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Vicki Vomit   21.02.2009   Frohburg, Grüne Aue
von rls

Neben seiner Bandarbeit mit den seit Jahren erstaunlicherweise nicht mehr umbenannten Misanthropischen Jazz-Schatullen geht Vicki Vomit auch solistischen Aktivitäten nach, und obwohl der Rezensent die Band in ihren verschiedensten Konstellationen schon häufig live gesehen hat, war ihm dies mit dem Soloprogramm bisher nicht vergönnt gewesen, bis sich am selbigen Abend die Gelegenheit bot, das quasi um die Ecke nachzuholen. Die Grüne Aue, in der der Rezensent seit über 15 Jahren nicht mehr gewesen war, entpuppte sich aktuell als mittelgroßer und bestuhlter sowie partiell betischter Saal mit Empore links. Nachdem Vickis letzter Sologig dort im Herbst 2007 ausverkauft gewesen sein soll, war man diesmal von diesem Prädikat ein Stück weit entfernt, aber trotz ungemütlichen Schneeregens hatten doch etwa 150 Besucher den Weg in die Lokalität gefunden.
Die erste Hälfte des Sets gehörte Vickis Solokabarettprogramm, also reinen Wortbeiträgen. Ein übergeordnetes Thema existierte dabei offensichtlich nicht, vielmehr offenbarte sich ein modularer Aufbau, den Vicki dann vermutlich je nach Publikumslage in seiner Zusammensetzung variiert. Das sah in Frohburg dann so aus, daß er nach den ersten politisch determinierten Modulen bemerkte, daß für diese hier in der sächsischen Provinz (weder beschönigend noch abwertend, sondern in diesem Kontext einfach beschreibend gemeint) gerade nicht das geeignete Publikum anwesend war (wenngleich Witze über die Nazi-Jugend in der Prignitz natürlich auch hier ankamen, denn die Prignitz ist weit ...) und es den Leuten eher nach allgemeiner Zerstreuung gelüstete. Die bekamen sie mit Anekdoten aus Vickis Jugend dann auch geliefert, gemixt dann allerdings auch mit einigen Seitenhieben, wo das Publikum (oder zumindest Teile davon) nicht bemerkte(n), daß Vicki ihnen und ihren Erwartungen gerade einen Spiegel vorhielt. Seine humortechnisch gewöhnungsbedürftige Fäkalphase, die man auch auf einigen Tonträgern der Bandkonstellation reflektiert fand, ist offenbar auch im Soloprogramm weitgehend entwichen, wenngleich man für das eine oder andere der verbalen Bilder schon noch ein gewisses, ähem, Stehvermögen brauchte. Gewiß, nicht alle Pointen und Wendungen erwiesen sich als brandneu, aber der prinzipielle Unterhaltungswert stimmte, und der folgende Satz könnte sich zum Satz des Pythagoras für alle gewollten oder ungewollten Witzfiguren der Gesellschaft entwickeln: "Werd' Komiker - dann lacht wenigstens niemand über dich."
Ein nicht geringer Teil des Publikums war offenbar auch mit Vickis Bandschaffen vertraut, und der kam dann in der zweiten Hälfte des Abends auf seine Kosten, denn diese bestritt der Erfurter Barde ausschließlich mit seinen Liedern, allerdings eben in Alleinunterhalterversion mit Gesang, Akustikgitarre und in einem Fall noch Mundharmonika. Und man staunte, daß die Kompositionen auch in diesem Kontext durchaus funktionierten - oder sagen wir: funktioniert hätten, denn die Gitarre war im Gesamtmix ein gutes Stück zu laut gedreht worden, was am Nervenkostüm des Hörers sägte und zudem die Textverständlichkeit ein gutes Stück beeinträchtigte. Und wenn wir gerade beim Mäkeln sind: Die Lieder an diversen Stellen zu unterbrechen und irgendwelche Erklärungen zu bestimmten Textstellen, sprachlichen Bildern o.ä. einzuschieben (und dann auch noch x-mal wieder anzusetzen, drei Töne zu spielen, wieder aufzuhören, weiterzureden, wieder anzusetzen, drei Töne zu spielen ...) nervte in vielen Situationen nur noch - die Zusatzinformationen wären locker noch vor oder nach den Songs unterzubringen gewesen. "Kleine Meerjungfrau" eröffnete den Reigen, und im Vergleich mit dem 2008er Bandgig im Leipziger Anker taten sich doch interessante Entwicklungen in der Setlist auf: Sie war logischerweise kürzer, trotzdem fanden sich Neuzugänge, die im Anker nicht erklungen waren. Das betraf etwa "Die holde Hilde" vom "Bumm Bumm"-Werk, das allerdings mit der übertriebenen Gestik eher lächerlich als lustig wirkte, und überraschenderweise auch den Song mit Mundharmonika, nämlich "Der Kannibale von Rotenburg", der als einer von nur drei Songs vom immer noch aktuellen "Für'n Appel und 'n Ei"-Werk im Anker nicht gespielt worden war, sich hier aber als interessantes kleines Highlight entpuppte. Der Klassiker "Wohin mit Omas Leiche" (diesmal mit variiertem Schluß, denn da baute Vicki kurzerhand das Finale von "Highway To Hell" ein, nachdem zuvor auch schon das "Smoke On The Water"-Riff verwurstet worden war) beendete den von Teilen des Publikums mit relativ hoher textlicher, aber abgründiger melodischer Sicherheit mitgesungenen Hauptset, aber ohne diverse Zugaben kam der Thüringer nicht davon, bisweilen wieder als Medley zusammengefaßt und natürlich auch "Orbeidslos un Spoß dorbei" (sowas wie Vickis "Highway To Hell" darstellend) enthaltend.



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