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Stern-Combo Meißen   05.12.2009   Leipzig, Anker
von rls

Exakt vor Jahresfrist hatte die Stern-Combo Meißen an gleicher Stelle eine eindrucksvolle Auferstehung nach umfangreichen personellen Umbrüchen hingelegt und zugleich verkündet, daß zum 45jährigen Bandjubiläum anno 2009 ein neues Album erscheinen würde. Nun ist das Jahr 2009, wenn dieses Review erscheint, so gut wie vorbei und das Album, naja, zumindest in Sichtweite: 2010 wird es das Licht der Welt erblicken, und im November 2009 hat man immerhin schon mal eine Vorabsingle namens "Das kurze Leben des Raimund S." über den Tisch gereicht. Neuerliche personelle Umbrüche in den vorherigen Größenordnungen sind im abgelaufenen Jahr ausgeblieben, lediglich "Rhythmuskeyboarder" Eghard Schumann ist nicht mehr mit von der Partie. Mit Sebastian Düwelt haben sich die anderen sechs allerdings eine kompetente Ergänzung und zugleich erneut jugendlich-frisches Blut in die Band geholt, denn der Neue senkt den Altersdurchschnitt der Truppe weiter (auch wenn Larrys Ansage, Sebastian sei "gestern 18 geworden", dann doch ein wenig Flunkerei enthielt) und präsentierte sich an diesem Abend im Anker als durchaus gut auf den Rest der Truppe eingespielt.
Aber der Reihe nach: Der Rezensent kam zu spät und verpaßte den Opener "Der weite Weg" sowie den größten Teil von "Der Alte" - diese Aufzählung erlaubt schon die Feststellung eines Unterschieds zum letztjährigen Gig: Damals hatte man in der ersten Sethälfte "Weißes Gold" komplett durchgespielt - das tat man diesmal in der zweiten Sethälfte, leider mit noch problematischerer Situation als damals: Martin Schreier fungierte nach wie vor als Narrator, aber seine Stimme ist noch brüchiger geworden, und so klangen diese Passagen noch stärker nach ungewollter Parodie und hatten mit der beschriebenen "sinnlichen Eleganz" des Meißner Porzellans nun ganz und gar nichts mehr zu tun. Es mag unpopulär klingen, aber hier muß sich die Band in absehbarer Zeit irgend etwas einfallen lassen, um die Kluft zwischen der hochanspruchsvollen Instrumentalarbeit und den unfreiwillig komischen Sprechpassagen nicht zu breit werden zu lassen - Martins Verdienste, die ihm niemand nehmen will, hin oder her. Gesanglich hielt er sich diesmal bereits sehr zurück, sang, von einer der Zugaben abgesehen, nahezu keine Leads mehr, problematisierte allerdings Teile von zwei der drei neuen Songs, die sich in der Setlist befanden, alle drei im ersten Setteil gespielt wurden und das auch noch am Stück - das hat sich seit Status Quo (auf der "Heavy Traffic"-Tour 2003) kaum eine Band vergleichbaren historischen Status' getraut. Der erste der drei Songs, "Ein Tag, ein Jahr, ein Leben", erschloß sich in seiner strukturellen Bedeutung erst im nachhinein: Der "poppige" erste Teil mit Strophen und Refrains erinnerte eher an die kontrolliertere Achtziger-Phase der Band, während das wilde, ekstatische und ausufernde Instrumentalsolo im zweiten Teil in die proggigen Siebziger zurückverwies - der Song bildet somit eine Art Klammer um das historische Bandschaffen und auch um die Besetzung, die ja neben den Konstanten Martin Schreier und Norbert Jäger aktuell sowohl Siebziger- als auch Achtziger-Mitglieder aufweist. Lediglich der Übergang in den zweiten Refrain holperte noch etwas, aber es könnte auch sein, daß sich die Struktur soundbedingt nicht so richtig erschließen ließ. Damit wären wir beim Problem der Refrains: Sowohl in diesem als auch im Folgetrack (das war der Singletrack "Das kurze Leben des Raimund S.") ließ sich die Refrainmelodiestruktur akustisch überhaupt nicht erschließen, verschmolzen Larrys Lead- und Martins Hintergrundgesang zu einer eigentümlichen Masse, von der man nicht so richtig wußte, wie man sie nennen sollte. Gut möglich, daß der Livesound daran mitschuldig war und die Studioversionen hier mehr Klarheit ergeben (allerdings war der generelle Livesound nicht schlecht und stellte nur Norbert Jäger, wenn sein Kollege Frank Schirmer am "normalen" Drumkit etwas intensiver arbeitete, etwas zu sehr ins klangliche Abseits, was im ersten der neuen Tracks zu dem skurrilen Bild führte, daß man ihn schreibmaschinentippähnliche Bewegungen mit großer Intensität ausführen sah, aber kein akustisches Ergebnis wahrnehmen konnte), aber ebensogut möglich, daß Martins Stimme mit dieser Aufgabe einfach überfordert war und das Ganze daher "in die Breite zog". "Das kurze Leben des Raimund S.", etwas langsamer und pathetischer als das vor allem im zweiten Teil äußerst flotte "Ein Tag, ein Jahr, ein Leben", begann recht düster, wandelte sich aber mit trompetenartigen Keyboards bald in "normalen" angeproggten Rock, der neben der erwähnten Refrainproblematik nur noch eine weitere Frage aufwarf: Nach dem zweiten Refrain vermutete man, daß der Song nun richtig losgehen und im Dramatikfaktor zunehmen würde - aber er endete statt dessen plötzlich. War das Gespielte nur ein Single Edit oder der erste Teil einer suitenartigen Komposition? Wenn nicht: Zwar könnte man eine Deutung versuchen, daß das Leben des Raimund S. ja nun eben kurz war und abrupt endete, aber der Hörer blieb trotzdem etwas unbefriedigt zurück. Diese Gefahr bestand beim dritten Song "TNTK", einem Instrumental mit lediglich einigen Vokaliseneinwürfen, nun nicht, zumal man ihn ja auch schon vom letztjährigen Konzert an gleicher Stelle kannte (und überrascht feststellte, daß man sich trotz einjähriger Hörabstinenz an einige Fragmente sogar noch erinnern konnte, obwohl es nun nicht gerade eine sonderlich eingängige Komposition ist). Der Rest des Sets setzte sich dann aus einem Stapel Siebziger- und Achtziger-Klassiker des Bandschaffens zusammen, und selbstredend verzichtete man auch auf Vivaldis "Frühling" nicht, der mit Setposition 5 relativ früh anbrach und demonstrierte, daß Keyboard-Wieder-Platzhirsch Thomas Kurzhals (dessen Spielfreude mal wieder überdeutlich hör- und auch sichtbar war) und sein neuer Sidekick Sebastian Düwelt bestens miteinander harmonierten. Der zweite Setteil endete nicht mit dem Finale von "Weißes Gold", sondern setzte noch "Der Kampf um den Südpol" als Closer dran, und das im Vergleich zum Vorjahr etwas spärlicher erschienene Publikum gab sich ohne längere Zugabenblöcke auch nicht zufrieden. Daß man auf Larry B., zumindest was die stimmliche Komponente betrifft, gar nicht mehr gesondert eingehen muß, beweist, wie gut er mittlerweile im musikalischen Kosmos der Band angekommen ist - aber die Rolle des Frontmannes ist ihm nun auch fast komplett allein zugefallen (bereitet sich Martin Schreier doch langsam auf die Rente vor?), und er füllt diese auch in der Manier eines Vollprofis aus. Weit über zwei Stunden beste Liveunterhaltung von Deutschlands dienstältester Rockband - was will man mehr?



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