www.Crossover-agm.de Ozzmosis, Wellica, Main Machine   21.01.2006   Leipzig, Kulturbundhaus
von rls

Mit einem coverlastigen Programm startete die beliebte Veranstaltungsreihe "Heavy Metal - Nix im Scheddel?!" ins Jahr 2006, denn von den drei aufgebotenen Bands setzten zwei ausschließlich auf Fremdkompositionen. Die dritte, nämlich Main Machine, eröffnete den Reigen mit der metaltypischen Verspätung (die man mit diversen alten EMP-Samplern von ca. 1998/1999 im Hauptraum gut überbrückt bekam, während sich das Jungvolk im Vorraum neuzeitlicheren Klängen hingab) und einem reichlich üblen Soundgewand in den ersten zwei Songs, bevor der Mixer das Schlagzeug in den Griff bekam und man dann sogar die Soli des Bassisten verfolgen konnte. Ja, richtig gelesen: Der Bassist übernahm einen gar nicht so geringen Teil der Leadarbeit, wohingegen der Gitarrist seine Stärke offenbar vor allem im Riffkrachmachen sah und generell der Leadanteil sehr gering gehalten war. Main Machine gingen also recht basisch an ihre in einer Grauzone zwischen Hardrock und trockenem Power Metal liegende Musik heran und konnten vor allem durch zwei Faktoren überzeugen. Der erste ist der erwähnte Bassist, der parallel auch bei den (hochgradig empfehlenswerten) Hardrockern WeissHeim spielt, der aufgrund der Besetzung mit nur einer Gitarre von vornherein mehr Verantwortung hatte und der diese mit ideenreichem Spiel auch rechtfertigte. Der zweite ist der Sänger, die andere "lokale Berühmtheit" in der Besetzung, denn er steht auch bei Factory Of Art hinterm Mikro und überzeugte auch im Kontext von Main Machine an diesem Abend mit abwechslungsreichen Powervocals gleichermaßen wie mit souverän-lockerer Publikumskommunikation. Letzteres spendete denn auch wohlwollenden Applaus, wenngleich vielen der Songs noch ein bissel das gewisse Etwas fehlte, das aus gutem Material geniales macht.
Wellica erzeugten danach alles andere als Wellness bei einem Großteil des Publikums. Ihr Metier war prinzipiell das Covern von Metallica-Songs, allerdings setzten sie dieses Vorhaben genauso gründlich in den Sand wie die eingestreuten Versionen populären Liedgutes, deren Unterhaltungswert sich noch ein gutes Stück unterhalb von dem Onkel Toms bewegte. Schon der Opener "Creeping Death" machte fast alle Dilemmas (ist diese Pluralform korrekt?) des Quartetts deutlich. Der singende Bassist wirkte extrem gelangweilt und übertraf Hetfield allenfalls in der Rauheit seines Vortrags, der Drummer arbeitete zwar solide, tat aber eben nicht mehr als unbedingt nötig, der langhaarige Gitarrist war zwar recht bühnenaktiv unterwegs, hatte aber das Pech, daß seine Gitarre durchgängig zu leise rüberkam und es deshalb zu richtiger Riffpower nur dann kam, wenn der mit einer Bandana versehene Gitarrist die Riffs doppelte. Letztgenannter übernahm übrigens auch die Ansagen (die Reihe hinter mir witzelte daraufhin, daß der singende Bassist möglicherweise gar nicht sprechen könne - als er es kurz vor Setende dann doch tat, hätte er es lieber bleiben lassen sollen, denn es kam nichts Konstruktives dabei heraus) und hatte auch damit Pech, denn sein Mikro war auf die Lautstärke von Backing Vocals eingestellt, so daß man ihn nicht verstand. Spielen konnten speziell die Gitarristen ganz hervorragend, aber das allein reicht halt noch nicht aus; Frische und Energie zu transportieren vermochten Wellica über fast die ganze Spielzeit hinweg nicht. Von der Setlist her hatte kein nach 1991 entstandener Metallica-Track den Weg ins Programm gefunden (soll heißen, nach "Enter Sandman" war chronologisch konsequent Schluß), was das Ganze aber auch nicht besser machte, ebenso wie die beiden abschließenden metallicabezogenen Covers "Last Caress" (Misfits) und "Am I Evil?" (Diamond Head). Letztgenanntes wußte vom kompletten Auftritt noch am besten zu gefallen, wenngleich auch hier wieder das markante sägende Hauptriff nach der ausgedehnten Einleitung nur mit großer Mühe soundlich herausgehört werden konnte, was der langhaarige Gitarrist wenigstens im Schlußteil noch kompensierte, indem er anstelle des planmäßig dort befindlichen Speedparts ein hübsches Solo spielte und darin u.a. Edward Elgars "Pomp And Circumstance"-Thema einwob - keine schlechte Idee. In der Gesamtbetrachtung haben Wellica also noch viel Arbeit vor sich, denn das, was sie an diesem Abend spielten, animierte eher zum Gähnen - so gelangweilt habe ich mich bei kaum einem Gig seit dem Metallica-Desaster 1996 in der Leipziger Messehalle 7.
Wem eine Band namens Ozzmosis huldigt, sollte keiner weiteren Erläuterung bedürfen, und es steht eher die Frage offen, ob es denn auch Titel des gleichnamigen 96er Albums von Ozzy Osbourne zu hören geben würde. Die Antwort: Theoretisch ja ("Perry Mason" steht prinzipiell im Repertoire der Band), praktisch aber nein (der Song wurde an diesem Abend nicht gespielt). Das machte aber nichts, denn trotz einer gewissen Unausgewogenheit der Setlist machte der Gig des Quintetts den anwesenden Altmetallern jede Menge Spaß, zumal es der Sänger fertigbrachte, Ozzy nicht nur stimmlich zu adaptieren (er klang lediglich einen kleinen Tick flächiger und dunkler), sondern auch optisch, gestisch, bei den Ansagen und den Showeffekten (die Fledermaus blieb zwar, soweit ich das sehen konnte, außen vor, aber das Element Wasser spielte eine nicht unwichtige Rolle), ja selbst in der Art der Bewegung auf der Bühne (bis man dieses typische Gewatschel und Gehoppel intus hat, vergeht sicher ein bissel Zeit). Leider hatten auch Ozzmosis ein paar Soundprobleme - der Gesamtsound machte irgendwie den Eindruck, als ob man einen Vorhang vor die Boxen gespannt hatte, den Keyboarder hörte man prinzipiell nur, wenn alle anderen Instrumente schwiegen (also beispielsweise im Intro von "Mr. Crowley"), und auch der Gitarrist ging mit etlichen Licks und Riffs etwas unter. Aber spätestens im ersten Solo des an Position 4 befindlichen "Mr. Crowley" störte das irgendwie nicht mehr, und alles war wieder so wie damals - nein, nicht wie 1980 (da war ich gerade erst vier Jahre alt und lebte auf der Ostseite des antifaschistischen Schutzwalls), aber zumindest wie 1993 oder 1994, als ich "Blizzard Of Ozz" zum ersten Mal zu Gehör bekam und genau dieses Solo als den ultimativsten Moment der ganzen Platte begriffen hatte. Ozzmosis schienen überhaupt mit meiner Einschätzung konform zu gehen, von den beiden Alben mit Randy Rhoads "Blizzard Of Ozz" deutlich stärker einzuschätzen als "Diary Of A Madman" - letztgenanntes blieb an diesem Abend nämlich komplett außen vor (im Gesamtrepertoire findet sich u.a. zumindest "Flying High Again"), während ersteres mit gleich fünf Beiträgen einen wichtigen Teil der Gesamtsetlist bildete. Von den dem wenig originellen Orff-Intro folgenden fünf Songs stammten gleich vier von "Blizzard", nämlich "I Don't Know", "Suicide Solution", "Mr. Crowley" und das traumhafte "Goodbye To Romance", unterbrochen lediglich durch "I Don't Wanna Change The World" vom "No More Tears"-Werk, dessen drei Beiträge die zweite Säule des Programms bildeten - neben "Mama I'm Coming Home" gab's noch den Titeltrack in einer absolut glasharten Interpretation mit erfreulich ungestörtem Basisgroove (die Verlockung für einen Schlagzeuger, an so einer marschierenden Baß-Drums-Stelle Fills einzubauen, ist natürlich enorm groß - der Ozzmosis-Schlagwerker verzichtete dankenswerterweise darauf). Dazu gesellten sich noch "Bark At The Moon" von der ebenfalls sehr starken gleichnamigen 1983er Scheibe, "Gets Me Through" (der jüngste Track der Setlist, nämlich vom "aktuellen" "Down To Earth"-Werk) und natürlich der fünfte "Blizzard"-Track "Crazy Train". Den Rest des Programms und damit seine dritte Stütze bildeten Werke aus Ozzys Zeit bei Black Sabbath, wobei man im regulären Set nur "Iron Man" brachte (übrigens um den schnellen Schlußteil gekürzt), den Zugabenteil dafür aber ausschließlich mit Sab-Stoff bestückte. Mit "Paranoid" war dabei natürlich zu rechnen, dazu gesellten sich als ebenfalls nicht unerwartete Auswahl "War Pigs" (leider soundlich zu vermatscht), "N.I.B." und "Children Of The Grave", als abschließende eher überraschende Nummer aber noch die Kifferhymne "Sweet Leaf", die einmal mehr bewies, mit welcher Minimalistik im Riffing Tony Iommi damals maximale Wirkungen zu erzielen wußte. Ozzmosis spielten in der Gesamtbetrachtung also einen starken Gig, und alle, die nach Wellica den Saal verließen (ein Gruß an die dunkelhaarige Weiße-Gummibärchen-Fanatikerin, die während Main Machine rechts vor mir stand), haben definitiv etwas verpaßt.



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