jemand, der sehr viele Konzerte sieht, ist es beeindruckend, miterleben zu dürfen, dass jeder seiner Bandmitglieder aber auf die Zehntelsekunde genau weiß, was zu tun ist, wenn Kip entweder stampft, den Bass hochreißt oder zu Präzisionskraftwerk Rod Morgenstein nur 'ne kleine Kopfbewegung machen muss. Es ist sensationell, was Rod Morgenstein aus seinem Kit rausholt und mit welcher Wucht der alles andere als massiv wirkende 56-jährige agiert. Nicht einmal der Bass fehlt (weil er von den Gitarristen moduliert wird) bei den Songs "Rainbow In The Rose", "Headed For A Heartbreak" und "Miles Away", zu denen sich Kip Winger an das linksseitig aufgestellte Keyboard begibt und dort im Sitzen singt. Gerade bei diesen drei Songs zeigt sich eine in Deutschland selten gehörte (da durch etliche Zugereiste angereichert?) Textsicherheit des freudetrunken mitsingenden, übrigens durch hohe Frauenquote durchsetzten Publikums ab. Man kann auch schon an den Shirts (z.B. Lillian Axe, King Kobra oder Tesla) sehen, daß sich heute eine geschmackssichere Meute von ca. 450 Personen eingefunden hat. Das leider von wenigen geschätzte "IV"-Album wird ebenfalls in Form des heftig rockenden "Your Great Escape" berücksichtigt, leider aber durch mehr Songs nicht. "Can't Get Enuff" und "Seventeen" von den ersten beiden Platten kennen dann eben doch mehr Leute und diese Songs wirken im Kontext des eher metallisch orientierten Sets keineswegs unpassend, im Gegenteil, der Fluss des Abends ist absolut stimmig. Bei Schlagzeug- und Gitarrensolo verlässt zumindest keiner im Umfeld seinen Platz, das ist oft genau andersrum. "Madalaine" beendet dann ein (zu) kurzes Konzert, was in seiner Fokussiertheit und Performance bzw. dem Können der Protagonisten auf der Bühne jedoch seinesgleichen sucht. Das noch auf der Setlist stehende "Helter Skelter" wird nicht mehr gespielt, als ein wenig skurrile Zugabe sehen wir Reb Beach zum Abschluß alleine auf die Bühne kommen und wie er ein großes Bier ext, was den überaus positiven Gesamteindruck jedoch keineswegs schmälert. Somit muß "Summa cum laude" vergeben werden für die gezeigte Leistung.
Die Setlist

Fotos: Georg Loegler






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