www.Crossover-agm.de
Legends Of Rock   24.02.2007   Ennepetal, Haus Ennepetal
von tk

Der Flyer zur Veranstaltung
Die CHRISTMAS ROCK NIGHT dürfte jedem, der sich auch nur ansatzweise für christliche Rockmusik interessiert, ein Begriff sein, haben kleine und große Bands über bald drei Jahrzehnte hinweg das jährlich Anfang Dezember stattfindende Festival in Ennepetal zu einem etablierten Event in der mittlerweile nicht mehr überschaubaren Konzert- und Festivallandschaft gedeihen lassen. Leider hat sich der Veranstalter in den letzten Jahren immer mehr von seiner ursprünglichen Zielsetzung, klassisch ausgerichteten Rock- und Metalbands eine Plattform zu bieten, entfernt und auf trendfähige wie charttaugliche Musikacts gesetzt - angeblich mit dem Argument, damit der Verjüngung des Publikums Rechnung zu tragen. So mutet es schon seltsam an, dass die CRN erst ihre alten Pfade verlassen muss, damit sich große Printmagazine wie Rock Hard, die das Festival präsentierten, auf einmal für das Bühnengeschehen in Ennepetal interessieren. Als "Dankeschön" an das treue CRN-Publikum früherer Tage haben sich Detlev und Martina Westermann noch einmal aufgerappelt und Bands zu einem extraordinären Festival eingeladen, die hauptsächlich in den 90er Jahren das Programm der CRN diktierten. Ich mache allerdings keinen Hehl daraus, dass ich lieber wahrhaftige Legenden wie JERUSALEM, LEVITICUS, CREED oder noch einmal BLOODGOOD statt der "zweiten Garde" on stage gesehen hätte. Dennoch war es auch abseits der Bühne ein ereignisreicher Tag, ein meet & greet von Weggefährten der guten, alten Zeit.
Den legendären Reigen eröffneten die Lokalmatadoren TRUST ROCKS, die mit pressfrischer EP im Gepäck in ein ultrakurzes Set einstiegen, obwohl sie qualitativ zu den hochwertigsten Acts des Festivals zählten. Ich weiß nicht, wie oft ich diese Band inzwischen live gesehen habe, aber mit jeder weiteren Minute on stage machen sie mir mehr Freude. Eine Schande, dass man den Jungs lediglich ein halbes Stündchen Spielzeit gewährte, denn Musiker und Altmetaller hatten sich gerade warm gespielt bzw. warm gebangt, da war abrupt Schluss. Immerhin langte die Zeit, um die neue EP komplett durch zu spielen und Kracher wie "Kingdom Of Glory" und "Victory" kamen auch zu frühnachmittäglicher Stunde bestens an beim Ennepetaler Publikum, das sich wieder mal aus den verschiedensten europäischen Ländern zusammensetzte. Beim elektrischen Remake von "You Make Me Fly" wurden Erinnerungen an die Akustik-Phase wach, als man noch in Bistros auf Barhockern vor staunenden Rockfans die Saiten zupfte. Auf die nächste livehaftige Vollbedienung der Jungs freue ich schon jetzt wie ein Schneekönig!
Die nachfolgenden GOLGATHA und gerade erst aufgelösten CAPEWALK ersparte ich mir, da ich sie auf diesem Festival für schlichtweg überflüssig hielt. Den Vogel schoss dann aber wieder mal Mr. Talkmaster himself Jörg Schwehn ab, als er die Band im Interview doch tatsächlich fragte: "Fühlt ihr euch wie die Legends Of Rock?" Schallendes Gelächter im weiten Rund. Selbst wenn der Mann zum Stamminventar der CRN zählt, aus musikjournalistischer Sicht ist und bleibt er eine Lachnummer (oder Niete, je nach Betrachtungsweise).
Die extra für diesen Gig reunierten Fun-Folk-Rocker WHY? um die beiden Brüder Nick und Ant Parker heizten die Stimmung dann wieder mächtig an und sorgten nicht nur unter den jungen Besuchern für ausgelassene Party-Stimmung am Spät-nachmittag. Violinistin Jane Robson wurde extra für diesen Auftritt von den Cayman Islands aus der Karibik (!) eingeflogen. Live spielten die Briten exakt das Programm der CD "Jig At A Why? Gig - Live 1996", dessen Coverfoto übrigens in der Tiefgarage des Hauses Ennepetal geschossen wurde. Kleine Anekdote am Rande.
Die langjährige Hausband der CRN SPLIT LEVEL durfte bei einem solchen Event natürlich nicht fehlen und so verstand es sich von selbst, dass Adrian Thompson und seine Mannschaft die altbekannte Worship-Hymne "Holy Fire" ins Publikum feuerten, die wieder aus hunderten Kehlen mitgesungen wurde, genau wie die dem Auditorium vertraute Rockballade "Healed". Angesichts der Tatsache, dass ich die Band unzählige Male auf selbiger Bühne live gesehen habe und das Bühnenprogramm sich nur unwesentlich von dem früherer Jahre unterschied, lugte ich nur mal kurz bei den Brit-Rockern rein, da sich eine am TRUST-Merchandising-Tisch herumstehende Kiste mit Vinyl-Raritäten um einiges attraktiver erwies.
Der eigentliche Star unter den UK-Bands waren aber THE ELECTRICS. Sammy Horner und seine Rasselbande strahlen einfach pure Lebensfreude aus und wissen, wie man positive Emotionen perfekt auf die Bühne bringt. Der Speed-Folkrock der Schotten lud ein, im weiten Rund den Tanzbär übers Parkett fegen zu lassen. Wer bisher nur die populären FIDDLER'S GREEN kannte, kam bei dieser Truppe voll auf seine Kosten. Als erfreulicher Nebeneffekt stellte sich der Gitarrensound heraus, der enorm heavy und druckvoll durch die Halle tönte, wie auch das gesamte Liveset der Band exzellent abgemischt war.
Es folgte, man muss es leider so deutlich sagen, die Selbstdemontage einer der besten Hardrock-Bands der frühen 90er. GUARDIAN bestätigten mit ihrem Gig das, was viele ihrer alten Fans schon im Vorfeld ahnten. Bereits die ersten vier Songs entstammten der "Buzz"- und "Bottle Rocket"-Phase. Grausig! Jamie Rowe, dessen Figur der eines Jon Oliva schon sehr nahe kommt, faselte unentwegt unverständliches Kauderwelsch von der Bühne herunter. Die Band war nicht eingespielt und Tim Bushong an der Sechssaitigen kann einem Tony Palacios nicht ansatzweise das Wasser reichen. Jamies Mitsinganimationen wirkten zudem aufgesetzt und eher peinlich. Selbst ältere Hits wie "Shoeshine Johnny", "The Rain" oder "Fire And Love" versprühten den Charme eines überquellenden Abfalleimers. Selten hat mich eine meiner Lieblingsbands von damals so enttäuscht wie GUARDIAN an diesem Abend.
Auf BRIDE hatte ich ebenfalls keinen Pfifferling gesetzt, denn die fabrizierten in den letzten Jahren nur noch höchst abschreckenden NU-Rock mit Rapcore-Einflüssen und der Katastrophen-Gig der Owener Rocknacht 2001 lag mir noch schwer im Magen. Doch die Band feierte ein bärenstarkes Comeback im alten Stil. Die Ankündigung, man werde sich in Kürze auflösen, dementierte Dale Thompson umgehend, schließlich habe man gerade erst ein neues Album ("Skin For Skin") veröffentlicht. Mit einer Setlist, die klar auf die "Snakes ..."-Scheibe fokussiert war, hatte man schon gewonnen. Selbstverständlich wurden auch Hits wie "Hired Gun" und "Everybody Knows My Name" vom "Kinetic Faith"-Album" in die wild divende und crowdsurfende Meute geschmettert. Als die Band dann in einem Medley auch noch "Heroes" und "Hell No" vom göttlichen '88er Album "Live To Die" intonierte, gabs für die Altmetaller kein Halten mehr. Man muss Dale Thompson nicht mögen und darf ihn aufgrund seiner politischen Ambitionen gerne für verrückt erklären. Eins muss man ihm aber zugestehen: Er ist gesanglich nach wie vor voll auf der Höhe und gehört immer noch zu den besten und stimmgewaltigsten Sängern, die das Hardrock-Genre aufzubieten hat. Man spielte noch eine Zugabe und verschwand dann äußerst angetan von der begeisterten Menge unter die Dusche. Definitiv der beste BRIDE-Gig seit ihrer '94er-Tour, mit dem sie sich wie ein Donnerhall zurückgemeldet haben.
TOURNIQUET konnten aber selbst dieser Begeisterung noch einen draufsetzen. Geradezu hysterisch wurde die Band um Mastermind Ted Kirkpatrick abgefeiert, ohne spielerisch übermäßig zu glänzen. Dass die kahl geschorenen Amis immer für eine Überraschung gut sind, zeigte sich schon zu Beginn des Sets. So saß nicht Ted beim Intro zu "Vanishing Lessons" hinter der Schießbude, sondern Aaron, während Ted die Sechssaitige bediente. Nach fliegendem Wechsel an den Instrumenten legte man aber offiziell los und Sänger Luke Easter animierte permanent das Publikum, im Saal Moshpits zu bilden. TOURNIQUET bemühten sich, von jedem Album wenigstens einen Song zu spielen, was auch insoweit in Ordnung ging. Für das obligatorische Drumsolo hatte sich Ted diesmal etwas Neues einfallen lassen und unterlegte sein Drumming mit Techno-Beats, die den Rhythmus vorgaben. Ich habe ihn hinter und vor seinem Kit aber schon mitreißender performen sehen. Immerhin hatte man mit "Phantom Limb" vom "POD"-Album auch eine Überraschungsnummer im Gepäck, die man live seltener zu hören bekommt. Dass man als erste Zugabe "Tired Kicking" vom einzigen Rohrkrepierer "Crawl To China" wählte, fand zwar nicht unbedingt meine Zustimmung, tat der überwältigenden Stimmung aber keinen Abbruch. Ein aus meiner Sicht solider, wenn auch kein überragender Gig der Prog.Thrash-Institution, die in einem zeitlich eng gesteckten Rahmen von 70 Minuten ein paar Klassiker vermissen ließ. Immerhin soll in diesem Jahr nun endlich der "Where Moth And Rust Destroy"-Nachfolger veröffentlicht werden und laut Ted "extrem heavy" ausfallen (was auch immer das im Resultat heißen mag).
Fazit: Die Idee eines solchen Festivals ist begrüßenswert, das Billing war aber eine mittlere Enttäuschung. Eine Band wie TRUST ROCKS (und damit den Veranstaltern sehr gut bekannte Musiker) für 30 Minuten am frühen Nachmittag in einem halbleeren Saal antreten zu lassen, finde ich gelinde gesagt unchristlich. Stattdessen hätte man gänzlich auf GOLGATHA verzichten können - auf GUARDIAN sowieso. Sollten sich die Veranstalter tatsächlich zu einem zweiten LEGENDS OF ROCK durchringen, müssten schon echte Veteranen wie BLOODGOOD und LEVITICUS anberaumt werden, wenn unterm Strich keine mittlere Katastrophe dabei herauskommen soll. Wir werden es sehen.



www.Crossover-agm.de
© by CrossOver