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La Ira De Dios, Your Favourite Nightmare 28.11.2009 Glauchau, Café Taktlos
von rls
Unermüdlich touren die Peruaner La Ira De Dios kreuz und quer durch Europa und machen an diesem Abend in Glauchau Station, nachdem sie zwei Wochen zuvor schon einmal im nicht weit entfernten Leipzig gespielt hatten. Als Support eingeplant sind eigentlich New Days Delay aus Hannover, aber die müssen wegen Problemen ihrer Sängerin passen. So kommen Your Favourite Nightmare, ein Ableger der verspäteten Truppe, zu ihrem ersten Gig überhaupt - bisher hat dieses Quartett eher als Studioprojekt gewerkelt, läßt sich seine gewisse Nervosität aber nicht anmerken und hat mit seiner eigentümlichen Stilistik beim Publikum auch recht schnell gewonnen. Klassischen Gothic Rock mit Surfelementen und anderem absonderlichem Zeugs zu kombinieren geht immerhin noch fast als originell durch - Goth'n'Surf sozusagen, wobei der Düsterrock allerdings stets die Hosen anbehält und sie nicht gegen den Neoprenanzug oder die Shorts eintauscht. Optisch ist das Quartett originell zusammengesetzt: Bassist/Sänger und Drummer gehen noch am ehesten als klassische Gruftis durch, der linke Gitarrist würde zu HIM oder gar Negative passen, der rechte wiederum in eine dieser amerikanischen Kaputtniktruppen im Erbe Marilyn Mansons. Daß der linke Gitarrist auch noch ein Misfits-Shirt trägt, rundet das Potpourri ab. Musikalisch indes gelingt den Niedersachsen die Stilverschmelzung gut, die Songs schleppen sich nicht zu sehr durch die Botanik, sondern werfen lieber mal einen flotten Beat oder einen sonstigen tanzbaren Rhythmus ein, und nach eher vorsichtigem Beschnuppern nehmen immer mehr Leute im Café Taktlos (einem alternativen Jugendzentrum klassischer Manier - wenn man mal ein solches Objekt unter Denkmalschutz stellen will, um es für ferne Generationen zu erhalten, wäre das hier ein todsicherer Kandidat) die Einladung zum Bewegen ihrer Hintergliedmaßen an und fordern letztlich sogar noch eine Zugabe ein, die mangels weiterer eingeprobter Songs aus der Wiederholung des surflastigsten Songs "Bat Theme" besteht. Cooler Stoff!
Setlist Your Favourite Nightmare:
Inside
Trouble
Misery
Bat Theme/Jam
Around My Neck
You Know My Name
Bloody Dolls
I Don't Care
Out Of Line
"We've changed a little bit", meint Sänger/Gitarrist Chino vor dem Gig zu mir, nachdem ich ihm erzählt habe, daß die aktuellsten Songs, die ich von La Ira De Dios kenne, vom "Archaeopteryx"-Album aus dem Jahre 2006 stammen. Mit ihm und Bassist Carlos (aka Litros) sind noch zwei Musiker des damaligen Quartetts dabei, Neu-Drummer Pepe ist 2008 eingestiegen, und die vierte Planstelle, nämlich die des Keyboarders, ist nicht wieder neu besetzt worden. Das ist angesichts der eher winzigen Bühne auch nicht schlecht, denn der Oszillatorenapparat hätte doch eine Menge Platz weggenommen. Und schnell wird auch klar, was Chino mit der Veränderungsankündigung gemeint hat: Aus dem Spacerock der früheren Tage ist sozusagen Spacepunk geworden, sie selber nennen es Psychedelic Punk, was auch gut hinkommt. Die ersten drei Songs umreißen praktisch das komplette neue Tempospektrum der Band von mittelschnell über schnell bis ganz schnell, dazu kommt ein vielfältiger Gesang, von dem Chino zwar den größten Anteil übernimmt und sich mit großer Inbrunst dieser Aufgabe entledigt, aber auch die beiden anderen Mitglieder haben je ein Gesangsmikrofon vor bzw. neben sich und nutzen das auch, teilweise sogar in Leadfunktionen. Allerdings liegt der Fokus eher auf der vehementen Instrumentalarbeit, und auch in diesem Punkt machen die drei Peruaner keine Gefangenen. Ob sie nun anderhalb- oder achtminütige Stücke intonieren, sie sind zu einem klassischen Powertrio geworden, wie man es etwa von Cream her kennt, und streuen spacigere Parts zumindest live (wie das auf den Studioplatten aussieht, kann ich nicht sagen) nur in würzender Dosis ein. Und sie verstehen ihr Handwerk, arbeiten hart auf der Bühne, lassen den Schweiß in Strömen fließen und dürfen sich sogar über einen relativ klaren Sound freuen - und das, obwohl niemand hinter dem Mischpult steht: Dessen Bediener springt über weite Teile des Gigs irgendwo begeistert durch den Club, und auch gute Teile des restlichen Publikums inclusive meiner Person fühlen sich zum Schwingen des Tanzbeins animiert. "Fucking Chaos" widmet Chino seiner Heimatstadt Lima, und so klingt der Song dann auch, aber La Ira De Dios behalten stets die Kontrolle über das, was geschieht, selbst dann, wenn sie als Zugabe einen Song mit zweistelliger Minutenanzahl spielen - vermutlich ein älterer umarrangierter aus der Spacerockzeit, aber ich habe ihn nicht erkannt. Eine klasse Spacerockband weniger, eine klasse Spacepunkband mehr - ein guter Tausch, findet das begeisterte Publikum, das sich gegen Gigende immer mehr in einen Rausch tanzt, ohne dazu bewußtseinserweiternder Mittelchen zu bedürfen. Und hätte nicht scheinbar eine reißende Gitarrensaite Chino an einem Finger verletzt, der La Ira De Dios-Gig hätte vermutlich noch ein gutes Stück länger gedauert als die reichlich anderthalb Stunden, die es unterm Strich sind. Anders als erwartet, aber richtig gut - hingehen und selber überzeugen, wenn die Band mal wieder in der Nähe ist!
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