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Adora   21.08.2009   Burgstädt, Gasthof Goldener Stern
von rls

Bekannter- oder auch unbekannterweise unterhalten einige Musiker der altgedienten Burgstädter Kirchenband Adora noch ein Seitenprojekt unter gleichem Bandnamen, bei dem sie ihrer Liebe zum traditionellen Sechziger- und Siebzigerrock frönen und sich so just for fun ein mittlerweile auf etliche Stunden Material angewachsenes Repertoire erarbeitet haben, das natürlich stilistisch auch die eine oder andere Spur im religiös determinierten Schaffen ihrer "Hauptband" hinterlassen hat, die in den letzten Jahren immer stärker ihre Rockwurzeln entdeckte und dies auch in ihr Musicalschaffen einfließen ließ. Das Seitenprojekt agiert aber nicht nur im Proberaum, sondern spielt unter dem Banner "Handmade Rock Classics" eine kleine Handvoll Gigs pro Jahr. Freilich hatte man in letzter Zeit regelmäßig Pech: Immer wenn Adora einen Open Air-Gig anstehen hatten, regnete es - fast schon ein Running Gag. An diesem Freitagabend nun stand die 7. Burgstädter Musiknacht auf dem Programm, bei dem eine Handvoll lokaler Künstler in einigen Lokalen der Kleinstadt bei freiem Eintritt und entsprechend pelagisch gedachter Besucherbewegung musizierte. Davor drei Wochen Sonnenschein mit nur einem Regentag dazwischen, auch danach eine längere Schönwetterperiode - und die große Gewitterfront ausgerechnet am Konzertabend, wobei Burgstädt allerdings von größeren Katastrophen verschont blieb und der Regen im Verlaufe des Abends sogar immer mal für eine halbe Stunde aufhörte und generell nicht so sehr heftig vom Himmel fiel. Ergo blieb die Besucherzahl ein wenig hinter den Erwartungen zurück, aber trotzdem machten sich etliche tapfere Burgstädter auf den Weg, bewaffneten sich mit regenabweisenden Ausrüstungsgegenständen und wurden so Zeuge eines unterhaltsamen Adora-Gigs.
Eigentlich war ein Beginn um 20 Uhr geplant gewesen, aber letztlich starteten Adora angesichts des Wetters und einer trotzdem schon ansehnlichen Anwesendenzahl bereits 20 Minuten vorfristig, so daß der Rezensent über ebenjene 20 Minuten nichts aussagen kann (man hatte mit REO Speedwagons "Back On The Road Again" thematisch passend eröffnet und danach u.a. noch Neil Young, Eric Clapton und The Band aufgefahren) und erst mitten im ersten Block pünktlich zu Styx' "Boat On The River" in der Lokalität eintraf, die sich als romantischer weinlaubumrankter Hinterhof entpuppte. Adora spielten über eine relativ übersichtliche Anlage und hatten selbst auf ein "richtiges" Mischpult verzichtet - mit einer großen PA hätte man freilich den Hinterhof soundlich erdrückt, allerdings dauerte es einige Zeit, bis der Soundmix richtig ausgewogen war, und so mußte man bei etlichen Songs der ersten beiden Blöcke auf einige Dinge wie die Klänge des hinteren Keyboards (ja, man hatte zwei dabei, allerdings nicht durchgängig alle beide besetzt), manche Vokalpassagen und vor allem Leadgitarren verzichten, was bisweilen ein eher skurriles Klangbild hervorrief, wenn etwa Uriah Heeps "Easy Livin'" ohne die kompletten Licks und Leads auskommen mußte und auch in "Smoke On The Water" so mancherlei fehlte bzw. ungeplant holprig klang. In anderen Songs dagegen schienen die Reduzierungen auf kompositorische Basiselemente interpretatorisches Stilmittel zu sein, und überhaupt entpuppte sich die Strategie Adoras als äußerst interessant: Zwar blieb die originale Struktur der Songs unangetastet und auch manches Detail an seinem Platz (was etwa dazu führte, daß Keyboarder Holger in "Johnny B." der Hooters das Hauptthema auf der Blockflöte blies, anstatt es am Keyboard zu simulieren), aber eine zwingende 1:1-Umsetzung stand nicht auf dem Plan, jedenfalls nicht gesangsseitig. Bei der Vielfalt der Originalkünstler wäre diese Aufgabe trotz der Tatsache, daß vier der sechs Adora-Mitglieder Leadvocals übernahmen, auch gar nicht lösbar gewesen (oder kennt jemand einen Sänger, der in identischer Weise nach Ian Gillan, Jack Bruce und Lemmy klingen kann?). Zudem war Martin, der den Löwenanteil der Leadgesänge übernahm, stimmlich offenbar ein wenig gehandicapt - er kann prinzipiell mehr (wie alle wissen, die ihn vom Adora-Hauptzweig kennen), kämpfte an diesem Abend aber besonders mit den Höhen und mußte im dritten Block sogar ungeplant einen Song aussetzen (man schob kurzerhand das von Gitarrist Andreas gesungene Cream-Cover "Sunshine Of Your Love" ein, bevor es wie vorgesehen mit Saxons "Wheels Of Steel" weiterging). Die Tatsache, daß er mit einer relativ natürlich-ungekünstelten Stimme arbeitet, kam besonders den drei Wishbone Ash-Songs im Set zugute, denn deren jeweilige Vokalisten gingen seinerzeit ähnlich zu Werke. Als äußerst interessant erwies sich in diesem Kontext das Experiment, die Bad Company-Ballade "Ready For Love" von Drummerin Kerstin singen zu lassen - einen Vokalisten vom Schlage Paul Rodgers' hätten Adora sowieso nicht aufbieten können, also stellten sie sich dem Direktvergleich gar nicht erst, und die in ein Deep Purple-Shirt gehüllte Drummerin zog sich gesanglich sehr achtbar aus der Affäre. Stärkere Orientierung am Originalgesang verrieten nur "Built For Speed" (ja, Motörhead standen auch im Set - allerdings kommt nun wirklich niemand an Lemmy heran, auch Martin logischerweise nicht) und der Blues kurz vor Schluß, den Andreas mit einer derart rauhen Stimme sang, als hätte er vorher ganz komische Substanzen im Bier gehabt. Apropos Blues: Der nahm selbstredend eine gewisse Sonderstellung im Set ein, einerseits mit ein paar Klassikern dieser Sparte, andererseits auch mit "Neoblues" wie etwa Gary Moores "Still Got The Blues". Am anderen Ende der Skala stand neben den erwähnten Tracks von Saxon und Motörhead noch "Templars Of Steel" von HammerFall, mit dem nun wirklich nicht zu rechnen gewesen wäre (wenn man es nicht zuvor in der Repertoireliste entdeckt hätte). Hier brachten Adora das Kunststück fertig, dem Power Metal so viel an Power zu entziehen, daß die entstehende Fassung für das Publikum dieses Abends kompatibel blieb (auch wenn außer dem Rezensenten und dem Menschen im Mocking Death-Shirt wohl keiner das Original kennen dürfte), das Ergebnis aber trotzdem nicht zahnlos klang - überhaupt eine Tugend der Band, von der der Rezensent nicht unbedingt gedacht hätte, daß sie ihm gefallen könnte, aber es waren letztlich nur wenige Momente, wo man sich dann doch einen Tick mehr Energie gewünscht hätte (ach ja, und die Ohoho-Chöre in ebenjenem Track klangen eher nach erschöpftem Tempelritter nach monatelangem Ritt durch die Wüste ...). Dafür entschädigte die originelle Songauswahl, die zwar einerseits Bekanntes pflegte (und damit die Erwartungen des unspezialisierten Teils der Hörerschaft, der das Gros ausmachte, erfüllte), aber hier und da dann doch Ausgrabungen vornahm, die selbst Spezialisten wie den Rezensenten gelinde überraschten. Beispiel The Eagles: Nicht etwa "Hotel California", sondern "Somebody" von ihrem 2007er Comebackalbum. Beispiel Kansas: Nicht etwa "Dust In The Wind", sondern "Hold On". Beispiel Motörhead: Nicht etwa "Ace Of Spades", sondern das erwähnte "Built For Speed" vom 86er "Orgasmatron"-Album. Beispiel Lynyrd Skynyrd: Natürlich "Sweet Home Alabama", aber daneben auch noch ein (deutlich besserer!) Song, nämlich "Rockin' Little Town" (auch programmgemäß!) von ihrem 2003er Album. Schließlich das Beispiel Wishbone Ash: Natürlich "Throw Down The Sword" und "The King Will Come", die beiden Klassiker vom "Argus"-Album, aber als Closer des gesamten Gigs (eine Zugabe folgte freilich noch) "Faith, Hope & Love" vom 2002er "Bona Fide"-Album, dessen Botschaft einen gekonnten Bogen zum Hauptzweig des Adora-Schaffens schlug. Generell hinterließ der gesamte Gig (mit knapp vier Stunden Nettospielzeit!) einen positiven Eindruck der Marke "Gemütlicher Abend mit den musizierenden Kumpels von nebenan", und das Publikum sah das trotz des weniger gemütlichen Wetters ähnlich.



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