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IconClan, D.O.N., Anticipation   18.07.2003   Chemnitz, ZV-Bunker
von rls

Die finnischen Rocker IconClan und ihr Label Whirlwind Records luden zur Premiere des zweiten Longplayers "Cottonfield Gospel" ins Chemnitzer "Stammlokal" ZV-Bunker, und ca. 160 Gäste folgten dem Ruf. Man harrte geduldig aus, bis sich der imaginäre Vorhang mit einer Stunde Verspätung hob und zunächst Anticipation auf der Bühne erschienen. Das Quintett entpuppte sich schnell als die extremste mir bekannte Band, die in ostdeutschen Landen unter christlicher Flagge segelt. Waren die ersten Songs noch eher von der brachial-doomcorigen Sorte, so erhöhte die Band das Tempo in den Folgetracks immer mehr (der neue Schlagzeuger wurde parallel dazu praktisch von Song zu Song sicherer), bis man passagenweise kurz vorm Blastspeed angekommen war. Das Ganze erinnerte mehr als einmal an eine Mixtur verschiedener Schaffensperioden von Napalm Death (die Frühphase mit den ultrakurzen Lärmattacken mal außen vor gelassen), wobei die Gitarristen hier und da noch ein paar Melodiefinessen einbauten, wie man sie aus dem Frühwerk von Dark Tranquillity kennt und liebt. Es ergab sich also ein großer und zudem nicht gerade leiser Soundwall mit für zartbesaitetere Ohren im geblümten orangefarbigen Spaghettiträgerhemdchen etwas zu großer Extremität, der aber von der metallischen Fakultät im Publikum mehr als dankbar aufgenommen wurde, zumal die an der Grenze vom Erzgebirge zum Vogtland angesiedelte Band auch noch etliche Schlachtenbummler mitgebracht hatte. Kleine Schwächen zeigten sich im etwas zu langen Ausspielen diverser Parts sowie im Clean- und Sprechgesang des Fronters, der mitunter nicht so recht zum Unterbau passen wollte (dafür überzeugte das intensive Gebrüll). Anticipation coverten zwischendurch auch mal recht kompetent "Roots, Bloody Roots" von Sepultura und hatten sich eine Zugabe redlich verdient. Eine Band mit Zukunft!
Eher was für die punkrockende Fraktion waren D.O.N. aus Mühlau. Auch diese Band agierte mit viel Energie und wählte streckenweise hohe Tempi zur Umsetzung ihrer musikalischen Vision (was dazu führte, daß selbst die Bedienung hinter dem Tresen zu pogen bzw. einen Hüftschwung hinzulegen anfing - wo gibt's sowas heute noch?), litt meines Erachtens aber etwas unter dem "Woodencross-Syndrom". Soll heißen: Man bekam ordentliche Einzelteile zu hören (neben Punk und Rock'n'Roll auch Ska), aber die Legierung zu einem großen Erscheinungsbild ließ noch zu wünschen übrig. Zudem machte die Band noch viel zu wenig aus ihren besetzungsrelevanten Möglichkeiten, denn Keyboarder findet man in Punkbands bekanntermaßen recht selten - diesen Originalitätsfaktor darf man in Zukunft also gerne weiter ausbauen und den Wechselgasang auch, selbst wenn es dem augenscheinlichen Leadsänger ein wenig an Charisma und Unverwechselbarkeit der Stimme gebrach. Allerdings hörte man aufgrund des recht verwaschenen Sounds sowieso nicht so sehr viele Feinheiten heraus. Unterm Strich ein annehmbarer, aber nicht weltbewegender Auftritt dieses Fünfers, der anständig beklatscht, aber nicht zu einer Zugabe aufgefordert wurde.
Die Geisterstunde war schon weit fortgeschritten, als IconClan endlich auf die Bühne stiegen (Leute, nehmt doch bitte 'n bissel Rücksicht auf die Greisen- und Jungvolkfraktionen im Publikum - erstgenannte liegt zu so 'ner Zeit am liebsten schon fast im Bett, und letztgenannte hat, wenn sie z.B. auf öffentliche Verkehrsmittel angewiesen ist oder ihre Ausgangszeit nicht gnadenlos überziehen will, auch schlechte Karten, so daß beispielsweise an diesem Abend ein Drittel der Besucher IconClan nicht mehr oder nur noch partiell erlebte). Die Soundprobleme setzten sich auf anderer Ebene fort, denn von Micks Gitarre war anfangs nahezu gar nichts zu hören. Das Trio stieg etwas überraschend mit dem Chuck Berry-Cover "Johnny B. Goode" ein (das schon auf der letzten Tour gespielt wurde und auch auf der neuen CD steht, aber als Opener hätte wohl niemand diesen Song erwartet) und spielte sich hernach erwartungsgemäß quer durch das Material der beiden Longplayer mit Hauptaugenmerk auf dem des neuen, dessen Eindruck der leicht gesetzteren Herangehensweise phasenweise bestehenblieb, an anderen Stellen aber mit wildem Punk'n'Roll-Gebretter ad acta gelegt wurde. Zum Song "Rock'n'Roll Rodeo" hat die Band auch ihr erstes Video abgedreht, das es vor dem Gig auf einer Leinwand zu sehen gab (jedenfalls für diejenigen, die größer als 1,80 m waren). Der Song selbst ist nicht mehr, aber auch nicht weniger hitverdächtig als Großteile der Kohorte der anderen, die in der Stunde Spielzeit zum Zuge kamen. Das für IconClan-Verhältnisse getragene "Waiting For The Dawn" gehörte, wie es Mick letztes Jahr versprochen hatte, wieder zum Set (auch wenn hier ausnahmsweise mal die Studioversion aufgrund des höheren Epikfaktors vorzuziehen ist), und der Zugabenteil endete, wie der reguläre begonnen hatte, nämlich mit Fremdkompositionen. Die anarchistische Version von "Hier kommt Alex", gesungen wie immer in nicht ganz akzentfreiem Deutsch, wurde vom verbliebenen Auditorium so intensiv bejubelt, daß die Band schlußendlich auch noch "Pet Cemetary" auspacken mußte. Diese Schlußgongs bekamen aber viele Ohren, die zartbesaiteteren im geblümten orangefarbigen Spaghettiträgerhemdchen eingeschlossen, uhrzeitbedingt leider nicht mehr mit.



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