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Jesus Crew   12.02.2005   Chemnitz, Arche
von rls

Schon wieder fast zweieinhalb Jahre sind vergangen seit meinem letzten Gigbesuch bei Jesus Crew - da wurde es wieder mal Zeit, und die Arche in Chemnitz gehört ja schon fast zu den "Stammclubs" der Band. Zum vierten Mal quetschte sich das Quintett auf die immer noch alle Dimensionen (nach unten wohlgemerkt) sprengende Bühne, diesmal aber doch etwas anders als gewohnt. In den letzten Jahren haben sich Jesus Crew neben ihrer regulären rockenden Inkarnation nämlich noch ein zweites Standbein geschaffen, ein Unplugged-Set (oder besser Semi-Plugged-Set, denn ganz ohne verstärkende Technik ging's nun doch nicht ab), mit dem sie auch auf Veranstaltungen spielen können, bei denen eine Rockband nicht so sehr ins Konzept paßt, wo man aber auch keinen einsamen Wandergitarrenprediger hinstellen will. Besagtes Standbein übte also auch an diesem Abend in Chemnitz die statische Funktion aus, und das bedeutete, daß nicht mehr das Schlagzeug den meisten Platz brauchte, sondern das Keyboard. Thomas saß nämlich auf einem Cajon (das sowohl die Bassdrums als auch die Snare ersetzte) und kam hihatseitig mit einem Fußbecken aus, während Thoralf hinter einem Keyboard normaler Größe Platz nahm und auch darauf verzichtete, dieses während des Spielens wild durch die Luft zu wirbeln, wie es sein Vorgänger Steffen bisweilen getan hatte. Knapp zweieinhalb Jahre ist Thoralf nun schon dabei, trotzdem hörte ich ihn an diesem Abend zum ersten Mal live, und er machte seine Sache gut, wenngleich er die abstruse Genialität Steffens weder reproduzieren kann noch will. Aber in den härteseitig logischerweise gemäßigten Set hätte allzu expressives Spiel möglicherweise auch nicht so richtig gepaßt. Für die expressiven Momente war zwischenzeitlich ein anderer zuständig, denn der US-stämmige Prediger Mike Moore war gerade in Chemnitz und hielt gasthalber im Set eine kurze Predigt über Glaubensgrundsätze, die er vom Tonfall her dem vergleichsweise jungen Publikum durchaus erfolgreich anzupassen versuchte, die aber argumentativ zu viele Repetitionen und scheinbar selbsterklärende Gemeinplätze enthielt. Sollte die von der Hausanlage eingespielte musikalische Untermalung der Dämonenparty am Karsamstag von einer in Wirklichkeit christlich orientierten Black Metal-Truppe gestammt haben (daß das Arche-Schallarchiv andere als solche vorrätig hat, ist stark zu bezweifeln), bekommt er zudem eine dicke Kopfnuß wegen Perfidie und Vorspiegelung falscher Tatsachen, aber das ist eine Frage, die offen bleiben muß. Zurück zu Jesus Crew: Die konzentrierten sich im Set auf Material neuzeitlicherer Entstehung, griffen zweimal auf Fremdkompositionen zurück (Albert Freys "Wo ich auch stehe" und Lukas Di Nunzios "Wunder werden wahr"), gruben aber auch in ihrer eigenen Vergangenheit und verdienten sich damit besondere Pluspunkte beim Rezensenten. Okay, mit "So bist du" war zu rechnen (eine Klasseballade - Doris vergaß in der Ansage auch nicht auf den bevorstehenden Valentinstag hinzuweisen), aber die Songauswahl vom legendären Debütalbum "Leben" ließ den Rezensenten im positiven Sinne aus allen Wolken fallen. "Hey, kleiner Mensch" konnte er im Geiste seinem zwei Wochen vorher geborenen zweiten Patenkind in spe widmen, und dann gab es doch tatsächlich auch noch das "Lied vom Tod", eine melancholische Komposition der Sonderklasse, zu der ihm nach wie vor die richtigen Worte fehlen und die er somit seit 1996 (!) zum ersten Mal wieder live zu hören bekam. Über Doris' Klassestimme noch Erläuterungen abzugeben wäre mit dem sprichwörtlichen Eulenexport nach Athen vergleichbar, und so bleibt als klitzekleiner musikalischer Minuspunkt neben dem für die kleine Räumlichkeit einen Tick zu lauten Sound eigentlich nur die unerquickliche Kürze des Sets von nur etwa einer Stunde. Aber lieber eine Stunde Qualität als drei Stunden Langeweile - und an der Qualität des Jesus Crewschen Akustikrocks gab es an diesem Abend nichts zu deuteln.



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