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The Fabulous Rock Philharmonic Orchestra plays Pink Floyd   29.03.2010   Leipzig, Gewandhaus
von rls

Das Team, das anno 2009 Songmaterial von Deep Purple in einen Rock-Klassik-Crossover umgewandelt hatte, widmet sich in einer ähnlichen Konstellation anno 2010 nun dem Songmaterial von Pink Floyd. Der Rezensent hat die Purple-Umsetzung leider verpaßt und kann daher keine Vergleiche ziehen, aber dafür ergibt sich eine auf den ersten Blick paradox anmutende Vergleichsmöglichkeit, nämlich zum Flames Of Classic-Projekt: gleicher Veranstalter und auch gleicher Lasershowkünstler. Daß die beiden Projekte mit nur reichlich zwei Wochen Abstand im Leipziger Gewandhaus gastieren, ist ein hübscher Zufall, und so erlebt der Besucher beider Veranstaltungen doch mancherlei Deja-Vus, stellt Ideenwanderungen einiger der an die Wände oder an die bekannte runde Projektionsfläche geworfenen Laserbilder bzw. -effekte fest, und selbst die vier Feuersäulen stehen beim Pink Floyd-Projekt an der gleichen Stelle wie beim Flames Of Classic. Wie damals will sich eine erkleckliche Anzahl Besucher das Spektakel nicht entgehen lassen, und so ist das Gewandhaus zwar nicht ausverkauft, aber doch gut gefüllt.
Nun haben sich die Chefdenker und Arrangeure mit Pink Floyd eine für in Richtung Klassik gehende Umsetzungen recht dankbare Band ausgesucht, sollte man meinen - nach den brutto etwa zweieinhalb Stunden Spielzeit (netto also knapp über zwei) stellt sich diese Vermutung auch als richtig heraus. Dabei gibt es zumindest in diesem Projekt (bei Deep Purple wird das vermutlich ähnlich gewesen sein) keine hundertprozentige Übersetzung auf klassische Instrumente - es ist auch eine vierköpfige Band dabei, bestehend aus Schlagzeuger, Bassist, Gitarrist und (allerdings recht wenig beschäftigtem) Keyboarder. Die Wenigbeschäftigung des letzteren läßt sich leicht erklären, denn es sind im wesentlichen seine Parts (also im Original die von Rick Wright), die in Orchesterpartituren umgeschrieben worden sind, und so beschränkt er sich darauf, hier mal ein grand piano und dort mal eine Hammondorgel beizusteuern. Dagegen arbeitet die Rhythmusgruppe soundlich anfangs äußerst dominant, und die Soundmenschen brauchen diesmal die Hälfte des ersten Sets, um das vernünftig auszubalancieren, nachdem man beim Opener "Sorrow" ob der Dominanz von Baß und Drums als Hörer schon fast graue Haare bekommen hatte. Der Knoten platzt hier bei "Time", dem sechsten Song der Setlist (bzw. dem siebenten, wenn man das vom Band eingespielte Intro "In The Flesh" mitzählt), und danach darf man sich zumindest in den meisten Komponenten über ein ausgewogenes Klangbild freuen, in dem weder die Band das Orchester unterbuttert noch umgekehrt. Nur drei Problemfälle, an deren Lösung die Mannschaft tüfteln muß, bleiben bis zum Schluß erhalten. Zum zweiten und dritten unten mehr, der erste hört auf den Namen Anton Mühlhansl und ist für die Saxophonsoli zuständig, die in der Projektfassung noch etwas öfter auftauchen als im Originalmaterial. Problem dabei: Die von "nach drei Vierteln des Solos doch noch auf hörbare Lautstärke gebracht" bis "komplett unhörbar" reichende Skala der Saxophonabmischung wird fast zum Running Gag des Abends.
Als äußerst interessant geht die Songauswahl des Programms durch, denn die mixt gekonnt Erwartetes mit etlichen Überraschungen. Über das Intro "In The Flesh", das erwähnte "Sorrow" und das mit einem coolen Trompetensolo bestechende "Wish You Were Here" erreicht man die erste faustdicke Überraschung, nämlich das mit geradezu abstrusen Vokalpassagen versehene "Gnome" vom 1967er Debüt "The Piper At The Gates Of Dawn", dessen psychedelischen Charakter die hier gebotene Fassung perfekt umsetzen kann. Moment mal, Vokalpassagen? Ja: Ein vierköpfiges Herrenensemble namens Q Vox stellt sich der Aufgabe, Gilmour & Co. zu ersetzen, und da die Arrangeure den Sängern eher klassische Rollen und Gesangssätze auf den Leib geschrieben haben statt 1:1-Kopien der Vorlagen, machen die Herren ihre Sache eigenständig und gut. Das zweite der drei erwähnten Probleme ist nur, daß man sich sehr anstrengen muß, um die Qualität des Gesanges beurteilen zu können: Alle vier Mikrofone bleiben im Gesamtsound bis zuletzt teils stark unterrepräsentiert, was seine negativste Auswirkung in "Another Brick In The Wall Part II" haben soll. Die Aufforderung "Hey, teacher, leave us kids alone" klingt dort nämlich so energisch wie ein Gesangsquartett mit einem Gesamtalter von 400 Jahren, und auch am dritten Problemfall ist der zweite beteiligt: Im Refrain tröten die Trompeten die Sänger mit dem kleinen Finger nieder. Aber wir sind in der Chronologie nach vorn gesprungen; auf "Gnome" folgt "Dogs", mit dem auch nicht unbedingt zu rechnen war und das mit seinen starken Bombastparts soundlich schon einen ersten Schritt zum Besseren markiert ("Pigs" fehlt allerdings, und damit schwebt auch das Zwölf-Meter-Schwein nicht durchs Gewandhaus, obwohl es dort problemlos Platz gehabt hätte). "The Great Gig In The Sky" offenbart kurzzeitig noch einmal Soundprobleme - immer wieder bringen Rückkopplungen das Gesamtbild zum Schwanken. Von der Lasershow her fallen hier besonders die Regenbogenstrahlen auf - natürlich ein Verweis auf das "Dark Side Of The Moon"-Prismencover. Während abgesehen vom Intro (das Frauengesicht kannte man doch auch schon vom Flames Of Classic - hier hält sich die Dame moderationsseitig aber zurück) bisher die Lasershow von Jürgen Matkowitz eher atmosphärisch und kaum figürlich dominiert war, wandelt sich das partiell ab "Time" mit seiner Laseruhr und den skurrilen weißen Pyjamahosen in "Hey You", das generell recht psychedelisch ausgeleuchtet wird. In "Another Brick In The Wall" gibt es dann das beschriebene Szenario zu hören, der Groove braucht etwas Anlauf, und hier kommen dann auch die Feuersäulen erstmals zum Einsatz.
Der zweite Set startet nach einem Intro vom Band ("Goodbye Blue Sky"; neben einem auch schon aus dem Flames Of Classic bekannten Männerkopf lasert Matkowitz hier u.a. die Coverelemente von "The Wall" und "Dark Side Of The Moon" an den Projektionsring) mit der nächsten Überraschung: Wer hätte mit "When The Tiger's Broke Free", einem 1982er Singletrack, gerechnet? Die Band hat hier im Prinzip Sendepause, die Show bestreiten das Orchester mit viel Bombast und starkem Blech sowie die Q Vox mit einer äußerst expressiven Darbietung, die man zur Abwechslung mal gut wahrnehmen kann (ohne Band halt ...). "Echoes" spielt man danach in einer gekürzten Fassung (das Original dauert über 20 Minuten), bevor die nächste Überraschung lauert: "See Emily Play" ist der älteste Song des Sets, im Juni 1967 als zweite Single der Band veröffentlicht (und interessanterweise im Gegensatz zur B-Seite "Scarecrow" nicht auf dem Debütalbum wiederverwertet), und der macht mit seinem flotten Beat und seinen flockig-psychedelischen Einwürfen (jaulende Posaunen ...) richtig viel Hörspaß und bringt auch das bisher etwas lethargische Publikum zum Auftauen. "Shine On You Crazy Diamond" wird im Gegensatz zu "Echoes" in weitgehend voller Länge gespielt (zumindest der erste Akt), und hätten die Trompeten hier nicht wieder mal den Refrain niedergetrötet, man hätte von einer meisterhaften Umsetzung sprechen müssen: Den brillanten Spannungsaufbau so hinzukriegen wie die Originale, das muß man erstmal schaffen, und hier wabert auch die Licht- und Laserkomponente am stimmungsvollsten durch den Raum. Dem Hoch folgt leider das Tief: "High Hopes" ist im Original ein brillanter Song, aber Michel Machee und sein Orchester (das speziell für diese Projekte zusammengestellt wird, wobei die Kernmannschaft zur Prager Philharmonie gehört) nehmen ihn leider viel zu hektisch, vor allem das entrückte Intro vor den Glockenschlägen (die markante sechstönige Folge wird hier übrigens von den Flöten und gezupften Violinen übernommen), während der bombastischere Mittelteil mit seinen teils marschartigen Rhythmen deutlich besser gelingt. Aber wenn man die fast überirdische Ruhe, die z.B. Nightwish in ihre Coverversion dieses Songs gelegt haben, kennt und schätzt, dann ist man von der Interpretation dieses Abends wohl kaum angetan - kurioserweise dürfte angehörs des Applauses diese Einschätzung auf nicht viele Personen im Saal zugetroffen haben. Einig sind sich dann wieder alle bei "Money": Die Version ist klasse; die Sänger beteiligen sich mit Klingeln an den Registrierkasseneffekten, der Powerausbruch in der Mitte sitzt wie eine Eins, und Matkowitz zaubert neben diversen Währungssymbolen auch Sparschweine in den Ring. "Us And Them" schließt den zweiten Set ab; der Bombast im Refrain übertönt mal wieder den Gesang, ansonsten macht auch diese Fassung großen Hörspaß. Das aufgetaute Publikum läßt die Protagonisten ohne Zugaben nicht ziehen und bekommt "Another Brick In The Wall Part II", "See Emily Play" und "Money" noch ein zweites Mal vorgesetzt, teils allerdings in vor allem introseitig etwas gekürzten Fassungen. Wer's selber sehen und hören möchte: Im August 2010 ist das Projekt zwei Wochen auf Open Air-Tour in Deutschland, und wenn die Techniker bis dahin vielleicht noch Lösungen für das eine oder andere der geschilderten Probleme gefunden haben, steht einem rundum lohnenden Erlebnis außer etwaigen Wetterkapriolen nichts im Wege. Termine und alle weiteren Infos auf www.luxevents.eu



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