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Münchener Freiheit   02.10.2009   Dresden, Kulturpalast
von rls

Das überwiegend bärenstarke neue Album "Eigene Wege" hatte die Hoffnung auf exzellente Münchener-Freiheit-Konzerte anno 2009 genährt, was dann beim Gig zum Brauereifest in Wernesgrün im Juni zu einem Ergebnis führte, das am Jahresende sicherlich ganz weit oben mitmischen wird, wenn es um die Trophäe "Gig des Jahres" geht. Die reguläre Tour zum Album gab es diesmal erst ein halbes Jahr nach Albumveröffentlichung, dazwischen hatte sich die Band mit einzelnen Open Air-Gigs wie eben dem erwähnten in Wernesgrün aber in Spiellaune gehalten, und so konnte man optimistisch dem Tourauftakt entgegensehen, der diesmal nicht in Chemnitz wie die letzten Jahre, sondern in Dresden stattfand. Da aber auch der Rezensent am fraglichen Wochenende im Raum Dresden zu tun hatte, ergab sich erneut die Konstellation der Begutachtung des Tourauftaktes.
Und dieses Konzert, um das Fazit vorwegzunehmen, wurde zwar keine Enttäuschung, aber die hochfliegenden Hoffnungen nach Album und Wernesgrün konnte es auch nicht ganz erfüllen. Das lag an allererster Stelle am Sound. Der Rezensent war vorher noch nie im Kulturpalast gewesen, kann also keine Vergleiche zu anderen Veranstaltungen an gleicher Stelle ziehen, sondern lediglich zu anderen Gigs der Band, und gerade im Vergleich mit dem glasklaren und energiegeladenen Sound von Wernesgrün fiel Dresden doch vom Rand der Weltenscheibe herunter. Die ersten zwei, drei Songs dominierte der Baß fast alles andere, und auch in dem danach eingepegelten Maß blieb er deutlich überlaut. Darunter hatten die Rhythmusgitarren zu leiden, die oftmals nur wenig für die Tragkraft des Songgerüstes tun konnten, und die Leadgitarren vermochte man häufig nur zu erahnen (weil man eben weiß, wie sie an bestimmten Stellen klingen), was zumindest frequenzseitig keine Überlagerung durch den Baß als Ursache gehabt haben dürfte. Und die wenig druckvollen Rhythmusgitarren nahmen Songs wie "Aus der Nummer raus" und "Durch Himmel und Hölle" dann leider einen gewissen Teil ihres Reizes, indem die auf CD schön angelegte Steigerung zum Refrain hin live kaum zum Tragen kommen konnte. Aber Moment mal: "Durch Himmel und Hölle"? Ja, noch ein weiterer Track des neuen Albums hatte seinen Weg in die Setlist gefunden, nachdem er in Wernesgrün noch nicht erklungen war. 7 von 17 Songs des neuen Albums auch live zu bringen - welche andere "alte" Band kann sich das erlauben, ohne von ihren Altfans gesteinigt zu werden? Die anderen sechs Tracks entsprachen den bereits in Wernesgrün gespielten (erstaunlicherweise fehlte also wiederum das bereits auf der 2008er Tour angetestete "Die Liebe zählt"), und auch das dort nach einigen Jahren der Abstinenz wieder ausgegrabene "Katrin" blieb im Set, der in Gestalt von "Tausend Augen" noch eine weitere Überraschung beinhaltete (die Festivalsets 2008 markierten die Wiederausgrabung dieses Songs, aber die Beantwortung der Frage, ob er auch auf den 2009er Festivals im Set stand, scheitert wieder mal an der Amnesie des Rezensenten) - der Song steht auf keinem der regulären Studioalben, sondern lediglich als Bonustrack auf der Best Of von 1993, so daß eine ähnliche Konstruktion wie bei "12 Uhr nachts" vorliegt. Dieser Song erzeugte bei Stefan übrigens scheinbar eine kleine Freudsche Fehlleistung - er verlegte den Beginn von "S.O.S." nämlich kurzerhand um zwei Stunden nach vorne. Oder sollte das gar Absicht gewesen sein? Zuzutrauen wäre das einer Band wie der Münchener Freiheit, die durchaus Wert auf Details legt, zweifellos, wenngleich die Theorie eines Verhasplers noch durch Stefans sympathisches Danebenliegen beim Ansagen von "Ich will dich nochmal" (das er einen Song früher ankündigte, als die Setlist eigentlich vorgesehen hatte) gestärkt wird. Das gehört halt mal zu einem Tourauftakt dazu ... Nicht übergehen sollte man auch Arons (fast) neues Break zwischen den Strophen von "Ohne dich (schlaf ich heut nacht nicht ein)", ansonsten herrschte zwei Stunden lang business as usual im besten Sinne mit genausoviel Routine wie Spielfreude (ja, das schließt sich keineswegs aus!) und einer soliden Gesangsleistung Stefans, der sich in etlichen mehrstimmigen Passagen aber wieder etwas zurücknahm, um sich nicht gleich zu Anfang der Tour zu überanstrengen - immerhin lag die Spielzeit auch diesmal nicht unter zwei Stunden. Highlights aufzuzählen erübrigt sich (es gab deren genügend, und "Sommernachtstraum" stand erwartungsgemäß weit oben), das Publikum gehörte allerdings definitiv nicht dazu - da hat man schon deutlich feierfreudigere Auditorien erlebt, wenngleich man natürlich auch in Dresden nicht mit Applaus sparte und etwa nur am Stuhl klebte. Aber so trafen sich Stimmung und Soundqualität irgendwie auf Augenhöhe. Erwähnung finden sollte allerdings die nicht sonderlich komplizierte, aber wirkungsvolle Lichtwand hinter der Bühne, auf die man dann alles von abstrakten Mustern über rote Herzen (natürlich zu "Ein Augenblick in Rot") bis hin zum Wort "Rock'n'Roll" bei der letzten Zugabe projizierte. Der Altrockfreund knobelte schon, ob er eventuell den Led Zeppelin-Klassiker als instrumentengetauschtes Abschlußcover vorgesetzt bekommen würde (wenngleich der sich original "Rock And Roll" schrieb), aber es lief dann doch wieder auf Joan Jetts "I Love Rock'n'Roll" hinaus, das zwar nach wie vor recht unterhaltsam ist, aber dann doch mal einer neuen Idee weichen dürfte. (Wie wär's denn zum Beispiel mit dem erwähnten Track von Led Zeppelin? :-)) Unterm Strich also wie erwähnt kein schlechter Gig, aber wenn man einmal das Beste bekommen hat (wie in Wernesgrün), dann stellt das eben den Maßstab für alles Folgende dar ...



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