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WISHBONE ASH: Argus (Remastered & Revisited)
von rls

WISHBONE ASH: Argus (Remastered & Revisited)   (MCA Records)

Die Praktik, bestimmte Alben zu Jubiläen ihrer Erscheinung nochmals in veränderter (will heißen: erweiterter) Form aufzulegen, kennt der Freund des Siebziger-Hardrock beispielsweise von den frühen Deep Purple-Meilensteinen. Nun liegt in ähnlicher Weise "Argus" von Wishbone Ash vor, veröffentlicht original anno 1972 und nunmehr also ein "Ich bin 30 – bitte helfen Sie mir über die Straße"-T-Shirt verdienend, wenn, ja, wenn die enthaltene Musik nicht so zeitlos wäre. "Argus" gilt vielen Wishbone Ash-Fans als das ultimative Album der Band, stellte einen guten Teil des ein Jahr später (nach Erscheinen des Albums "Wishbone Four") unter dem Titel "Live Dates" auch auf Konserve veröffentlichten Liveprogramms dieser Zeit, und noch heute vergeht kein Wishbone Ash-Konzert, ohne daß nicht mindestens zwei Titel – meist "The King Will Come" gleich als Opener und "Throw Down The Sword" an exponierter Stelle im Set – erklungen wären. "Argus" war das dritte Album der damals noch in Originalbesetzung (Martin Turner - b, v; Ted Turner – g, v; Andy Powell – g, v; Steve Upton – dr) agierenden Band und bot allerfeinsten Ur-Siebziger-Hardrock, dem der Keyboardeinsatz nahezu fehlte (lediglich "Throw Down The Sword" läßt dieses Instrument anklingen) und der als Originalitätsfaktor statt dessen mit zwei Leadgitarren arbeitete, was keine bekanntere Band seinerzeit tat (wohl aber einige unbekanntere, so daß Wishbone Ash nicht die absoluten Erfinder dieses Stilmittels waren, wohl aber diejenigen, die es – lange vor Thin Lizzy oder gar Judas Priest – popularisierten, unabhängig davon, ob sie die anderen Bands, die bereits so arbeiteten, nun kannten oder nicht). Musikalisch wie textlich präsentieren sich die sieben Songs als weitgehende, aber nicht völlig verkomplexisierte Einheit – es geht um das Thema Zeit und um deren Bedeutung in Religion und Mythologie sowie im alltäglichen Leben. "Time Was" heißt gleich der Opener, "Sometime World" der nächste Track, beide um persönliche Veränderungen und die Hoffnung auf eine zweite Chance gewoben. "The King Will Come" führt ähnliche Gedanken aus, allerdings in biblischer Richtung, und die zusammenhängenden "Warrior" und "Throw Down The Sword" sind gleichermaßen symbolistisch wie auf die Realität bezogen, wobei die Reihenfolge einen pazifistischen Grundton nahelegt, der ursprünglich vielleicht nicht intendiert war, vielleicht aber doch. Der kraftvolle Rocker "Warrior" kontrastiert allerdings recht wirkungsvoll mit dem anfangs fast zerbrechlichen Grundton von "Throw Down The Sword", der auch in der epischen Fortsetzung nicht verlorengeht, da sich der Song nicht zu einem ekstatischen Mittel- oder Schlußteil steigert wie das vergleichbare "Child In Time" von Deep Purple. "Throw Down The Sword" ist und bleibt mein Alltime-Lieblingssong der Briten, der das reguläre Album würdig beschließt. Da ich die Original-LP nicht besitze (es wird sicher in der Zwischenzeit auch schon die eine oder andere CD-Version gegeben haben), gebe ich zur Qualität des neuen Mixes keinen Kommentar ab und erwähne lediglich, daß Martin Turner höchstselbst daran beteiligt war. Als Zugabe werden dem Hörer noch drei Livetracks angeboten, nämlich "Jail Bait", "The Pilgrim" und "Phoenix" (letztgenannter vom selbstbetitelten Debüt, die beiden anderen vom Zweitling "Pilgrimage"), eingespielt am 21.8.1972 bei einer Radiosession in Memphis, Tennessee und damals als Promoinstrument an andere US-Radiostationen verteilt, aber nie regulär veröffentlicht und somit für Sammler ein gesuchtes Objekt. Ganz Kinder der 70er, bauten Wishbone Ash ellenlange Soli und Improvisationen in die Tracks ein, so daß dieser Teil der CD immerhin nochmals zwei Drittel der Länge des regulären Albums aufweist und den Silberling auf über 77 Minuten bringt. Ob sich daher der Erwerb der CD (die umfangreiche Linernotes, aber leider keine Texte im Booklet transportiert) auch für diejenigen lohnt, die die Original-LP schon besitzen, muß jeder selbst entscheiden (billiger als die "Live From Memphis"-Promo ist die gesamte CD allemal zu haben). Wer das Album jedoch noch nicht besitzt, muß umgehend zugreifen – ansonsten entgeht ihm ein Meilenstein der Rockgeschichte.



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