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Amon Amarth, Disillusion, Impious   21.10.2004   Halle (Saale), Easy Schorre
von ta

Ein mehr oder weniger buntes Metal-Package verschönert die Oktobertage mit seiner Live-Präsenz an verschiedenen Orten der BRD und anderswo. In Halle war sogar ein CrossOver-Abgesandter mit Anhang vor Ort, um sich den ganzen Spaß für einen Abend anzutun. Man lese und staune ...
Impious eröffnen das Spektakel bereits um 20 Uhr, so dass wir gerade rechtzeitig kommen, um den ersten Song noch zur Hälfte zu verpassen. Viel war es nicht, was uns entgangen ist, spielen Impious doch einen mit Thrash-Versatzstücken gezierten Death Metal, der ebenso unbarmherzig wie einfallslos durch die Membrane knallte. Sollte es in dem ganzen Speed-Inferno die eine oder andere interessante Idee gegeben haben, ist sie nicht wahrzunehmen gewesen in dem Klangmatsch, den Anwesende gewitzt "Sound" nannten. Die Band zeigt sich bis auf den Sangesmann, der nur ein paar blutarme Posen zu bieten hatte, agil, aber berechenbar im Stageacting, der Schlagzeuger gehört sicher nicht zu den Dilettanten seines Fachs, klingt aber hundertprozentig auswechselbar, und mit innovativen Ansagen wie "The next song is about Jesus Christ, hehehe" macht man sich auch nicht beliebt beim Rezensenten. Fazit: Nein danke. Aber: Geschmackssache.
Hundert Klassen besser gleich Disillusion: Hier gibt es Songs mit Stil zu hören. Als die an Dynamik und Atmosphäre sicherlich reichste Band des Abends präsentieren Disillusion einen für das aktuelle Album "Back To The Times Of Splendor", nicht aber für den gesamten Backkatalog der Band repräsentativen Querschnitt durch das eigene Schaffen. Der Titelsong des Albums sowie "Fall" gehen im undifferenzierten Soundbild noch etwas unter, aber nach und nach lassen sich die Nuancen des komplexen Materials heraushören, was der Band in Bezug auf Publikumsreaktionen logischerweise zugute kommt. Ab der Hälfte des Gigs sind auch die Backingvocals zu hören, welche diesmal hauptsächlich vom Sänger der Leipziger Dark Suns verantwortet werden. Überhaupt steht der Auftritt ganz unter dem Zeichen der Lokalsolidarität: Die komplette Mannschaft der Dark Suns hat sich mit Disillusion nach Halle begeben, um an Akustikgitarre (selten zu hören), Keyboard (dito), Bass (ja!) und zweiter Stimme (geht so) auszuhelfen. Die zusätzliche Sängerin überzeugte nebenbei zwar eher durch schlangenartig-gothische Bewegungsabläufe als durch ihren nicht hörbaren Cantus, sehr metallisch präsentierten sich aber Disillusion meets Dark Suns als solche. Es gibt zumindest ein beeindruckendes Bild ab, wenn sieben von acht Haarschöpfen auf der Bühne zu den punktgenauen Grooves der Band im Takt wallen, während vor der Bühne wahlweise mitgebangt oder verträumt gelauscht wird. Der Eine oder Andere wird sicher etwas dumm aus der Wäsche geschaut haben, nachdem Vurtox (voc), der den Auftritt viel bewegungsfreudiger und nicht minder charismatisch als zur Release-Party in der Leipziger Moritzbastei durchlebte, den letzten und höchst superben Song "The Sleep Of Restless Hours" angekündigt hatte und nach einer Viertelstunde immer noch nicht Schluss war, aber nur die wenigsten ließen es an Respekt mangeln und so gab es verdientermaßen viel Applaus für Disillusion. Die heimlichen Gewinner des Abends?
Sicherlich, aber dieses Urteil ist nur dem subjektiven Geschmack des Reviewers zuzuschreiben. Nun doch, so gut sich Amon Amarth auf dem neuen Album "Fate Of Norns" auch präsentieren: Live wird ein Gig der skandinavischen Wikinger ganz leicht etwas langweilig, denn spätestens nach der Hälfte eines Gigs passiert nichts Neues mehr. Besonders die Tatsache, dass man ständig in ein bestimmtes Tempo zurückfällt, sorgt für Öde in der Songlandschaft, die noch dadurch verstärkt wird, dass der Schorre-Sound den ganzen Gig über alles andere als perfekt aus den Boxen dröhnt. Dennoch: Der 21. Oktober zeigt, dass Amon Amarth solche Widrigkeiten mit stoischer Gleichmut ertragen. So verwandelt sich die Easy Schorre sofort mit der Eröffnung "An Ancient Sign Of Coming Storm" in eine Bangerhöhle und das ändert sich im Laufe des Auftritts nicht im Geringsten. Egal ob neues Material wie "Fate Of Norns", "Pursuit Of Vikings", "Once Sealed In Blood" oder eben "An Ancient Sign ..." oder ältere Songs, etwa "For The Stabwounds In Our Backs", "The Last With Pagan Blood" oder "Death In Fire": Band und Publikum bleiben sich keines Verdienstes schuldig. Wenn Johan Hegg seine mächtige Brüllstimme erhebt, recken sich alle Fäuste nach oben, wenn die Gitarrenfraktion ihre Riffs in die Menge bläst, bleibt keine Haarpracht auf den Schultern hängen und am Ende des Gigs gleicht die Easy Schorre einer Death Metal-Sauna. Ohne Frage: Es geht sicherlich ein Stück spielstärker (besonders Gitarrero/Nonstopbanger Olavi, der nach jedem zweiten Song erst einen großen Schluck aus der Wasser-, dann aus der Wodkaflasche nimmt, verhaut einige seiner Soli), aber showtechnisch nimmt den Nordmännern so leicht keine Band die Butter vom Brot. Hegg macht sich mit deutschen Ansagen, die mindestens acht Mal das Wort "Prost" enthalten, bei seinen Fans beliebt, während er ansonsten schreit wie ein Berserker. Das pure Brett regiert. Das primitive Szenario bietet einen guten Kontrast zum ausgefeilten Gesamtbild, das Disillusion vorher entwarfen. Als sich der halbentblößte Sänger nach etwa achtzig Minuten inkl. zwei Zugaben, das Trinkhorn schwingend, vom Publikum verabschiedet, gleicht seine Matte einem strähnigen Schweißapparat. Doch vor der Bühne sieht man auch nicht feiner aus. Gegenseitiges Einverständnis also. Metal eben. Eine feine Sache.



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