www.Crossover-agm.de
Christmas Rock Night 2003   05.-06.12.2003   Ennepetal
von tk

Freitag, 5.12.
Die Christmas Rock Night fand dieses Mal unter dem Motto "For those about to rock. For those about to praise" statt, womit schon mal deutlich wurde, was in der christlichen Szene gerade hip und in ist. Was ich in diesem Zusammenhang von der derzeit ausufernden Praise- & Worshipwelle halte, möchte ich mal dahingestellt sein lassen, klar ist nur, daß es in diesem Jahr wirklich sehr mager gesäte acts gab, die mich musikalisch ernsthaft interessierten und über die an dieser Stelle ausführlicher zu berichten lohnt.
Erfreulicherweise gabs eine kurzfristige Umstellung im Billing, weil für die - aus welchen Gründen auch immer - nicht angereisten FM Static Seventh Avenue einspringen durften und die somit die Chance erhielten, sich endlich mal auf der mainstage zu präsentieren - eine längst überfällige Entscheidung.
Als Opener der CRN fungierten die Finnenrocker Jacks Of All Trades, die mit einer wilden Mischung aus Sixties-gefärbtem Rock'n Roll und Crossover als Anheizer einen leichten Stand hatten, auch wenn die Publikumsreihen noch erheblich große Löcher aufwiesen.


Danach kamen sie endlich: Seventh Avenue. Diese Band könnte ich mir täglich geben, ohne daß mir dabei langweilig wird. Zum ersten Mal in Deutschland war deren neuer Bassist Markus on stage zu bewundern, der sich zur Freude aller Avenue-Anhänger gut in die Band eingefügt hat und den ausgestiegenen Geronimo würdevoll ersetzen konnte. Die Band brannte in den für sie nur 45 "erlaubten" Minuten (eigentlich eine Unmöglichkeit, zumal sie an diesem Abend wirklich den Headlinerstatus verdient hätten!) ein Melodic-Power-/Speedmetal-Feuerwerk ab, von dem sich so manche gehypte Band dieses Genre ein Scheibchen hätte abschneiden können. Ob nun "A Step Between The Worlds", "May The Best One Win", "Tales Of Tales" oder die standesgemäßen Cover-Stücke "In God We Trust" von Stryper und "Run To The Hills" von Iron Maiden - wie immer überzeugten Herbie & Co. auf ganzer Linie und ließen auch bei ihrer Mainstage-Premiere auf der CRN nichts anbrennen. Der Sound war zwar nicht überragend, aber insgesamt vertretbar, was an diesem Abend nicht immer der Fall sein sollte. Der Großteil des Publikums wirkte angesichts des High-Speed-Geballers etwas überfordert, aber spätestens beim abschließenden Maiden-Cover war die anwesende Meute fit wie ein Turnschuh und ging begeistert mit. Die Stimmung sollte sich beim Gig auf der Alternastage am darauffolgenden Abend noch mal um einiges steigern.

Seventh Avenue
Mit maximaler Glückshormon-Ausschüttung begab ich mich zwecks Aufnahme erfrischender Flüssigkeit in den Klimperkasten, so daß ich von den Kroaten Seekers Planet auch nichts mitbekam und erst bei den Amis Rock'n Roll Worship Circus wieder die Ohren gen mainstage richtete, wo mir straighter, rotziger Rock'n Roll entgegen wummerte, der auch vom Publikum mit entsprechend positiver Resonanz honoriert wurde. Erstmals bei einer CRN gab es einen längeren Message-Part, den Thorsten Hebel übernommen hatte. Ich muß allerdings gestehen, daß ich dieser neu ins Programm aufgenommenen Variante der Verkündigung wenig abgewinnen konnte, dafür bietet ein solches Festival meiner Ansicht nach einen ungeeigneten Rahmen - ohne daß ich damit das inhaltliche Anliegen des Herrn Hebel abwerten möchte.


Der nächste unbestrittene Höhepunkt des Abends war der Auftritt der norwegischen Prog.Thrash/Deather Extol, die ich erstmals mit ihrem kreativen Kopf Ole Børud, der nach "Undeceived" kurzzeitig aus der Band ausgestiegen war, on stage erlebte. Ihr aktuelles Album "Synergy" hat einen Großteil der schreibenden Zunft mehr als überzeugen können, so daß man gespannt sein durfte, wie die Norweger ihre hochkomplexen Songs live umsetzen würden. Ihr Set begann erstmal mit Soundproblemen, wobei ich hinzufügen muß, daß der Mann am Mischpult über weite Strecken des ersten Veranstaltungsabends wenig Fingerspitzengefühl zeigte oder offenbar nur Tomaten auf den Reglerknöpfen hatte. Sei's drum, Extol proggten und thrashten wieder auf höchstem Niveau und brachten mit ihrer hyperintensiven Mischung aus Hardcore, Thrash, Death- und Blackmetal den Saal richtig zum Kochen. Die Bühnenperformance der fünf Nordmänner hat sich in den letzten zwei Jahren enorm verbessert, besonders Peter hat mittlerweile echte Entertainerqualitäten entwickelt und konnte auch mit klaren evangelistischen Statements das geistliche Anliegen der Band überzeugend vermitteln. Neben Nackenkrachen wie "Thrash Synergy" und "Scrape The Surface" gab's auch Material vom "Burial"- und "Undeceived"-Album zu hören. Angesichts der knapp bemessenen Spielzeit gingen Extol leider ohne Zugabe von der Bühne. Ein mehr als gelungener Auftritt der Norweger, die innerhalb ihrer musikalischen Sparte nach wie vor unerreicht bleiben, im Rahmen einer solchen, überwiegend auf NU-Metal und Alternativrock ausgerichteten Veranstaltung aber etwas untergegangen sein dürften.
Die nachfolgenden Interviews mit Seventh Avenue und Extol auf der Talkbühne entwickelten sich wieder einmal zum Spießrutenlauf. Ich möchte dieses Thema aufgrund seiner Tragik an dieser Stelle nicht bis zum Letzten ausreizen, aber es ist mittlerweile nicht nur beschämend, sondern auch desaströs, mit welcher Unprofessionalität, die wiederum aus einer Unbeholfenheit gegenüber Metalbands resultiert, Interviews (beispielsweise mit Seventh Avenue) geführt werden, die mit - sinngemäß - "Ihr seid in Deutschland ja total erfolglos" eingeleitet werden und darin gipfeln, daß man sie als "christliche Guano Apes" tituliert, weil letztere im Ausland ja auch mehr Erfolg haben als im eigenen Land. Wen wundert es angesichts solch fataler Eskapaden, daß beim Interview kaum Publikum anwesend war, Extols John Robert irgendwann der Kragen platzte und der kurzerhand das Weite suchte. Immerhin sicherten sich die drei verbliebenen Extoler - Christer war erst gar nicht erschienen - mit einem leidenschaftlich vorgetragenen norwegischen Traditional (a capella gesungen!) nicht nur ihre Packung duplo, sondern retteten auch Dirk und mir den Rest des Abends, dessen weiterer Verlauf an dieser Stelle schnell erzählt ist. Skillet und Pillar rockten das Haus noch mal richtig gewaltig und kamen bei den Kids mit ihren NU-Metal- und Alternativklängen auch entsprechend gut an, während ich mich mit Avenueischen Metalhymnen im Ohr schon mal Richtung Dortmund verabschiedete.

Publikum

Samstag, 6.12.

The Electrics, äh, Sammy Horner & Friends
Es ist Nikolaustag, so daß man im Haus Ennepetal wieder mal phantasievolle Nikolausmasken und Bommelmützen einiger Besucher bestaunen konnte. Ansonsten war CRN-programmtechnisch ziemlich viel Leerlauf, um nicht zu sagen: Sand im Getriebe. Wenigstens die kurzfristig für Thousand Foot Krutch eingesprungenen Electrics, die unter dem Banner Sammy Horner & Friends auftraten, konnten mich mit ihrer Mischung aus traditionellem Scottish Folk Rock und besinnlichen Anbetungsliedern begeistern, wie auch die zu dieser frühen Nachmittagsstunde schon zahlreich vor der Bühne erschienenen Besucher. Da wurde mal schnell eine Polonäse quer durch den Saal organisiert, getanzt, gejubelt, gefeiert, aber auch die stillen Momente dieses flotten Vierers von der Insel genossen. Sammy Horner ist schon eine beeindruckende Persönlichkeit, nicht nur weil er seiner Musik Charme und Witz, sondern auch seiner anbetenden Haltung Ausdruck verleihen kann. Ein authentischer und in jeder Hinsicht begeisternder Gig der Schotten, der über das sonst so fade Programm etwas hinweg zu trösten half.

Die Dreadlock-Fraktion stand auch auf der Bühne
Immerhin gab es ja mit dem Auftritt von Seventh Avenue auf der Alterna-Stage im JUZ doch noch einen Lichtblick. So pilgerte ich schon recht früh rüber und bekam noch die letzten Sequenzen der Polen Frühstück mit, die mit ihrem Emo-Rock offensichtlich nicht nur die Fraktion der Dreadlocks-Tragenden zufrieden stellen konnte. Als für Seventh Avenue umgebaut wurde, versammelte sich schon ein beachtlicher Pulk von Headbangern vor der Bühne, so daß dem kollektiven Haareschütteln nichts mehr im Wege stand. "Take A Step Between The Worlds" war sinngemäß der Startschuß für einen Gig, der einfach nur hammergeil war und auch den Musikern sichtlich Spaß bereitete. Die Setlist hatten die Wolfsburger etwas umgestellt, so spielten sie auch das etwas melodiös-hardrockiger ausgerichtete "Angels Eyes" und den Midtempo-Stampfer "Rest In Peace" vom '95er Album "Rainbowland", der unter meinen Lieblingssongs mittlerweile ganz oben angesiedelt ist (sorry Flo, aber Du wirst ihn vielleicht irgendwann genauso lieben, wenn Du mal 'ne Live-Scheibe von euch gehört hast! :-). Wenn Stryper schon keinen Bock drauf haben, wieder in Deutschland zu spielen, dann haben wir ja immer noch Seventh Avenue, die uns mit "In God We Trust" in die glorreichen Zeiten des Melodic-Metal zurückbeamen. Das abschließende "Goodbye" ließ das Publikum förmlich zu einer Einheit verschmelzen und entfachte einen Enthusiasmus, der nach Herbies Worten schon fast brasilianische Ausmaße angenommen hatte. "Na-na-na-na-na-na-na-na ..." wurde jedenfalls aus hunderten von Kehlen lauthals mitgesungen und erzeugte pure Gänsehaut-Atmosphäre. Ein wahrhaft göttlicher Gig, der auch vom Sound her kaum Wünsche offen ließ.

Herbie von Seventh Avenue
Die CRN war für mich damit gelaufen, die restlichen noch auftretenden Künstler allenfalls schmückendes Beiwerk. Immerhin lieh ich für zwei Songs dem Paul Colman Trio noch mal ein Ohr. Die Australier hätten mit ihrem melodischen Softrock sogar noch unseren Georg aus der Reserve locken können, mir wars dann aber doch 'ne Spur zu poppig. Den Auftritt des Co-Headliners Disciple habe ich nur noch am Rande mitgeschnitten, aber notieren können, daß die Kids im großen Saal kurz vorm Austicken waren angesichts des schweißtreibenden numetallischen Crossovercocktails, der ihnen von den Amis kredenzt wurde. Beim Auftritt des Headliners, der US-Ska-Formation OC Supertones hatte sich das Haus Ennepetal schon sichtbar geleert, was sicherlich auch an der Rangfolge des Billings gelegen haben mag.
Unterm Strich bleibt ein zwiespältiger Eindruck haften, der mittlerweile schon signifikant für christliche (Rock-) Festivals geworden ist, was hauptsächlich an der Auswahl der Bands liegt, aber auch an der Art und Weise, wie mit Musikern umgegangen wird, die nicht die Trendschiene reiten und Musik machen, die nicht unbedingt von der breiten Masse geliebt wird. Ich bekenne mich als langjähriger Besucher zwar ausdrücklich zur CRN, sehe diese Entwicklung aber weitaus kritischer als so manche/r Kollege/in.
Mehr Fotos von der CRN (und die hiesigen bedarfsweise noch etwas größer :-)) findet ihr unter http://www.sound7.de/galerien/crn03/

Setlist Seventh Avenue (Samstag):
A Step Between The Worlds
Levy Your Soul From Hate
Iron Man
In God We Trust
Angels Eyes
Tale Of The Forgotten Dreams
Big City Sharks
Rest In Peace
Goodbye



www.Crossover-agm.de
© by CrossOver