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The Jailbreakers, Factory Of Art, Die Peiniger   20.11.2004   Leipzig, Moritzbastei
von rls, ta und CSB

Die Veranstaltungsreihe "Heavy Metal - nix im Scheddel ...?" (das Fragezeichen ist in verschiedenen Bevölkerungsgruppen bekanntlich einer wechselnden Verwendung unterworfen) hat zum Ziele, die metallische Struktur in Leipzig zu fördern, und so spielen auf besagten Veranstaltungen regelmäßig undergroundige bis semibekannte Bands aus Deutschland und der Welt, meist noch mit ein bis zwei lokalen Supports. Jahrelang im Kulturbundhaus stattfindend, ist man seit dem September 2004 nun in die Moritzbastei umgezogen (einige Veranstaltungen im kleineren Rahmen sollen aber weiterhin im platzkapazitätsseitig beschränkten Kulturbundhaus steigen). Zumeist den harten bis sehr harten Spielarten der metallischen Klangerzeugung zugetan, hatte man diesmal ein etwas anderes Programm zusammengestellt, das (in gewisser Weise ein Scheddel-Novum) nahezu deathmetalfreie Zone bleiben sollte.
Scheddel-Neulinge überraschte zunächst der pünktlich mit einer halben Stunde Verspätung aus den Boxen schallende Scheddel-Trailer - was der kraftlos vor sich hin bumchakende Drumcomputer in diesem sollte (sein Metal-Faktor lag irgendwo bei minus 25), weiß wohl nur die Scheddel-Crew allein und sollte dem bald Abhilfe schaffen. Die nächste Überraschung gab es, als Die Peiniger loslegten - stand doch vor dem Bassisten ein Mikro, in welches dieser aber nicht hineinsang, obwohl trotzdem laut brüllende Vocals zu hören waren. Des Rätsels Lösung ergab sich, als der mittig auf der Bühne stehende Bassist seinen Astralkörper mal zur Seite bewegte und den Blick auf den Schlagzeuger freigab - aha, eine Band mit singendem Drummer also. Musikalisch hatten Die Peiniger, wie man aufgrund der Namensverwandtschaft vermuten könnte, durchaus was mit Die Schinder gemeinsam, sie zockten aber in der Gesamtbetrachtung mehr im heftigen Death'n'Roll-Bereich, wobei der Death-Faktor außer im Gesang (der Bassist steuerte hier häufig noch eine zweite Stimme bei, im Gegensatz zum ausschließlich brüllenden Drummer wahlweise im Gebrüll oder Gekreisch angesiedelt, mitunter auch fies lachend) ausschließlich noch in der Stimmung der Gitarren zu lokalisieren war. Selbige Gitarren konzentrierten sich auf relativ monotones Riffing auf ein und demselben Grundton - die komplette obere Hälfte der Saiten blieb nahezu ungenutzt. Allerdings muß die daraus resultierende Stumpfheit der Songs im Gesamtkontext des Bandkonzeptes gesehen werden, denn hier stand ganz offensichtlich eine Parodie auf der Bühne. Das ging schon beim Outfit los, das die Band in zwei Hälften spaltete. Der Drummer und der Bassist kokettierten mittels streckenweise leichter Bekleidung mit ihrer vom Idealgewicht nach oben abweichenden Körpermasse (erstgenannter mit einem lose übergestreiften Einträger-Unterhemd, letzterer mit einem Netzhemd); zudem trug der Bassist auch noch eine offenbar original russische Pelzmütze und eine Sonnenbrille Marke "Klaus Lage trifft Olavi Mikkonen", die er später mit der weinerlichen Ansage "Ich kann euch nicht sehen" ablegte, nur um einen Song später freudestrahlend zu verkünden: "Jetzt kann ich euch sehen". Im völligen Gegensatz dazu machten die beiden Gitarristen den optischen Eindruck, als habe man den linken mal eben von der Straße reingerufen, weil gerade einer gebraucht wurde, während der rechte gerade von einer Safari aus Kenia wiedergekommen schien. Ins Gesamtbild paßten auch die verschroben-kultigen pseudobösen Lyrics, etwa das deutschsprachige "Der Fleischer" oder das blutrünstige "Drosophila", welchselbiges titelgemäß von einer Fruchtfliege handelt. Die Ansagen machten das parodistische Bild dann komplett, und als Abschluß hobelte man noch eine Ostrowski-Version von AC/DCs "T.N.T." herunter, verzichtete aber auf das von einigen Enthusiasten geforderte Trust-Cover "Antisocial". Auf CD könnten Die Peiniger recht langweilig rüberkommen - live aber machte das Ganze aufgrund des verdeutlichten Gesamtkonzeptes durchaus Spaß. (rls)

Das letzte Mal, als ich Factory Of Art live erblickte, ist nun schon ein paar Jährchen her und geschah zufällig auch im Rahmen einer "Scheddel"-Party. Anno 2004 blickt man nun auf eine längere Live-Abstinenz (welche Sänger Petri mit angeblichem Hawaiiurlaub im Bandkollektiv völlig plausibel und nachvollziehbar erklärt) und einen ordentlichen Dreh im Besetzungskarussell zurück. Die Hälfte der Band ist neu, die Songs in Gänze sind schon älter - was nicht musikalisch angestaubt heißen soll. Zwar verfehlt nach dem Opener "Twilight Zone" die Ansage "Tote leben länger!(?)" um einen kleinen, jedoch bedeutsamen Satzteil die eigentlich intendierte Pointe, aber FoA sind zurück, kein Zweifel: Halford-Lookalike Petri turnt gewohnt agil über die Bühne, fuchtelt theatralisch mit den Armen herum, schlängelt sich zu "The Mass" immer noch um ein großes Plastikkreuz (cooles Showelement), spuckt Feuer (ebenfalls cooles Showelement), teilt sich die Ballade "The Healing Part II" mit einer Gastsängerin namens Ines, kündigt auch mal den falschen Song an und lässt die Stimmbänder souverän vibrieren. Bassistenriese Ron bangt, was der Nacken hält und trampelt in Springern auf seinem winselnden Sänger herum (noch cooleres Showelement). Die spieltechnisch formidablen Neuzugänge respektive Einspringer Thoralf und Jens in der Gitarrenabordnung entwerfen ein Bild, wie es kontrastreicher nicht sein könnte: Der bemützte Rüpel im offenen Hemd und mit bösem Blick auf der einen, der gesetzte Virtuos mit Anzug und Langeweileblick auf der anderen Seite. Der dritte Neue im Bunde, Schlagzeuger Henry, wirkt zugegebenermaßen noch ein wenig unsicher (speziell "Story Of Pain" klang anderorts schon mal tighter), während Keyboarder Ekky sicher spielerisch alle Hürden mit Bravour meisterte, jedoch erst gegen Ende des Sets wirklich zu vernehmen ist. So konnte dann wenigstens in der Zugabe, nämlich dem Deep Purple-Cover "Perfect Strangers", der Hammond-Orgel-Sound die steinernen Hallen der Moritzbastei erschüttern. Spätestens an der Stelle wurde auch mir Spätzünder klar, dass die Prog Metal-Ecke für FoA nicht (mehr) viel taugt. Vielmehr darf inzwischen ohne schlechtes Gewissen von epischem Power Metal die Rede sein ("Solitary Soldier" wird gar als "Thrash" angekündigt), der ein wenig offener angelegt ist. Dieser wurde an diesem Abend trotz schwieriger Soundbedingungen - wie die Keys zu Beginn war auch der streckenweise eminent wichtige Backgroundgesang manchmal nur zu erahnen - verdientermaßen laut bejubelt, wessen sich der Reviewer vorbehaltslos anschließt. (ta)
Setlist Factory Of Art:
Intro - Adams Thems
Twilight Zone
Streets Of Violence
Solitary Soldier
The Healing Part II
Git.-solo-Duell
Wings Of Destiny
Story Of Pain
The Mass
Perfect Strangers

Und dann kamen die Jailbreakers und räumten restlos ab! Ich muss zugeben, dass ich ehrlich gesagt noch nie ein großer AC/DC-Freund war und mich in erster Linie wegen Factory Of Art in Richtung Moritzbastei bewegt hatte, aber was diese Truppe da auf der Bühne abzog, war einfach mitreißend und festigte ihren Ruf als beste AC/DC-Coverband spielend. Bei energiegeladenen Granaten wie "Whole Lotta Rosie", "TNT" oder "High Voltage" hatte ich gar stellenweise den Eindruck, dass die Jailbreakers die Originale noch übertrafen, zumindest der Drummer hatte deutlich mehr Punch als der häufig gelangweilte Phil Rudd der Australier.
Wie auch immer, vom ersten Ton der Openers "School Days" glich die Moritzbastei einem Tollhaus und das änderte sich auch im Verlauf des reichlich anderthalbstündigen Sets nicht, in dessen Verlauf neben allseits bekannten Klassikern wie "Dirty Deeds Done Dirt Cheap", "Highway To Hell" oder "The Jack" auch weniger populäre Songs der Legende von Down Under zum Zuge kamen. Nur schade, dass sich die Band ausschließlich auf die Bon Scott-Ära beschränkte und somit Songs wie "For Those About To Rock (We Salute You)" oder "You Shook Me All Nite Long" leider nicht zum Zuge kamen. Aber viel beeindruckender als das Songmaterial war die spielerische Leistung der Band. Hier waren echte Herzblutmusiker am Werk, absolute Fans, die ihren Idolen ein Denkmal setzen wollten und entsprechend in ihrem Schaffen aufgingen. Selten sieht man einen Gitarrist sich dermaßen verausgaben wie der Angus Young-Verschnitt Harry Haller Greiner an diesem Abend, bei dem am Schluss der Schweiß sämtliche Poren verlassen hatte. Auch die restlichen Bandmitglieder wirkten äußerst souverän, allen voran natürlich Sänger Jens Thorun, der mit seiner Stimme Bon Scott wieder zum Leben erweckte, was ja nun wahrhaft nicht die leichteste Übung ist ...
Unterm Strich ein herausragendes Konzert, was die gut 300 Besucher der MB ähnlich sahen, entsprechend abgingen und der Band noch drei Zugaben ("If You Want Blood (You Got It)", "Touch Too Much", "Rocker") aus dem Kreuz leierten. Da hätte es die beiden sturztrunkenen Hobbyanimateure, die bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit die Bühne stürmten, um die Band und nicht zuletzt sich selbst ordentlich abzufeiern, gar nicht gebraucht.
Zwar bin ich nach wie vor kein AC/DC-Fan, aber die Jailbreakers waren definitiv mehr als unterhaltsam. (CSB)
Setlist Jailbreakers:
School Days
Problem Child
Shot Down In Flames
Whole Lotta Rosie
Sin City
Jailbreak
Dirty Deeds Done Dirt Cheap
High Voltage
Go Down
Highway To Hell
Girls Got Rhythm
The Jack
Let There Be Rock
T.N.T.

Touch Too Much
If You Want Blood (You've Got It)

Rocker



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