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Phantom Stars, Girlschool, V8 Wankers, Benedictum   01.11.2008   Leipzig, Conne Island
von rls

Der letzte Tag einer Tour ist ja oftmals etwas Besonderes, speziell dann, wenn sich die Beteiligten offensichtlich super verstanden haben und zu einer Art Teilzeitfamilie zusammengewachsen sind. Ebenjenes scheint auf der 2008er Girlschool-Tour der Fall gewesen sein, wie der letzte Gig der knapp zweiwöchigen Rundreise deutlich machte.

Veronica Freeman
Das ging schon bei Benedictum los, und deren Sängerin Veronica entpuppte sich als die Professionalität in Person. Deutlich zu verstehende Ansagen mit Songtiteln und Informationen, auf welchem Album denn der jeweilige Track zu finden ist, auch eine deutliche Aussprache des Bandnamens - das alles sollte auf einem Gig einer noch am Karriereanfang stehenden Band eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein, aber die Praxis lehrt uns, daß dem häufig nicht so ist. Veronica fütterte also den potentiellen Fan mit allen Informationen, welche dieser brauchte, freute sich über eine kleine Handvoll Diehard-Fans in der ersten Reihe, stellte auch Animationsqualitäten unter Beweis, sah nebenbei bemerkt auch noch, wenn man auf diesen Typus Frau steht, zum Anbeißen aus - und natürlich sang sie auch noch. Und was da für eine Röhre erklang! Klar, sauberstes Melodiehalten ist nicht so ihr Ding, aber das machte sie mit einer Riesenportion Power wieder wett, ohne deshalb aber in simples Geschrei auszuarten. Von ihren vier Mitstreitern arbeiteten zunächst nur zwei im hörbaren Bereich, nämlich der Gitarrist und der Drummer - der Bassist merkte erst nach einem halben Song, daß sein Instrument offensichtlich nicht richtig verkabelt war, und den Keyboarder hörte man gar erst im dritten Song erstmalig - dann aber hatte sich der Sound auf einem sehr guten Level eingepegelt, das er auch den ganzen Gig lang kaum noch verlassen sollte. Den leicht modernen Touch der Studioalben, vor allem im Gitarrensound und -spiel, fand man in der Livesituation kaum wieder, eher im Gegenteil - aufgrund des Vorhandenseins nur eines Gitarristen fühlte man sich bisweilen an die Siebziger-Livepraxis erinnert, wenngleich die donnernden Drums diesen Eindruck nachdrücklich zu torpedieren trachteten. Selbiger Gitarrist war übrigens farbig, was sich auch auf seine Mode niederschlug - man hätte ihn optisch in jede beliebige HipHop-Crew stecken können, wohingegen musikalisch in ihm eindeutig ein Metalherz schlug. Von den Songs her griff man zweimal aufs Debüt "Uncreation" zurück und berücksichtigte den aktuellen Zweitling "Seasons Of Tragedy" mit drei Eigenkompositionen (von denen "Beast In The Field" die stärksten Resonanzen erntete) und dem "Balls To The Wall"-Cover als großem Partycloser, bei dem sich die Girlschool-Mädels und die V8 Wankers zur vokalen Verstärkung mit auf die Bühne begaben, somit erstmals an diesem Abend richtig große Feierlaune erzeugend.
Keine Diehard-Fans vor der Bühne stehen hatten die V8 Wankers, als sie nach erfreulich kurzer Umbaupause (alle Bands spielten über die gleiche Technik) ihren Gig begannen - aber sie dürften sich eine ganze Reihe neuer Fans erspielt haben, denn nach einigen Tracks begann sich ein Moshpit zu bilden (es war offensichtlich einiges Stammpublikum des Conne Island anwesend, und das wurzelt in der Punk- und Hardcore-Szene), und die Stimmung stieg von Song zu Song. Mit ihren recht geradlinigen Straßenrock zockten die Hessebube allerdings auch eine für diese Zielgruppe durchaus kompatible Sorte Musik, wenngleich sie genug Abwechslung einbauten, um das Ganze nicht in alkoholselige Monotonie abdriften zu lassen, obgleich gerade Fronter Lutz Vegas bisweilen einen doch etwas angeschlagenen Eindruck machte, sich aber tapfer durch den Gig kämpfte und gesanglich keine schlechte Leistung bot. Klar, große Techniker sind alle fünf Jungs nicht, aber das brauchten sie zur Erzeugung eines nicht unbeträchtlichen Unterhaltungswertes an diesem Abend auch nicht. Das schwer tätowierte Quintett (ein gewisser Farbprozentsatz scheint 'ne Einstellungsvoraussetzung zu sein ...) spielte sich quer durch sein Schaffen und packte auch einen deutschsprachigen Song aus, dessen Titel "Eier aus Stahl" in englischer Fassung noch nicht mal bei Manowar vorgekommen ist. Manowarkompatibel war auch sein lange ausgespielter Einleitungsakkord, bis man aber doch in einen der gewohnten speedigen Rocker umschaltete. Einen Partytrack mit Unterstützung der anderen Bands gab's natürlich auch, hier als Zugabe, die der Soundmensch offenbar gar nicht gewähren wollte, da er gleich nach Ende des regulären Sets die Umbaupausenmusik einschaltete. Aber das Publikum brüllte diese nieder, und als verstärkte Zugabe kam "Wankers Without A Cause", was aus dem Munde der Girlschool-Mädels natürlich etwas putzig klang ...

Enid Williams  Jackie Chambers

Noch einmal Jackie Chambers  Kim McAuliffe
Girlschool hatten es hernach recht einfach, die Stimmung auf einem guten Level zu halten. In weiten Teilen kann man das Review vom Dresden-Gig 2007 übernehmen, aber eben nur in weiten Teilen. Zum einen war der Sound nämlich besser als damals - Jackies Gitarre noch einen kleinen Tick lauter, und das wäre praktisch die Ideallinie gewesen. Spaß hatten die Mädels auch damals, aber diesmal schien er sich noch potenziert zu haben, alle drei Frontladys schlitterten in den Ansagen von einem Witz in den nächsten (Kim zum Motto "30th Anniversary Tour": "Das ist Unsinn. Wir sind eine Frauenband. Wir feiern kein 30jähriges Jubiläum, sondern zum zweiten Mal das 29jährige."). Von der Setlist her eröffneten Girlschool natürlich mit "C'mon Let's Go", vergaßen Hits wie "Screaming Blue Murder" nicht - aber sie haben anno 2008 auch mal wieder ein neues Studioalbum draußen, das es zu promoten gilt, und dessen Material fiel an zwei Stellen auf - einerseits "I Spy", das es auf der CD in zwei Versionen gibt, einmal als reine Girlschool-Fassung (die wurde dann auch gespielt - relativ düster und heavy) und einmal mit Tony Iommi und Ronnie James Dio als Gästen (die konnte nicht gespielt werden, weil, so Jackie, die Flugtickets für Tony und Ronnie zu teuer gewesen seien, weshalb das Publikum mit Kim in Ronnies Rolle vorlieb nehmen müsse), andererseits "From The Other Side", das der 2005 an Krebs gestorbenen Originalgitarristin Kelly Johnson gewidmet ist und sicher einen festen Platz in künftigen Setlists einnehmen wird. Die Songwritingfraktion hat gerade diesen Track allerdings nicht zu einer melancholischen Hymne, sondern im Gegenteil zu einem schnellen lockeren Song gemacht, der also weniger Trauer über den Verlust als vielmehr Dankbarkeit für die fröhliche gemeinsame Zeit und Wiedersehensfreude auf der anderen Seite ausdrückte. Ansonsten herrschte allerdings business as usual, aber das ist bei Girlschool ausdrücklich positiv gemeint, denn Experimente will von den vier altgedienten Hardrockladys (die, man muß es wiederholen, für ihr Alter noch erstaunlich gut aussehen) nun wirklich niemand hören. "Demolition Boys", "Race With The Devil" ... und irgendwann läutete "Emergency" viel zu früh den Schluß des Sets ein, wenngleich natürlich auch hier noch zwei Zugaben folgten, deren zweite wieder mit Unterstützung der anderen Bandmitglieder zur großen Partyhymne umfunktioniert wurde, wonach sich alle um den Hals fielen und vermutlich beschlossen, daß man unbedingt wieder mal gemeinsam auf Tour gehen müsse.
Das Ende des Gigs? Mitnichten, denn da kamen noch die Phantom Stars - kein heimlicher Zusammenschluß von Mitgliedern der drei Bands mit einem bunten Coverprogramm, wie mancher vielleicht im stillen gehofft hatte, sondern eine Leipziger Band, die noch neun Songs beisteuerte, allerdings unter Beweis stellte, daß ihr die oben erwähnte Professionalität, die einer jungen Band maßgeblich helfen kann, noch abging. Auch musikalisch war's nicht unbedingt das Gelbe vom Ei, allerdings prinzipiell auch nicht schlecht. Generell schlugen die Phantom Stars (das Kürzel PS wird kein Zufall sein) in eine ähnliche Kerbe wie die V8 Wankers, allerdings agierten sie unterm Strich deutlich monotoner im Highspeedbereich, so daß die wenigen Songs (zwei, um genau zu sein), welche die Schlagzahl etwas variierten, zu den Highlights des Sets werden sollten. Auch der singende Bassist tat mit seinem Gesang Marke "Lemmy ist heiser" wenig zur Erhöhung der Vielfalt - rein optisch fühlte man sich übrigens an Eric Bloom von Blue Öyster Cult erinnert. Immerhin: Humor hatte die Band auch, was man anhand der zwischen die Songs geschalteten Filmsamples nicht vermutet hätte. Aber hier einer der letzten O-Töne des Sängers: "Jetzt kommt ein Song, den Girlschool vergessen haben zu spielen" - man coverte also Motörheads "Bomber", allerdings ohne Unterstützung der Girlschool-Mädels, welchselbige das in den Frühachtziger bekanntlich auch schon mal getan hatten. Einen gewissen Unterhaltungswert konnte man dem Gig nicht absprechen, und es blieb auch noch erstaunlich viel Publikum da, aber die Phantom Stars haben schon noch ein gutes Stück Weges zurückzulegen, bis sie auf dem Professionalitätslevel angekommen sind, das die drei anderen Bands des Abends auszeichnet.

Fotos: Georg Lögler (sind nicht vom Leipzig-Gig, sondern von dem wenige Tage früher in Speyer, aber in Leipzig sahen die Mädels auch nicht anders aus :-))



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