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Amon Amarth, Wintersun, Tyr   16.11.2006   Halle, Easy Schorre
von ta

Es war ein sehr wertiges Package, das da Mitte November für 20 Euro im VVK auch in Halle an der Saale Station machte. Schwedischer Death Metal, finnischer Gniedel-Black Metal und Folk Metal von den Färöer Inseln verrät die nichtvorhandene Programmbeilage. Ergo stumpfes Midtempo, filigrane Opulenz und witzige Einfalt.
Mit der witzigen Einfalt geht es pünktlich um 20.00 Uhr los. TYR vermengen kraftvollen Heavy Metal mit epischen Viking-Soli und folkig-nordischen Melodien. Die Truppe musiziert sehr eigenständig, aber auch sehr obskur. Besonders an die Chorgesänge muss sich das mitteldeutsche Ohr erst gewöhnen, wähnt man sich doch hier eher in irgendeinem skandinavischen Festzelt beim Sturztrunk als auf einem Metal-Konzert. Technisch ist dem Quartett nichts vorzuwerfen, besonders die eben so skurrilen Chöre (an denen sich sämtliche Bandmitglieder inkl. Schlagzeuger beteiligen) rufen Jubel und Begeisterung im Publikum hervor. Von dieser Begeisterung ist allerdings während der Songs nicht zu spüren und bis auf ein paar Tanznasen in den ersten Reihen herrscht ein entspanntes bis belustigtes Flair vor - manchmal ist eben skandinavische Folk-Musik nicht nennenswert komplexer harmonisiert als deutsche Volksmusik. Soll heißen: Ein bisschen schmierig ist's gelegentlich schon. Glücklicherweise machen atmosphärische Interludes und die metallische Instrumentierung den schmierigen Eindruck wieder wett. Und allein der Eigenständigkeit der Musik und dem sympathischen Eindruck der Bandmitglieder wegen (besonders der stämmige Bassist ist ein wirklich netter Publikumsanimateur) will man TYR ohnehin nichts Böses. In diesem Sinne: Schönes Konzert, aber nichts für die Ewigkeit.
Bei WINTERSUN startet dann der Angeberreigen: Kitschkitsch, gniedelgniedel, frickelfrickel - die Finnen liefern eine beeindruckende Technikdemonstration voller Malmsteen-Soli, jazziger Blastdrums, gewitzter Arrangements und Eierkneiferschreie. Leider bieten sie aber zuviel des Guten. Soll heißen: Die Songs sind nicht generell schlecht, besonders nicht, wenn sie, wie z.B. das Opening-Duo aus "Sleeping Stars" und "Beyond The Dark", recht flott ausfallen, allerdings können einen spätestens das Spinettgeklimper des imaginären Keyboards (das nämlich vom Band kommt) oder die verfriemelten Solospots mit einem mittleren Herzkasper beglücken. Black Metal? Geht so. Nett anzusehen ist das Spektakel aber ohne Zweifel, allein wegen des dauergrinsenden Kai Hahto am Schlagzeug, der mit traumhafter Sicherheit auch die komplexesten Breaks bei geschlossenen Augen spielt. Da stört auch sein zwischenzeitlich enorm dominantes Doublebassgeknatter nicht. Die Schorre ist inzwischen knackig voll, die Leute stehen bis auf die Treppen dicht gedrängt, kurz: der Laden ist ausverkauft. Entsprechend heiß ist es bereits bei Wintersun ... und an der Stelle sei es mir erlaubt, einem gewissen Unmut Luft zu machen. 3,40 Euro für einen Becher Bier ohne Pfand sind eine Frechheit! Kein Wunder, dass die Trinkerfraktion sich trotz der Hitze artig zurückhält. Und wo wir gerade bei Geldschneiderei sind: An der Garderobe für zwei gewöhnliche Shirts derselben Person auch zweimal Garderobengebühr einsacken zu wollen und das auch noch, obwohl eben diese Person schon ihren Rucksack in der Garderobe stehen und also auch entlohnt hat, gehört in die Kategorie "alles, aber nicht Metal". An solchen Stellen merkt man eben, dass die Schorre eigentlich eine angesagte Disco ist und kein metallischer Szeneschuppen. Da passt die Pausenmusik wie die Faust aufs Auge: Über das Abspielen von Puhdys-Songs mag man noch mit einem Lächeln hinwegsehen, aber den Hip Hop vor Amon Amarth kann ich nur als blanke Provokation werten.
Wie dem auch sei, als die Schweden dann um 22.00 Uhr auf die Bühne stapfen, verfliegt der Ärger sogleich, denn AMON AMARTH sind richtig gut heute. Top eingespielt, top Sound, top Show, top Songauswahl, top Stimmung. Und jetzt alles noch mal langsam: Man konnte sich ja bei der Autogrammstunde am Nachmittag spätestens beim Betrachten von Olavi Mikkonens knallroter Birne nicht des Eindrucks erwehren, dass hier bereits einige Liter an Gezapftem die Gurgel der Nordmänner runtergeträufelt sind. Und auch das Konzert selbst kommt nicht ohne das obligatorische Gepose mit gut gefüllten Trinkhörnern aus. Aber ob die Buben nun einfach so trinkfest sind oder vor dem Konzert erst mal eine Pause eingelegt haben, sie spielen tight wie eine Eins. Besonders Schlagzeuger Fredrik Andersson steigert sich von Tour zu Tour und spielt inzwischen eine mehr als amtliche Doublebass. Richtig cool fällt auch die Gitarrendoppelspitze aus, deren viele zweistimmige Riffs heute Hymnenflair ohne Ende verbreiten. Dickes Ausrufezeichen also, auch, weil der Sound an diesem Abend die verschiedenen Stimmen sehr durchsichtig transportiert. Showtechnisch liefern AMON AMARTH das, was man eben gewohnt ist und ein bisschen mehr. Das Gewohnte ist die unermüdliche Headbangerbrigade, welche das Herkommen immer wieder wert ist. Sieht halt sehr fein aus, gerade, wenn die Matten nach der Hälfte des Gigs nur noch aus einem klitschnassen Strähnenmeer bestehen. Das nicht unbedingt Gewohnte sind zuerst zwei vor massiven, an der Wand hängenden Schildern aufgestellte Podeste, auf denen die Band teilweise Power Metal-like abpost; zwotens die begeisterten Blicke von der Bühne, wenn sich die Augen mal ins Publikum richten. Der Rezensent mag einfältig klingen, aber aus diesen Blicken sind definitiv Spielfreude und Feuer herauszulesen, die reine Lust, hier und heute eine Riesenfeier zu veranstalten - und Johan Hegg lässt es sich auch nicht nehmen, Deutschland in einer Ansage öffentlich zum "Metal-Country" zu küren, dabei sogar auf den ersten Deutschland-Gig der Band 1997 in Weimar zu verweisen (Insider-Infos zufolge ein absoluter Kult-Auftritt) und der Hallenser Meute mehrere Male mit sehr ehrlich rüberkommenden Komplimenten zu schmeicheln. Ja, genauso wollen wir Hallenser das haben, also wird im Gegenzug kräftig abgebangt und gelegentlich segelt sogar ein Crowdsurfer über die feiernde Menge, vom ohrenbetäubenden Jubel zwischen den Songs mal ganz abgesehen. Was für eine Stimmung, und das den ganzen Gig über ohne Verschnaufpause! Passenderweise fällt die Songauswahl der schwedischen Horde exzellent aus. Vom neuen, sehr guten Album "With Oden On Our Side" werden gleich sechs Songs kredenzt, nämlich das flotte Triple "Valhall Awaits Me" (Opener), "Asator" und "Cry Of The Black Bird" (Hammer!) sowie "Runes To My Memory", welches bereits an zweiter Stelle im Set gespielt wird, das m.E. eher schwache, aber gnadenlos abgefeierte "Gods Of War Arise" und der Titeltrack "With Oden On Our Side". Der Vorgänger "Fate Of Norns" ist mit immerhin drei Nennungen auch noch gut im Rennen, wobei die Auswahl mit "An Ancient Sign Of Coming Storm", "Fate Of Norns" selbst und natürlich "Pursuit Of Vikings" (als erster von insgesamt drei Zugaben) nicht wirklich überrascht. Dies tut eher schon die Tatsache, dass vom "The Crusher"-Album - wenn ich mich richtig erinnere - kein Song den Weg in die Setlist findet, dafür aber der brillante Titeltrack des Debüts "Once Sent From The Golden Hall" überraschend zu hören ist. Den Gipfel des Hiteisbergs markieren "Death In Fire" (gleich an dritter Stelle in der Setlist), "Victorious March" und zwei der besten Amon Amarth-Songs aller Zeiten, der Brecher "The Last With Pagan Blood" und das abwechslungsreiche "Versus The World", beide im übermächtigen Zugabenteil untergebracht. Knall und aus, was für ein Konzert aber auch! Da hätten nur noch ein, zwei ruhigere Songs wie "Where Death Seems To Dwell" oder "Under The Northern Star" gefehlt und dieser Auftritt wäre der perfekte Amon Amarth-Gig geworden. Aber auch so gilt: State of the art und ungleich mitreißender als der 2004er-Gig mit Disillusion an derselben Stelle. Ich neige ehrfürchtig das Haupt - und fluche ob des Ziehens im Nacken.



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