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Porcupine Tree, Pure Reason Revolution   30.06.2007   Offenbach, Capitol
von gl

Das Ticket zur Veranstaltung
Das muss ihm erst mal einer nachmachen: Drei Tourneen innerhalb von 9 Monaten! Nachdem PORCUPINE TREE erst im Herbst 2006 bei uns unterwegs waren, kehrte Anfang diesen Jahres Steven Wilson mit seiner zweiten Band (BLACKFIELD) für einige Konzerte nach Deutschland zurück. Und jetzt steht er wieder einer begeisterten Menge gegenüber und gibt den Newcomern von PURE REASON REVOLUTION nach den Gigs im Februar zum zweiten Mal die Gelegenheit, sich einem größeren Publikum vorzustellen. Was auch der Hauptgrund meines Besuches war, da gibt's nichts dran zu rütteln. Wenn ich auch der einzige mit diesen Motiven war ... wie dann das Resümee ausfällt, ist 'ne andere Sache ...
Das Capitol, ein altehrwürdiges Theater, das eher für Klassik oder Musicalereignisse prädestiniert ist (so z.B. mit Sitzplätzen auf der Empore), ist heute gestoppte voll. Eine Riesenschlange vorm Einlass deutet schon darauf hin. Hier hat tatsächlich wohl nicht nur die imposante Medienresonanz auf das neue Porcupine Tree-Album, sondern auch Mundpropaganda und vorherige Konzerte für diesen Aufmarsch heute gesorgt.

Chloe, mal nur mit Bassspielen beschäftigt  Wichtige Infos schreibt man sich wie damals in der Schule auf die Hand: Jon Courtney

Auch er macht einen angestrengten Eindruck - er stimmt nicht, das ist WÄHREND der Show, weil bei PRR alle Mitglieder immer mehrere Sachen gleichzeitig machen ...  Und der Schlagzeuger von PURE REASON REVOLUTION

Strubelkopf aus Passion: Jon Courtney, der Kopf von PURE REASON REVOLUTION  Chloe Alper, Bass, Keyboards und Gesang - alles gleichzeitig
Die vier Musiker von PURE REASON REVOLUTION betreten vollkommen unspektakulär die Bühne und justieren erst mal durch diverse Feineinstellungen ihren Instrumentenpark. Die Band aus Reading ist nervös, das ist deutlich spürbar, Chloe Alper, Bassistin, Keyboarderin und Sängerin in Personalunion, bückt sich erst mal und schraubt an ihren Pedalen rum, bei dem neben ihr stehenden Gregory Jong wird es im Verlauf des ca. 45-minütigen Sets ähnlich sein. Eine Interaktion mit dem Publikum findet überhaupt nicht statt, außer extrem kurzer Begrüßung und Verabschiedung, was doch etwas seltsam anmutet in Bezug auf das erhabene gefühlvolle Songmaterial, welches doch gerade diese "menschliche Wärme" ausstrahlt. Aber vielleicht ist das die Konsequenz der Aufgabenverteilung von 6 Musikern auf 4 Live-Darbieter, was jedem zusätzliche Aufgaben und erhöhte Konzentration aufbürdet, so dass Lockerheit vermutlich relativ schwer fällt. Ein weiteres (Live-)Mitglied am Keyboard würde hier sicherlich zu Entlastung führen, wenn man sieht, dass Chloe mit umgehängtem Bass die Keyboards bedient und zusätzlich noch singt und sich dann beeilen muss, rechtzeitig die Samples abzurufen! Bandkopf Jon Courtney mit verstrubbelter Mähne, als käme er grade aus seiner Nightliner-Koje, singt und spielt die grandiosen Songs von "The Dark Third" zwar kompetent aber leider werden diese in einem viel zu dumpfen und basslastigen Sound geradezu begraben. Es war ein Jammer, ich verehre diese Scheibe regelrecht und hatte mich auf ein Erlebnis gefreut, aber irgendwie war das absolut nicht der Tag von PURE REASON REVOLUTION, denn ihr mehrstimmiger Gesang und ihre fein ausgearbeiteten Komposition BRAUCHEN einen sauberen Sound, und der war heute in Offenbach definitiv nicht gegeben. Wenn Steven Wilson nicht Freund der Band wäre, hätte ich eine Vermutung aufgestellt, aber das fällt ja so auch weg, so dass es umso verwunderlicher ist, dass die Newcomer so einen schlechten Soundmatsch hatten heute, der den Applaus aber nicht minderte, den sie bekamen.

Porcupine Bass  Und der Gitarrist von Porcupine Tree
Der war bei PORCUPINE TREE natürlich noch viel größer, bevor jene die Bühne betraten und die Klangqualität (etwas) besser wurde, wirklich gut war sie dann, als ich im hinteren Drittel die Empore bestieg und das Konzert tatsächlich genießen konnte. Inmitten der Bühne ein Teppich für Steven Wilson, der barfuß auftrat, und hinter ihm eine Leinwand, die oft die Songs visuell unterstützte, jedoch nicht mit irgendwelchem Schnickschnack, sondern mit extrem gut auf die Lieder abgestimmte Bilder, so dass man mitunter regelrecht gezwungen war, auf den Film zu starren. Z.B. bei der Sequenz eines Mädchens, das in alten Bahnhofswaggons umherirrt und dann auf den Gleisen von einem herannahenden Zug ... Und genau in dem Moment kommt ein Höhepunkt innerhalb des Songs und der Film bricht ab. Brillant inszeniert und da steckt sicher viel Arbeit dahinter. Somit wurde hervorragend nicht nur das Gehör sondern auch die Augen erreicht. Zunächst wurde das komplette neue Album "Fear Of A Blank Planet" gespielt, welches mir nicht bekannt ist, mich somit als Kritiker nicht als beste Wahl erscheinen lässt (aber so schnell konnte kein anderer unseres Teams eingeflogen werden). Wenn aber selbst Nicht-Kennern des Materials jenes sehr gut gefällt, spricht dies eine deutliche Sprache. Steven Wilson ist das Gegenteil eines "Seid Ihr gut drauf?"-Frontmannes und mit seinem zurückhaltenden Verhalten, welches umso mehr auf die Musik lenkt, konnte er bei mir heute zusätzlich punkten. Er machte nur wenige Ansagen, jene kamen aber auf den Punkt: "Das neue Album ist als Einheit konzipiert", dann später "Wir ändern kaum die Setlist während einer Tour, aber versuchen dennoch ab und an, vergessene Songs einzubauen".

Steven Wilson scheint entrückt und nur die Kunst im Sinne zu haben
Im zweiten Teil der Show, die satte zwei Stunden ging, wurde dann ein weiterer Strauß schöner Melodien des Backkatalogs zusammengestellt und fand in dem wunderbar treibenden "Halo" vom Album "Deadwing" seinen Abschluss. Überschwänglicher Jubel des Publikums bestätigte eine Ausnahmeband und ihre Leistung, die in dieser Form in DREAM THEATER-Regionen vorstoßen sollte.

Am Ausgang wurden dann - schön, dass es das noch gibt (und zur Verwunderung vieler, da die Show ja ausverkauft war) - schöne Eintrittskarten der heutigen Veranstaltung verteilt, die gerne von der Menge im Tausch gegen die stets gleich aussehenden schnöden Computerausdrucke angenommen wurden.

Tja, so kann's gehen, als PURE REASON REVOLUTION-Fan reingegangen und als PORCUPINE TREE-Anhänger rausgekommen.

Fotos: gl






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