www.Crossover-agm.de
Harmonic Brass   12.09.2003   Borna, Stadtkirche
von rls

Wasser fiel draußen vom Himmel, zwei Stücke aus Händels "Wassermusik" (die Ouvertüre und die nun wirklich jedem bekannte Alla Hornpipe) eröffneten derweil den Auftritt der fünf Blechbläser von Harmonic Brass in der vollbesetzten Stadtkirche Borna. Am Ende letztgenannten Stückes betrat ich nach einem überzogenen Vorher-Termin die Kirche und wurde mit Bachs "Jesus bleibet meine Freude" empfangen. Damit waren die beiden Säulen des Harmonic Brass-Programms bereits deutlich erkennbar, und jedes weitere der Stücke verdeutlichte das Erfolgsrezept des extrem tourfreudigen Ensembles (160 Gigs pro Jahr sind für eine Blechbläserformation rekordverdächtig): Auf der einen Seite neue, frische und unterhaltsame Arrangements allgemein bekannter Werke aus Klassik, Pop, Musical und anderen Genres, auf der anderen Seite weniger bekanntes Musikgut und manche Entdeckung, allesamt aber fast ausschließlich in ensembleexklusiven Arrangements, für die sich größtenteils der 1. Trompeter Hans Zellner verantwortlich zeichnet. So schrieb er beispielsweise ein Medley namens "Webber in Brass", das Exzerpte aus "Phantom Of The Opera", "Jesus Christ Superstar", "Cats", "Evita" und schlußendlich "Starlight Express" enthielt und diese zu einem zwar deutlich abgegrenzten, aber doch harmonischen Ganzen verband. Harmonic Webber in Brass sozusagen. Der erste Teil des Konzerts endete mit einer Suite aus Engelbert Humperdincks Märchenoper "Hänsel und Gretel", eine ganze Latte an dort enthaltenen Kinderliedern verbratend, und das mit einer enormen Spielfreude, dynamischer Variabilität (die bedarfsweise noch durch Instrumentenwechsel innerhalb der Stücke unterstützt wurde, was bei einem Tubisten gar nicht so einfach ist) und exaktester Spielkultur bis zur letzten Sechzehntelnote.
Hatte schon der erste Teil hochkarätige Stücke beinhaltet, setzte der zweite gleich zu Beginn noch eins drauf. An die Aufgabe, die bekannte Toccata und Fuge d-moll BWV 565 (deren Bachsche Autorenschaft mittlerweile in stilkritische Zweifel gezogen wird) für fünf Blechblas-Stimmen zu arrangieren, kann man wirklich nur mit einem weit über das normale Maß hinausgehenden Selbstbewußtsein gehen. Tatsächlich: Einige kleine Übergänge, einige winzige Augenblicke lang mußten die Musiker ob der orgelnden Stimmgewalt der Originalkomposition von der Ideallinie abweichen, sich technisch trotzdem an ihrer Obergrenze bewegend. Aber im Wirbel des großen Werkes gingen solche kleinen Momente restlos und verdientermaßen unter, und der donnernde Applaus nach Ende dieses Stückes war mehr als gerechtfertigt. Einen echten Schwachpunkt des Programms dagegen markierte Karg-Elerts "Nun danket alle Gott", gemeinsam mit KMD Bernhard Müller an der Orgel dargeboten, da dieses Stück besonders in den Orgelparts eine durchgängige Klarheit zugunsten der mir persönlich weniger zusagenden Arbeit mit flächigen Klängen vermissen ließ, obwohl es an der Ausführung auch hier nichts zu deuteln gab. "Sevilla" von Isaac Albeniz verdeutlichte aufs neue die alles andere als bierernste Herangehensweise von Harmonic Brass an ihre Konzertprogramme. Da lösen sich die Musiker auch mal von ihren Notenpulten, spazieren umher, "duellieren" sich und fahren mimisch und gestisch mehr Comedy auf als die Mehrzahl der heutigen selbsternannten Comedians ohne ein Instrument. Müßig zu betonen, daß die Exaktheit des Spiels auch durch solche Elemente nur unwesentlich sank. "Staubtrocken" steht im Konzertprogramm als Beschreibung für den Humor des Quintetts - ein besseres Attribut wäre mir auch nicht eingefallen, und zudem darf es auf die Moderation, größtenteils vom zweiten Trompeter Jürgen Gröblehner übernommen, ausgedehnt werden. In Marvin Hamlischs "The Way We Were" - laut Ansage in der Version von Barbara Streisand bekannt geworden, aber man sehe mir nach, daß meine Tonträgersammlung an dieser Stelle eine Lücke aufweist - hatte Posaunist Otto Hornek seinen großen Auftritt, bevor man das reguläre Programm mit einem weiteren absoluten Highlight beschloß, nämlich einem Medley aus elf Titelmusiken von Kinderserien, zusammengefaßt als "Mouse And Friends". Spielfreudig wie eh und je, bekam man also ein buntes Potpourri von "Tom & Jerry" über (logisch) "Die Sendung mit der Maus" und "Der rosarote Panther" bis hin zu den "Flintstones" geboten (ich muß zugeben, nicht alle elf erkannt zu haben - ich habe eben keine Kinder), welches das Publikum nicht selten zu Lachstürmen (und natürlich auch zum angestrengten Miträtseln) animierte. Daß die Münchner nicht ohne Zugabe davonkommen würden, war klar, und so packten sie eine Version von "Im tiefen Keller" aus, bei der Tubist Manfred Häberlein mit seinem Instrument durchs Publikum lief und dem Messingmonster trotzdem noch nahezu unspielbare Sololäufe in irrwitziger Geschwindigkeit entlockte. Die erneuten (und verdienten!) Sitting Ovations beantwortete das Ensemble mit einem finalen Geniestreich, nämlich einer aus zwei hochemotionalen Rahmenstrophen bestehenden Variante von "Ade zur guten Nacht", in der man zwischenzeitlich abrupt aus der Besinnlichkeit gerissen wurde - als Mittelteil wurde nämlich die Titelmusik des DDR-Sandmännchens eingeflochten. Summa summarum also knappe zwei Stunden erstklassige Musik und bestes Entertainment zugleich. Demnächst auch in einem Theater in Eurer Nähe (siehe den umfangreichen Tourplan auf www.harmonicbrass.de).



www.Crossover-agm.de
© by CrossOver