www.Crossover-agm.de
Misery Speaks, Fall Of Serenity, Faust Again, A Walk Through Peril   28.09.2007   Leipzig, Moritzbastei
von ta

Zweimal Death Metal, zweimal Metalcore. Ein Blick über die versammelte Hundertschar zeigt schnell, welche Zielgruppe die größeren Scheuklappen hat: Todesmetaller sind nur wenige auszumachen, die Metalcore-Fraktion dagegen ist gut vertreten, und ein guter Teil des Pulks sieht so aus, als wäre er nur versehentlich an der falschen Ecke abgebogen.
Zu Beginn heizen A Walk Through Peril ein. Die Leipziger spielen Metalcore und machen trotzdem Spaß. Das liegt zum Einen ganz einfach an der energischen Bühnenshow. Sänger/Kraftpaket Ryan sieht mit bis tief über die Augen hängendem Stirnband und im Suicidal Tendencies-Leibchen nicht nur aus wie Suicidal-Chef Mike Muir, er legt auch genauso energisch etliche Kilometer auf der Bühne und davor zurück, brüllt Leute an, wälzt sich keuchend auf dem Boden und klingt dabei manchmal originalgetreu wie SOIA-Fronter Lou. Von ihm geht dann auch der Mammutanteil der Hardcore-Vibes aus, die diese Band versprüht. Die Saitenfraktion, besonders Bassmann Christoph, demonstriert währenddessen nachhaltig, welchen Vorteil ein Sender am Instrument gegenüber einem Kabel hat - der Bewegungsradius ist zumindest eindrucksvoll. Letzter Pluspunkt für A Walk Through Peril sind die Songs. Nicht alle, aber einige. Im Melo-Death-lastigen "The Spark That Enlightens The Darkness" kommen die Arrangements knackig und originell, ein geiles Riff reiht sich ans nächste und so ist es jammerschade, dass an diesem Abend die Gitarren eher mulmig tönen. Nun halten nicht alle Songs dieses Niveau und weisen diese Originalität auf - das rapide Breakdown schon im Opener war mir bspw. zu wohlbekannt -, aber A Walk Through Peril folgen in ihren komplexeren Momenten definitiv einer besseren Fährte als die im Metalcore überrepräsentierte Fraktion mit den weinerlichen Refrains und Standardriffs. Leider merken das nicht alle Leute vor der Bühne. Es entsteht zwar ein kleines Pit, aber die Reaktionen auf die englischen Ansagen des amerikanischen Sängers fallen irgendwo zwischen Kult und Schande. Erst beim dritten "Are you OK?" kommt ein verhaltenes "Ja" aus der ersten Reihe und so beendet der unverstandene Frontmann den Gig auch mit der Lehre "Kein Deutsch, keine Sprache".
Danach folgen bereits Fall Of Serenity, welche eigentlich als Co-Headliner vorgesehen waren und für die noch im Stau steckenden Faust Again einspringen. Die Kerle spielen ja nun entgegen der Meinung einiger verstrahlter Personen, welche die Band gerne in die Metalcore-Schublade packen, mehr oder weniger lupenreinen Todesmörtel schwedischer Prägung und ernten demnach auch viel weniger Zuspruch vom Core-orientierten Pulk vor der Bühne, als sie verdient hätten. Was die Thüringer natürlich nicht daran hindert, gewohnt motiviert und bewegungsfreudig ihre Songs zu performen, allen voran Sänger und Sympathieträger John Gahlert, der grinst wie ein Honigkuchenpferd und sich tausendfach artig bedankt für Beifallsstürme, die er sich wohl eingebildet haben muss. Gleich vier neue Songs stellt die Band vor, was recht mutig ist angesichts der Tatsache, dass das diese Songs enthaltende Album, "The Crossfire" nämlich, erst zwei Monate nach dem Gig erscheinen wird. Jedoch, das Experiment gelingt; die neuen Stücke klingen einen winzigen Tick Thrash-lastiger als der Rest des Sets, fügen sich aber ansonsten nahtlos ein und ernten weder mehr noch weniger Applaus als älterer Stoff wie der Opener "Out Of The Clouds" oder das fette "Royal Killing", Applaus, dem sich der Rezensent gerne anschließt.
Setlist:
1. Intro
2. Out Of The Clouds
3. Knife To Meet You
4. The Crossfire
5. In Case Of Death
6. Raise Your Remorse
7. Dead Eyes
8. Royal Killing
9. A Whore Called Freedom

Faust Again stecken immer noch im Stau, also steigen Misery Speaks auf die Bretter. Zuerst fällt auf, dass Claus Ulka fehlt. Der Schreihals hat mal eine Pause eingelegt, deren Grund ich schon wieder vergessen habe, und wird deshalb temporär durch einen anderen Schreihals ersetzt, dessen Namen ich auch schon wieder vergessen habe. Schreihals Nr. 2 macht seine Sache sehr gut, hat eine sehr sympathische und natürliche Ausstrahlung, die einen guten Kontrast bildet zum linken Gitarrero und Backing-Sänger (ich tippe auf Janosch Rathner), welchselbiger bereits sehr routiniert und abgeklärt wirkt und auch den Mammutteil der Ansagen übernimmt. Misery Speaks sind für mich die Tagessieger, denn sie spielen saucoolen, melodielastigen Death Metal mit einigen wenigen Breakdown-ähnlichen Passagen und pusten ihre Songs in einer sehr anständigen Durchschnittsgeschwindigkeit von der Bühne. Vor derselben bekommen die Münsteraner dann auch immer mehr Leute ins Boot, den einzigen Crowdsurfer dieses Abends inbegriffen. Da Fall Of Serenity heute mal nicht Dismember gecovert haben, packen Misery Speaks "Collection By Blood" an die Zugabestelle, das gegen die eigenen Kompositionen der Band jedoch gnadenlos abstinkt. Es geht halt doch nichts über einen ordentlichen Propeller zu "Casted By Halo", "Hate Remains" oder "Three Times Never", zumindest nicht hier und heute.
Setlist:
1. Feathering Soil
2. I Am Never Enough
3. First Bullet Hits
4. Casted By Halo
5. Haven Still Waits
6. Hate Remains
7. Three Times Never
----------------------------
8. Collection By Blood

Irgendwann ein gutes Stück nach Mitternacht sind Faust Again doch noch der Autobahn entflohen und spielen vor den verbliebenen Fans in der Moritzbastei ihren Set. Das seit 1999 existierende Quintett trumpft mit derbem, vereinzelt recht todesmetallischem Metalcore á la Chimaira/alte Caliban auf - zumindest bei der verbliebenen Kajal-Fraktion, die noch mal überraschend fit die Sau rauslässt. Mir dagegen gefallen, zumindest live, lediglich die vereinzelten Geistesblitze, wie sie sich in ein paar verrückten Arrangements, rhythmischen Schlenkern und sphärischen Soli zeigen. Macht aber nix, denn optisch präsentieren sich Faust Again durchaus unterhaltsam und gute, professionell agierende Mucker sind sie allesamt. Aber das bleibt bei polnischen Bands ja ohnehin selten aus. Faust Again ernten lautstarken Beifall und spielen deshalb eine Zugabe, die entweder 10 Minuten dauert oder in die sie übergangslos gleich zwei, drei Songs gepackt haben.
Fazit: Kein unvergesslicher Konzertabend, aber auch keine schlecht genutzte Zeit. Auf dem Heimweg denke ich darüber nach, mit welchem Satz ich dieses Review beende.



www.Crossover-agm.de
© by CrossOver