Deutsch-israelische Philharmonie 03.11.2006 Leipzig, Gewandhaus von rls
Was anno 2004 mit einem kleinen Pflänzchen in Gestalt eines deutsch-israelischen Musikeraustauschs begann, ist nunmehr, zwei Jahre später, schon zu einem ganz ansehnlichen Baum herangewachsen, der Alpen und Mittelmeer überspannt und an zwei Ästen Früchte trägt, dem über Deutschland befindlichen ebenso wie dem über israelischem Territorium lagernden. Die Früchte bestanden darin, daß das herangewachsene Gemeinschaftsprojekt, dem man kurzerhand den Namen "Deutsch-israelische Philharmonie" verpaßte, Felix Mendelssohn Bartholdys Oratorium "Elias" einstudierte und zwei Wochen damit auf Tour ging, eine Woche in Israel und eine Woche in Deutschland, wobei das Leipziger Konzert das vorletzte war und das Projekt einen Tag später, am 159. Todestag des Komponisten übrigens, im Berliner Dom seinen großen Abschluß fand. Die Federführung des Gesamtprojektes obliegt der Christlichen Musik- und Kunstakademie Stuttgart e.V., und deren hauseigene Ensembles, also Chor und Orchester, bildeten wichtige Stützen des insgesamt über 200 Mitwirkende umfassenden Ensembles. Dazugeholt hatte man sich eine gute Anzahl israelischer Instrumentalisten, den nach eigener Aussage größten Chor Israels, nämlich den Jerusalem Oratorio Choir, und auch gleich noch dessen Dirigenten Ronen Borshevsky, der die Gesamtleitung übernahm, nachdem das Debütkonzert in Israel noch von Monica Meira Vasques dirigiert worden war. Sinn des gesamten Unternehmens ist der kulturelle Brückenbau zwischen Deutschland und Israel und zugleich der religiöse zwischen Christen und Juden, und mit diesem großen Ziel im Hinterkopf überrascht die Wahl des aufgeführten Werkes nicht. Schließlich stammte Felix Mendelssohn Bartholdy aus einer Familie mit starken und tiefgründigen jüdischen Wurzeln, und er bekannte sich auch zu diesen, obwohl seine Eltern zum Christentum konvertiert waren und auch er selbst dieser Religion zugehörte - gleichzeitig aber verstand er sich auch eindeutig als Deutscher und vollzog damit einen Spagat, der im Reformjudentum der damaligen Zeit keineswegs ungewöhnlich war und erst 100 Jahre später als im rassischen Sinne unmöglich gebrandmarkt wurde. Folglich fielen Mendelssohns Werke, darunter natürlich auch der "Elias", während der nationalsozialistischen Periode offiziell aus den Konzertprogrammen (daß es einige mutige Dirigenten wie z.B. Rudolf Mauersberger gab, die Mendelssohn-Werke als nicht auf den Programmzetteln vermerkte Zugabenstücke brachten, sei nicht vergessen) und wurden erst nach 1945 in Deutschland wieder in unterschiedlicher Intensität ausgegraben, wobei sich unter den drei großen Oratorien Mendelssohns der "Elias" den Platz an der Sonne sichern konnte. Für die Komposition dieses Spätwerkes hatte die Stadt Dessau eine gewisse strukturelle Bedeutung, denn dorthin hatte Mendelssohn familiäre Verbindungen und lernte so auch einen Theologen namens Julius Schubring kennen, der ihm, nachdem ein früherer Versuch Ende der 1830er Jahre, an einen Text über dieses Sujet von Karl Klingemann zu kommen, gescheitert war, letztlich den Text für das 1846 in Birmingham uraufgeführte Oratorium schrieb. Schubring teilte die alttestamentarische Geschichte des Elias in zwei große Komplexe, nämlich den kraftvoll-energischen im ersten und den langsam in Agonie verfallenden und letztlich entrückten im zweiten Teil. Dabei hätte es nach ursprünglicher Planung auch bleiben sollen, aber es kam anders, und ein Appendix entstand, der nach der Himmelfahrt des Elias noch ausführliche Hinweise auf die Fortspinnung der Erlösergeschichte enthält und damit das vorher rein alttestamentarische Geschehen doch noch um einen neutestamentarischen Bezug erweitert (wobei es im Neuen Testament ja auch konkrete Rückgriffe auf die Eliasfigur gibt, denn da kommt im Volk die Vermutung auf, daß es sich bei Jesus um Elias handele), womit hier praktisch auch der Spagat zwischen jüdischem Kanon und christlicher Weiterentwicklung geschafft wird.
|