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Harmonic Brass   24.09.2004   Chemnitz, Georgenkirche Rabenstein
von rls

Jubiläumsstimmung im Chemnitzer Ortsteil Rabenstein: Die Georgenkirche konnte auf das 150jährige Bestehen der Existenz des heutigen Gebäudes zurückblicken, und zum Auftakt des Festwochenendes hatte man sich Harmonic Brass eingeladen, die dann auch gleich mit der Ouvertüre aus Händels "Feuerwerksmusik" für Feierlaune sorgten, nachdem sie unter Darbietung eines nicht auf den Programmzetteln angekündigten Werkes von Jean Joseph Mouret einmarschiert waren - ein laut Trompeter/Moderator Jürgen Gröblehner traditioneller Punkt ihrer Gigs, den ich letztes Jahr in Borna, als ich aufgrund eines überzogenen Vorher-Termins zu spät eintraf, also verpaßt hatte. Letztes Jahr gab's danach auch schon Händel, aber Stücke aus der "Wassermusik", diesmal also die Ouvertüre zur "Feuerwerksmusik" in einer Fassung für fünf Blechbläser, die den eigenartig gestelzt-abgehackten Gestus des Originals aber auch nicht ganz überspielen konnte. Der Rest des Programms rekrutierte sich (wie das Händel-Stück) größtenteils aus der Tracklist der aktuellen Harmonic Brass-CD "Bolero", die offenbar wieder das bietet, was man von Harmonic Brass gewöhnt ist: hochklassige Blechbläsermusik im Spannungsfeld zwischen klassischen Werken (teils mehr oder weniger original, teils besetzungstechnisch umarrangiert), moderneren Exempeln und tonnenweise Humor bei allem gebotenem Ernst. Soll heißen: Auf Bach (Choralbearbeitung "Meine Seele erhebet den Herren" BWV 847 sowie Präludium und Fuge c-Moll BWV 648 aus dem "Wohltemperierten Klavier", letztgenanntes mit fast unmenschlich schnellen Trillerumsetzungen der Tastenparts, mit denen sowas natürlich einfacher zu spielen geht als mit einem Blasinstrument) folgte ein Barbra Streisand-Medley (zu dem ich mangels Kenntnis der Originale nicht sonderlich viel sagen kann), bevor der Titeltrack der aktuellen CD, Ravels "Bolero", quasi den Kulminationspunkt des Programms und gleichzeitig den Pausenpfiff markierte. Dieses Stück stellte sich übrigens als äußerst dankbar für den Tubisten heraus: Manfred Häberlein mußte, abgesehen vom ekstatischen Schlußteil, in gemütlicher Geschwindigkeit lediglich zwischen drei Tönen hin und her pendeln, von denen die beiden äußeren auch noch im Oktavabstand siedelten (Parallelen zu Arijas "Palatsch" zeigen sich, wo Bassist Witali Dubinin über weite Strecken der knapp neun Minuten auch nicht mehr zu tun hat).
Den einzigen kleinen Schwachpunkt des Programms gab's gleich nach der Pause: Jan Koetsiers "Kleiner Zirkusmarsch" war zwar keineswegs kompositorisch schwach oder spielerisch schlecht umgesetzt, aber das Stück erscheint mir insgesamt (nach einmaligem Hören, wohlgemerkt) zu unauffällig, um es länger im Gedächtnis zu behalten. Aber die Steigerung folgte prompt: Leon Boëllmans "Suite Gothique" bestach durch eine kongeniale und klar strukturierte Umsetzung des eigentlich für Orgel geschriebenen Werkes, wenngleich ich mir nicht sicher bin, was denn nun der titelgebende "gotische" Aspekt sein sollte. Danach kündigte Jürgen Gröblehner etwas an, was sich sprachakustisch wie "Thrash de Brazil" anhörte, bei einem Blick ins Programm aber als "Tres do Brazil" auflöste. Blechbläserversionen von Sepultura-Klassikern entgingen dem Publikum also, statt dessen winkte uns das unvermeidliche Mädchen aus Ipanema zu, und spätestens der Medley-Abschluß "Brazil" (wer hatte gleich noch das Original popularisiert?) brachte die nahezu voll besetzte Kirche endgültig zur applaustechnischen Raserei, die aber noch gesteigert werden konnte: Hatten Harmonic Brass anno 2003 Titelmelodien von Kinderserien zu einem oberkultigen Medley namens "Mouse And Friends" zusammengeschmiedet, so lag anno 2004 "Mouse And Friends 2" vor, erneut 10 solcher Melodien zusammenfassend und wahre Lachstürme im Publikum verursachend, wenn es da kreuz und quer durch den Gemüsegarten von "Heidi" bis zum "Sandmännchen" (dem Ost-Sandmännchen wohlgemerkt, nicht etwa dem vergleichsweise wenig populären West-Sandmännchen, wie man anhand der bayrischen Herkunft der fünf Musiker hätte vermuten können) ging. Logisch, daß der im Vergleich zum letzten Jahr auf einer Position umbesetzte Fünfer (den Job von Posaunist Otto Hornik hatte Thomas Lux übernommen) nicht ohne Zugabe davonkam, in der wieder Tubist Manfred Häberlein seinen ganz großen Auftritt hatte, indem er seine Finger in Höchstgeschwindigkeit über die Tastatur rasen ließ und fast unspielbare Läufe intonierte, für die er streckenweise Szenenapplaus bekam. Den Ausklang bildete wie im letzten Jahr "Ade zur guten Nacht", diesmal aber in einer klassischen Form ohne die zwischengeschaltete "Sandmännchen"-Melodie. Hochklassige Unterhaltung mit besinnlichen Momenten also, die man von Harmonic Brass geboten bekam - intensives Studium des prall gefüllten Tourkalenders auf www.harmonicbrass.de samt anschließendem Konzertbesuch ist also wärmstens empfohlen.



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